Ex-Sängerknabe wird Kabarettist

Er ist 30 Jahre jung, als Sängerknabe um die halbe Welt gereist und laut Michael Niavarani ein „Universalgenie“: Im Gespräch mit wien.ORF.at erzählt Sänger und Schauspieler Otto Jaus von seinem Lampenfieber und Neustart als Kabarettist.

Einiges hat Otto Jaus nach seinen sieben Jahren bei den Wiener Sängerknaben versucht: Die Oper („Nirgends stirbt man länger!“), das Musical („Nirgends fragt man sich mehr: Worum geht’s da eigentlich?“) und das klassische Schauspiel („Nirgends schläft man besser!“).

Doch dann fand er seine Erfüllung im Kabarett. In seinem ersten Soloprogramm: „Fast fertig – Ein musikalischer Amoklauf“ verarbeitet Jaus Erlebnisse vom Bundesheer bis zur Staatsoper. Nach der umjubelten Premiere im Kabarett Simpl ist er fixes Mitglied der "Langen Nacht des Kabaretts“, spielt am Donauinselfest auf der Ö1-Bühne, tritt in den Bundesländern auf und bekommt Zusatzvorstellungen im Theater am Alsergrund. Eine Karriere mit Senkrechtstart.

Otto Jaus

Jan Frankl

Jaus findet sich selbst auf Fotos nie schön: „Ich denke mir immer ‚Wäh!‘“

wien.ORF.at: Ihr Programm heißt „Fast fertig“ und läuft seit Anfang Jänner 2014. Wann ist es fertig?

Otto Jaus: Nie. „Fast fertig“ hat eher mit der Geschichte meines Lebens zu tun. Außerdem passieren noch immer Sachen auf der Bühne, die neu sind und wo ich mir denke: Hey, das kann ich noch einbauen. Das Grundgerüst und die Pointen sind da, aber jeder Abend ist ein bisschen anders.

wien.ORF.at: Der Untertitel Ihres Programms lautet „Ein musikalischer Amoklauf“. Das Wort „Amoklauf“ ist nicht unbedingt positiv besetzt…

Jaus: Ich weiß, aber ich finde es lustig. Wenn man so viele verschiedene Musikrichtungen, die ich im Programm habe, in einen Topf haut, dann muss ich das so nennen. Ich gehe von der Oper zum Pop. Amoklauf passt da eigentlich ganz gut.

Otto Jaus

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Otto Jaus

wien.ORF.at: Gab es deshalb schon Ärger?

Jaus: Ja, die NSA hat sich gemeldet und hat gesagt: Freund der Berge, in Amerika wirst du das Programm nie spielen (lacht). Nein, es hat sich noch niemand aufgeregt. Ich habe auch nicht darüber nachgedacht, dass das negativ behaftet sein kann. Ich hab das früher immer gesagt, wenn ich „Starmania“ geschaut hab. Das war für mich ein musikalischer Amoklauf.

wien.ORF.at: Michael Niavarani nennt Sie ein Universalgenie. Wie kommt er denn darauf?

Jaus: Keine Ahnung. Zu viel getrunken? (lacht) Er ist mein Mentor. Ich habe ihn im Simpl kennengelernt, als ich dort zwei Jahre die Revue gespielt habe. Er hat mir sehr geholfen und ich hab viel von ihm gelernt. Als ich ihm einmal etwas von meinem Kabarettprogramm vorgespielt habe, hat er gesagt: „Wenn du das so machst, wird keiner lachen.“ Dann hat er mir die Szene vorgespielt und ich hab Tränen gelacht. Da hab ich mir gedacht: Ich höre auf. Ich schreibe nur noch und Niavarani soll es dann spielen.

wien.ORF.at: Ist sein Lob eine gute Promotion?

