Würstelstand vor der Linse

Er ist das soziale Bindeglied zwischen Hackler und Direktor und gilt als kulinarische Institution. Der Würstelstand gehört zu Wien wie der Senf zur Wurst. In einem Bildband wurden jetzt 95 Wiener Würstelstände verewigt.

Buchcover

Buchcover: "Fünfundneunzig Wiener Würstelstände"

Ein neuer Bildband huldigt der Wurst

Der Würstelstand bringt „Haße“ und „Burenheitl“ unter die Leute und versorgt Nachtschwärmer mit einem letzten Bier für den Nachhauseweg. Der Kunsthistoriker Sebastian Hackenschmidt und der Fotograf Stefan Olah haben in ihrem Bildband etlichen dieser Würstelstände ein Denkmal gesetzt.

Olah setzt die Metall- und Holzbuden, die klingende Namen wie „Klasse Haße","Rock’N’Wurst“ oder „Würstelmausi“ tragen, konsequent ungeschönt in Szene. Abgedrückt hat der gebürtige Wiener an den verschiedensten Ecken der Stadt - und zwar zu unterschiedlichen Jahres-, Tages- und Nachtzeiten.

Repräsentativer Querschnitt

In seinem Eingangstext schreibt Hackenschmidt, dass sich die Publikation „weder als komplettes Verzeichnis sämtlicher Würstelstände der Stadt, noch als Typologie der verschiedenen Ausprägungen von Imbissständen“ verstehe, sondern „einfach einen repräsentativen Querschnitt der derzeit in Wien existierenden Würstelstände“ darstelle. Statt das Besondere im Alltäglichen mit außergewöhnlichen Mitteln sichtbar zu machen, dem Banalen mit extraordinärem Zugang zu begegnen, fällt hier auf schlichte Un-Architektur ein ebenso schlichter Blick.

Würstelstand

APA/Georg Hochmuth

Der Würstelstand als Treffpunkt für alle sozialen Schichten

Die Geschichte der Würste

In seinen Texten setzt sich Hackenschmidt vor allem mit dem Würstelstand als soziokulturelles Phänomen auseinander. Der Historiker Leonhard Weidinger zeichnet indes die Geschichte der Würste nach. Das Geräucherte reiche bis zu Homer zurück, sei bei den alten Griechen durch Vasenmalereien dokumentiert und wegen ihrer „Symbolik dekadent-sexueller Ausschweifung“ in Konflikt mit dem aufkommenden Christentum geraten. Auch an Johann Georg Lahner, der 1805 die Frankfurter - die außerhalb Österreichs „Wiener Würstchen“ heißen - erfunden hat, wird erinnert.

Über 400 Würstel- und Kebabstände

Wie viel Würstelstände es in Wien genau gibt, ist schwer zu sagen. Die Wirtschaftskammer listet aktuell 441 Stände, wobei hier auch die Kategorie Kebab miteingerechnet ist. Denn eine genaue Spezifizierung gibt es nicht. Außerdem werden in der Aufstellung nur die Inhaber gezählt. Hat jemand mehrere Buden, wird er trotzdem nur einmal registriert.

Würstelstand

APA/Georg Hochmuth

APA-Foto des Würstelstands am Hohen Markt

Fix ist, dass schon im 19. Jahrhundert Würstelverkäufer durchaus verbreitet waren, wobei die geschäftstüchtigen Untertanen damals noch mit Handkesseln und Wägelchen unterwegs waren. Später verkaufte man aus fahrbaren Ständen, die Tag für Tag herangekarrt und wieder weggeschafft wurden. Als letztes Relikt aus dieser Zeit blieb einzig der bekannte „Mariahilfer Wurststadl“ beim Generali Center.

Buchtipp:

„Fünfundneunzig Wiener Würstelstände“ von Sebastian Hackenschmidt und Stefan Olah, erschienen im Verlag Anton Pustet.

Früher bestellte man in Zentimetern

Fixe Buden bereichern erst seit den 1960er-Jahren zusehends das Stadtbild. Mit heutigen Standln mit ihrem üppigen Sortiment hatten diese aber wenig zu tun. „Da gab es nur Gekochtes. In Kübeln mit heißem Wasser sind die Würstel herumgeschwommen“, erinnert sich Spartenobmann Josef Bitzinger. Die Burenwurst, „das Billigste überhaupt“, habe außerdem oft als gefüllter ganzer Darm, als Acht-Kilo-Monstrum, auf ihre Kunden gewartet.

Wer Appetit hatte, bestellte in Zentimetern. Der Mann oder die Frau hinter der Budel schnitt die gewünschte Menge dann herunter und verrechnete nach Gewicht. „Gekochte Würste werden immer noch gegessen, aber heute liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der gegrillten Ware“, so der Spartenobmann. Vor allem Käsekrainer, Waldviertler oder Klobasse, wie die Burenwurst noch genannt wird, lassen das Würstel-Business brummen.

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