Neujahrskonzert mit elf Premieren

Erstmals werden beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker Werke von Richard Wagner und Giuseppe Verdi gespielt. Elf Stücke des Programms sind Premieren, darunter auch Strauß-Walzer. Franz Welser-Möst dirigiert zum zweiten Mal.

Der Walzer „Aus den Bergen“ von Johann Strauß Sohn oder das Spätwerk „Hesperusbahnen“ von Josef Strauß wurden noch nie bei einem Neujahrskonzert gespielt. „Ich bin ein neugieriger Mensch“, begründete Franz Welser-Möst die breite Auswahl. Der Generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper dirigiert nach 2011 bereits zum zweiten Mal das Neujahrskonzert.

Franz Welser-Möst bei Pressekonferenz zum Neujahrskonzert 2013

APA/Georg Hochmuth

Franz Welser-Möst

Dass man dabei erstmals Wagner und Verdi mit an Bord habe, sei nur natürlich. „Es ist keine konstruierte Sache - die gegenseitige Verehrung war groß“, verwies auch Philharmoniker-Vorstand Clemens Hellsberg auf die Beziehungen zwischen den einzelnen Tonsetzern. Schließlich sei die Strauß-Kapelle der erste Klangkörper gewesen, der 1853 mit dem Pilgerchor aus „Tannhäuser“ Noten Wagners in Wien spielte. 2013 setzt man hingegen auf ein Vorspiel aus „Lohengrin“.

Einfluss auf Verdi

Umgekehrt gelte dieser Einfluss auch für Verdi, der mit einer Ballettmusik aus „Don Carlo“ im Musikverein vertreten sein wird, betonte Welser-Möst: „Er klingt so, als wenn er von Johann Strauß inspiriert wäre.“ Zugleich bleibt die Dominanz der Strauß-Familie unbestritten. „Es geht darum, zu demonstrieren, welchen Rang diese Dynastie in der Musikgeschichte einnimmt“, unterstrich Hellsberg: „Man hört über kaum einen Komponisten so viel Blödsinn wie über die ‚Sträuße‘.“

Schließlich sei die Musik keineswegs leicht zu spielen, betonte Welser-Möst. Während man bei einer Bruckner-Symphonie vielleicht 20 verschiedene Melodien zu spielen habe, seien dies bei einem Neujahrskonzert an die 200.

Urenklin von Strauß zu Gast

Am Konzertmorgen stehen zugleich die Familienbande im Mittelpunkt. Die mittlerweile 90-jährige Urenkelin von Josef Strauß, Hedwig Aigner-Strauß, wird am 1. Jänner Gast der Philharmoniker im Musikverein sein. Überdies bringt auch Dirigent Welser-Möst familiäre Bindungen ein. So steht erstmals „Die Soubrette“ von Josef Strauß am Neujahrskonzert-Programm, die 1861 vom Welser-Möst’schen Urururgroßvater im Casino Dommayer uraufgeführt worden war.

TV-Hinweis:

Das Programm von ORF2 steht am Vormittag des 1. Jänner ganz im Zeichen des Neujahrskonzerts.

„Was ihr hier ausgegraben habt, macht einen auch nach 50 Jahren neugierig auf dieses Konzert“, zollte ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner den beiden Herren Respekt. Der ORF hat am 1. Jänner 14 Kameras im Einsatz. Dass man die Bilder aus Wien rund um den ganzen Erdball sehen könne, sei für sie eine der positiven Seiten der Globalisierung, so Zechner.

Das Neujahrskonzert wird in 81 Länder weltweit übertragen - laut Hellsberg eine Verdopplung innerhalb der vergangenen zehn Jahre. Der Pausenfilm begleitet heuer ein junges Paar auf Hochzeitsreise zu verschiedenen Orten in Niederösterreich - mehr dazu in Neujahrskonzert: Pausenfilm aus NÖ (noe.ORF.at; 10.12.2012).

Pressekonferenz zum Neujahrskonzert 2013 mit Franz Welser-Möst, Kathrin Zechner und Clemens Hellsberg

APA/Georg Hochmuth

Franz Welser-Möst, Kathrin Zechner und Clemens Hellsberg präsentierten das Programm des Neujahrskonzerts 2013

„Politisches Kleingeld“ um NS-Vergangenheit

Negativ beurteilten die Verantwortlichen am Podium hingegen die erneut von Harald Walser, Bildungssprecher der Grünen, erhobenen Vorwürfe, die Philharmoniker würden sich nicht genügend mit ihrer Vergangenheit im Nationalsozialismus auseinandersetzen. Hier gehe es um „politisches Kleingeld“, vermutete Hellsberg, der bereits 1988 eine erste Publikation zum Thema veröffentlicht hatte.

„Es liegt im Wesen der Wissenschaft, immer Neues zu finden“, so der Philharmoniker-Vorstand, weshalb man ihm nicht zum Vorwurf machen könne, dass immer wieder neue Akten entdeckt würden. Historiker hätten jedenfalls keine Einschränkungen im Archiv der Philharmoniker zu befürchten, was sich zuletzt am 2011 veröffentlichten Buch „Politisierte Orchester. Die Wiener Philharmoniker und das Berliner Philharmonische Orchester im Nationalsozialismus“ von Fritz Trümpi gezeigt habe, dem monatelange Recherchen im Haus vorangegangen seien.

Neue Website-Gestaltung bis Sommer

Im Zuge der bis zum Sommernachtskonzert (30. Mai) laufenden Neugestaltung der Philharmoniker-Website will man dem Thema jedenfalls mehr Platz einräumen, schon am 12. März werde es eine Online-Veröffentlichung geben, zu der Hellsberg aber „noch nichts Näheres“ sagen wollte. Auch werde es 2014 „in diesem Zusammenhang“ etwas Gemeinsames mit der Wiener Staatsoper geben.

Deutlich wurde Zechner bezüglich der erhobenen Vorwürfe: „Das ist aus meiner Sicht ein extrem oberflächliches, effekthascherisches Irgendwas. Ich kenne kaum eine andere Institution, die schon seit Jahren unaufgefordert an der Aufarbeitung der eigenen Geschichte arbeitet. Gerade wir Österreicher tun uns üblicherweise schwer, uns diesem Thema offen und ehrlich zu stellen.“

Harald Walser hatte zuletzt eine Historikerkommission gefordert und den Philharmonikern eine „sture Haltung“ attestiert - mehr dazu in Philharmoniker: Historikerkommission gefordert.

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