Jaus: Natürlich freue ich mich total und bin dankbar, weil es eine super Werbung ist. Aber im Endeffekt ist es egal, ob jetzt der Niavarani oder der Hader sagt: Der ist grenzgenial. Weil im Endeffekt hast du dadurch eine Vorstellung voll. Aber wenn die nicht gut ist, kommen die Leute nicht mehr und sagen auch nicht ihren Freunden, dass sie sich das anschauen sollen.

wien.ORF.at: Ihre Premiere lief gut, aber das ist kein Maßstab. Immerhin sitzen viele Freunde im Publikum. Wie ist es danach weitergegangen?

Jaus: Es ist unfassbar, ich weiß gar nicht, wie mir geschieht. Ich hab mir gedacht, Otto, jetzt fängst du an zum Kabarettspielen und wirst drei Jahre lang, so wie es sein soll, vor dreißig, zwanzig oder zehn Leuten spielen. Doch dann war die Premiere im Simpl ausverkauft und auch beim zweiten Auftritt kamen 255 Leute. Im Theater am Alsergrund bin ich auch ausverkauft und beim Zusatztermin gibt es nur noch Restplätze. Außerdem darf ich jetzt schon bei der „Langen Nacht des Kabaretts“ mitmachen. Das ist ja nicht normal. Ich kann nur Danke sagen.

wien.ORF.at: Ist Ihnen die Entscheidung leicht gefallen, Kabarettist zu werden?

Jaus: Das erste Jahr, in dem ich am Programm geschrieben habe, war heftig. Ich hab mir gedacht: Du Idiot, jetzt hast du die Simpl Revue, ein sicherer Job. Wenn das nicht funktioniert mit dem Kabarett, dann steh ich da. Ich hab nicht mehr schlafen können. Ich verliere jetzt auch noch vor der Vorstellung drei Jahre meines Lebens, weil ich so nervös bin.

Vor der Premiere hab ich geglaubt, ich kotz mich an. Ich war käseweiß im Gesicht. Ich war noch nie in meinem Leben so nervös wie beim Solokabarett, weil du alleine auf der Bühne stehst. Es gibt keinen, an dem du dich festhalten kannst. Du hast es selber geschrieben. Wenn das nicht funktioniert, liegt es an dir.

wien.ORF.at: Aber mit Ihrer Themenwahl gehen Sie auf Nummer sicher?

Jaus: Ja natürlich. Aber es sind Themen, die mich im Leben begleitet haben. Ich habe auch Lieder im Programm, wie „Gute Nacht schöne Welt“, wo ich gespannt war, wie die Leute reagieren. Und ich taste mich natürlich langsam vor. Ich habe meinen Stil noch nicht gefunden, das gebe ich offen und ehrlich zu. Da suche ich noch. Aber das dauert ein paar Jahre, bis man wirklich das hat, was man will.

Zur Person:

Otto Jaus wurde 1983 in Wien geboren. Der Tenor wurde bei den Wiener Sängerknaben, am Konservatorium der Stadt Wien sowie an der Royal Academy of Music in London ausgebildet. Er wirkte u.a. in „Jesus Christ Superstar“ und bei der „Drei Groschen Oper“ im Stadttheater Klagenfurt, als Ensemblemitglied im Kabarett Simpl, in „The Full Monty“ im Musical-Sommer Amstetten, in „Fame“ an der Oper Graz, in „Ein ungleiches Paar“ bei den Festspielen Berndorf, in „Der Hofnarr“ in Asparn am Filmhof und aktuell im Wiener Metropol mit.

wien.ORF.at: Zahnarzt, Bundesheer, Beziehungen - funktioniert das noch immer? Das hat das Publikum ja schon alles einmal gesehen?

Jaus: Ja, was hat man noch nicht gesehen? Mel Brooks sagte einmal: Alles, was er jemals geschrieben hat, hat er gestohlen. Ich glaube, du kannst zum tausendsten Mal eine Geschichte über Beziehungen erzählen. Wenn sie gut ist und die Leute lachen, warum sollst du es nicht machen. Ich will einfach unterhalten und für zwei Stunden das Publikum herausreißen.

wien.ORF.at: Warum möchten Sie Kabarettist – und nicht Schauspieler, Musical- und Opernstar sein? Was ist der Antriebsgrund?

