Lebenslange Haft für Estibaliz C.

Estibaliz C. ist am Donnerstagabend im Straflandesgericht nach viertägiger Verhandlung wegen Doppelmordes schuldig erkannt und zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Zudem wurde sie in eine Anstalt für abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

„Ich habe verstanden“, sagte die 34-Jährige auf die Frage der vorsitzenden Richterin, ob sie das einstimmige Urteil verstanden habe. Sie nahm die Höchststrafe ohne nach außen ersichtliche emotionale Bewegung zur Kenntnis. Danach meldete sie nach Rücksprache mit ihren Rechtsvertretern Rudolf Mayer und Werner Tomanek Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.

Kellerleichen-Prozess:  Estibaliz C.

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Einstimmig wegen Doppelmordes verurteilt

Nur Geständnis mildernd

Bei der Strafbemessung wurden das Geständnis und eine „erhebliche psychische Beeinträchtigung“ mildernd gewertet, wie Richterin Susanne Lehr darlegte. Erschwerend schlugen sich demgegenüber das Nachtatverhalten (das Zerstückeln und Einbetonieren der Leichen), die reifliche Planung sowie die für die Opfer vollkommen überraschenden Angriffe zu Buche.

Nach Ansicht von Verteidiger Rudolf Mayer war jedoch die Power-Point-Präsentation des Gerichtsmediziners entscheidend dafür, dass C. die Höchststrafe ausgefasste. Er goutiert diese Vorgangsweise nicht: „Es war nicht nötig, die Zerstückelung der Leichen so in den Vordergrund zu rücken, dass die Morde vom Nachtatverhalten überlagert worden sind.“ Diese Art der Zurschaustellung der sterblichen Überreste der Opfer habe „der sachlichen Aufklärung nicht geholfen, jedoch die negative Stimmung bei den Geschworenen gefördert“.

Prozess um Kellerleichen: Die mutmaßliche Doppel-Mörderin Estibaliz C. (M.) mit ihren Anwälten Werner Tomanek (l.) und Rudolf Mayer am ersten Prozesstag

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Die Angeklagte mit ihren Anwälten Werner Tomanek und Rudolf Mayer

Gutachterin: „Lange Entwicklung“

Die 34-Jährige befand sich zum Zeitpunkt der ihr vorgeworfenen Taten nicht in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand. Das hatte die psychiatrische Sachverständige Adelheid Kastner zuvor klargestellt. „Es war ihr immer klar, was Recht und Unrecht ist“, sagte die Gutachterin, die der Angeklagten damit keinen Schuldausschließungsgrund bescheinigte. Bis es zu den Tötungen kam, sei eine „lange Entwicklung“ abgelaufen.

Kastner hatte sich daher auch für die Einweisung der Angeklagten in eine Anstalt für abnorme Rechtsbrecher ausgesprochen. Denn dorthin können auch an sich zurechnungsfähige Personen eingewiesen werden, wenn sie für derart gefährlich angesehen werden, dass von ihnen die neuerliche Begehung von Straftaten mit schweren Folgen zu erwarten ist.

C. leide jedenfalls an einer höhergradigen seelisch-geistigen Abartigkeit. Die Gutachterin bescheinigte der 34-Jährigen eine ausgesprochen düstere Zukunftsprognose. Eine „weitere Tatbegehung“ liege nahe. Denn „der Lerneffekt der ersten Tötungshandlung (des inkriminierten Erschießens ihres Ex-Mannes Holger H., Anm.) war eine bessere Effizienz bei der zweiten und nicht ein Verhindern der zweiten“.

„Aus-dem-Weg-Räumen“ als Lösung

C. habe sich nicht „normal“ von den unglücklichen Beziehungen trennen können, „die Tötung, das Aus-dem-Weg-Räumen dieses Menschen“ sei ihr dabei als Lösung erschienen, so die Gutachterin. Diese Möglichkeit habe die Frau längere Zeit „durchgespielt“ und von einer Fantasie zur „Gewissheit“ entwickelt: „Es war eine Welle, die kommt und immer stärker wird.“ Die Tat an sich habe die Angeklagte zielgerichtet vollbracht. „Sie verliert nicht den Kopf. Sie verliert sich in Emotionen“, sagte die Psychiaterin.