Jaus: Es gibt kein Stück auf dieser Welt, ob Musical, Oper oder Schauspiel, wo ich das machen kann, was ich machen will. Ich schreibe gerne Lieder, rede gerne Blödsinn und singe gern. Und das geht halt nur, wenn man ein eigenes Stück macht. Natürlich, meine Mutter will nach wie vor, dass ich in die Oper einsteige. Aber das interessiert mich nicht. Da wird mir fad. Und ich kann es eh nicht.

Musical ist immer dasselbe. Und es gibt viele Dinge, die ich nicht verstehe. Entschuldigung, wenn ich beim Musical „Rudolf“ den Kaiser Franz Josef, eine historische Figur, mit einem Dänen besetzte, der hochdeutsch spricht, dann tut es mir Leid. Ich mag Claus Dam, er ist ein Freund von mir, aber die Besetzung passt nicht. Stellen Sie sich vor, in England wird die Queen von einer Deutschen besetzt. Die bringen dich um (lacht).

Und beim klassischen Schauspiel kenne ich mich zu wenig aus. Im Burgtheater brunzen sie auf die Bühne. Will ich das? Das kann ich beim Kabarett auch machen – und da ist es lustiger.

Otto Jaus

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„Fast fertig“ live in Wien

Montag, 19. Mai und 26. Mai im Theater am Alsergrund. Mehr Termine auf der Homepage.

wien.ORF.at: Ihr Foto zum Programm zeigt, wie Sie am Boden mit einem Doppler in der Hand neben Damenunterwäsche und „Sex and the City“-DVDs liegen. Kann man sich so Ihr Leben vorstellen?

Jaus: „Sex and the City“ kenne ich in- und auswendig wegen meiner Freundin. Immer wenn es ihr nicht so gut geht, schaut sie diese Serie. Und das ist sehr oft, weil sie mit mir zusammen ist (lacht). Nein, der Gedanke beim Foto war: Ich nehme ein Klavier und haue die ganzen Geschichten, die ich im Programm erzähle, auf dieses Foto. Den Doppler hätten wir weiter hinten hingeben sollen, weil über das Saufen rede ich gar nichts im Programm.

wien.ORF.at: Sie durften kürzlich mit zwei Kabarettgrößen auf der Bühne stehen. Wie ging es Ihnen dabei?

Jaus: Da jemand krank wurde, mussten zwei Vorstellungen von „Reset - Alles auf Anfang“ in Berndorf abgesagt werden. Als Ersatz spielten Michael Niavarani, Günther Lainer und ich gemeinsam spontan einen Kabarettabend. Das war eine neue Erfahrung. Ich war wahnsinnig verloren, weil Niavarani und Lainer die ganze Zeit Schmähs über ihr Gewicht gemacht haben. Was soll ich mit meinen 65 Kilo dazu sagen? Ich mach jetzt eine Günther-Lainer-Diät? Aber da ein Klavier aufgestellt war, konnte ich mich mit der Musik retten. Lainer wollte zum Beispiel eine Auftrittsmusik und ich hab die Titelmelodie vom „Bullen von Tölz“ gespielt. Das war natürlich herrlich.

wien.ORF.at: Sind Sie noch bei der Freiwilligen Feuerwehr in Ihrem Heimatort Großebersdorf?

Jaus: Ja, ich hab schon vor zwei Jahren mit dem Kommandanten geredet und ihm gesagt, dass ich fast nicht mehr da bin. Aber er meinte, dass ich trotzdem bei der Feuerwehr bleiben soll. Auch deshalb sollte das Publikum in meine Vorstellungen kommen, es kann sich bei mir selbst bei einem Brand sicher schätzen.

Das Gespräch führte Florian Kobler, wien.ORF.at

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