Ähnlich gefangen habe sich die Angeklagte bei ihrem Lebensgefährten Manfred H. gefühlt. Er habe der Frau immer mehr Nähe und Zuwendung entzogen. Erneut sei „die Welle“ mit der Tötungsfantasie gekommen: „Nach der ersten Tötung war Frau C. bewusst, dass sie dazu fähig ist. Sie war beim zweiten Mal ganz sicher nicht mehr überrascht, dass sie dazu fähig ist.“ Im Unterschied zum ersten Mal habe sie sich auf die Tötung des zweiten Mannes vorbereitet und die Folgen der Tat „wesentlich rascher und effizienter bereinigt“.

Therapieerfolge fraglich

Kastner bezifferte die statistische Wahrscheinlichkeit, dass C. in den nächsten zehn Jahren wieder eine schwere Straftat begehen wird, mit 31 Prozent. Die Angeklagte könne „von sich aus schlecht aus ihren Mustern heraus. Die Mechanismen sind vorhanden. Die werden sie fast zwingend wieder in solche Situationen führen“, sagte Kastner. Ob bei ihr therapeutische Maßnahmen überhaupt wirken, ließ Kastner offen. Dafür sei die Bereitschaft erforderlich, sich einer Therapie zu stellen.

Kellerleichen-Prozess: Gutachterin Kastner

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Kastner erstellte Gutachten

Ein auf lebenslang plus Unterbringung lautendes Urteil muss aber dennoch nicht zwingend bedeuten, dass sie für immer hinter Gittern bleibt. Laut dem Leiter der Vollzugsdirektion, Peter Prechtl, gibt es sehr wohl die Möglichkeit, dass nach ein paar Jahren Therapie die psychische Situation des Häftlings so weit verbessert erkannt wird, dass die weitere Behandlung nicht mehr notwendig ist und er oder sie die weitere Strafe im Regelvollzug verbüßen kann. Dann gelten die normalen Regeln für die vorzeitige bedingte Entlassung wie sonst auch. Therapiefortschritte werden einmal jährlich geprüft.

Anteil sehr gering

Einweisungen in Anstalten für geistig abnorme Rechtsbrecher sind übrigens unter weiblichen Straftätern sehr selten. Der Anteil unter den weiblichen Straftätern liegt bei nicht einmal 1,2 Prozent.

Geistig abnorme Rechtsbrecher sind zudem nicht hermetisch von der Außenwelt abgeschnitten. Dem Vollzugsdirektor zufolge nehmen sie an der Freizeitgestaltung teil und müssen auch einer geregelten Beschäftigung nachgehen. Zusätzlich gibt es aber die Therapie durch Psychiater, Psychologen und Sozialarbeiter. Über die Art der Behandlung - beispielsweise, ob Einzel- oder Gruppentherapie - und deren Intensität wird in den Anstalten entschieden.

Überstellung nach Barcelona möglich

Dass C. - wie angeblich von ihr gewünscht - ihre Strafe in Barcelona verbüßt, wo ihr Sohn von ihren Eltern großgezogen wird, ist laut Justizministerium nicht ausgeschlossen. Es gebe entsprechende Regelungen - zuletzt einen Rahmenbeschluss der EU, davor zwei Abkommen unter der Ägide des Europarats -, wonach das möglich ist. Aber es gäbe keinerlei Rechtsanspruch für die Antragstellerin, hieß es.

Geständnis zum Auftakt

Der Prozess hatte am Montag begonnen. Gleich zu Beginn ihrer Einvernahme legte sie ein Geständnis ab. Sie bekenne sich „zu den Tötungen schuldig“, sagte sie - mehr dazu in Estibaliz C.: „Taten waren widerlich“. Am zweiten und dritten Prozesstag hatten mehrere Zeugen ausgesagt. Während ein Mann C. als „gefallsüchtig“ beschrieb, nannte ein anderer die Angeklagte „grundsätzlich eine Chaotin“, die ihre Ziele „ausgesprochen planlos“ verfolgt habe. Der zweite Ehemann der Angeklagten, den sie im Frühjahr 2012 im Gefängnis geheiratet hatte, war dagegen nur für einen kurzen Auftritt im Gerichtssaal, er entschlug sich der Aussage - mehr dazu in Kellerleichen: Gatte sagt nicht aus.

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