Meditieren in der U-Bahn

Wie kann ich im stressigen Alltag Räume zum Krafttanken schaffen? Fotograf Shao Hui He meditiert seit zwei Jahren gemeinsam mit kleinen Gruppen regelmäßig in der Wiener U-Bahn. Bisher folgten ihm rund 400 Menschen.

U-Bahn und Ruhe - schließt sich das nicht aus? „Ja, es scheint auf den ersten Blick ein Widerspruch zu sein. Aber ich glaube, dass es so etwas wie eine äußere und innere Ruhe gibt“, so Shao Hui He. Der 37-jährige Fotograf vergleicht es mit dem Bild vom Fels in der Brandung. „Das Meer tobt und peitscht, aber der Fels steht da und ruht in sich. Bei der U-Bahn-Meditation geht es darum, die innere Ruhe zu finden und sich nicht von äußerem Lärm, der Unruhe und Hektik mitreißen zu lassen.“

Meditieren in der U-Bahn

iMeditate Vienna

Ungewöhnlicher Anblick: Menschen meditieren während der U-Bahnfahrt

Einfache Atemübungen zum Nachmachen

Einmal im Monat trifft sich He mit Interessierten zum gemeinsamen Meditieren in der U-Bahn. Gemeinsam fahren sie meditierend eine ganze Linie ab und plaudern danach im Kaffeehaus über ihre Erfahrungen.

Meditieren in der U-Bahn

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Organisator Shao Hui He

Nächster Termin:

Donnerstag, 8. Mai 2014, 18.30 Uhr, U2-Station Karlsplatz bis Seestadt. Treffpunkt ab 18.00 Uhr Ausgang Musikverein.

He lernte das Meditieren auf einer sechsmonatigen Reise in Südostasien. Danach besuchte er Meditationskurse in Wien. „Aber ich bin kein Meditationslehrer, sondern gebe nur weiter, wie ich meditiere“, so He. Das sei auch kein Problem, da die meisten Teilnehmer ohnehin bereits Meditationserfahrung haben. „Für alle anderen gebe ich vor dem Einstieg eine ganz kurze Anleitung.“

Die Gruppe nimmt eine entspannte, aber aufrechte Sitzposition ein und verschränkt die Hände im Schoß. „Ich empfehle den Teilnehmern danach die Augen zu schließen, aber es geht auch bei offenen Augen“, so He. „Danach nimmt man bewusste Atemzüge. Gestartet wird mit drei Zügen, bei welchen tief ein- und ausgeatmet wird. Danach folgen fünf und dann zehn bewusste Züge. Wenn mich Gedanken ablenken, beginne ich wieder von vorne.“

Provokation als Reaktion

Die meditierenden Gruppen haben meist die Erfahrung gemacht, dass die Zeit der U-Bahn-Fahrt sehr schnell vergeht. „Obwohl die Fahrten in der Regel bis zu 30 Minuten dauern, habe ich oft das Gefühl, dass es nur zehn Minuten waren", so He. Nach der Meditation verlassen die Teilnehmer die U-Bahn meist entspannt und ruhig.“

Die normalen Fahrgäste reagieren unterschiedlich auf die meditierende Gruppe. He: „Manchmal beginnen sie plötzlich zu flüstern und es wird leise. Andere fragen, ob sie spontan mitmachen dürfen. Leider gibt es auch immer wieder Jugendliche, die uns provozieren, die extra laut reden oder uns mit lautem Klatschen erschrecken wollen.“

Meditieren in der U-Bahn

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Meditieren mit Shao Hui He beim Projekt „iMeditative Vienna“ ist kostenlos

Meditieren statt Handysurfen

„Für mich spielt Religion in diesem Projekt keine Rolle. Wenn man sich mit Meditation jedoch intensiver auseinandersetzt, wird man früher oder später auf den religiösen Hintergrund stoßen“, so He. Er will sein Projekt „iMeditative“ auch nicht als Ersatz für Mediationskurse verstanden wissen. Sein Angebot eignet sich jedoch als Inspiration, um selbst in den Öffis zu meditieren - beispielsweise auf dem Weg zur Arbeit.

Die Idee zur U-Bahn-Meditation entstand bei „Pioneers of Change“, einer einjährigen Ausbildung, die He absolvierte. „Dort setzen engagierte Menschen Projekte um, die die Welt zum Besseren verändern“, so He. „Ich will mit meiner Idee dazu anregen, die Zeit in der U-Bahn oder beim Warten auf den Bus oder den Zug sinnvoll zu nutzen. Anstatt sich beim Handysurfen zu verlieren, kann man auch beim Meditieren entspannen.“

Hype würde das Projekt in Gefahr bringen

Derzeit nehmen rund zehn Personen pro Meditationsfahrt teil. „Sollte jedoch ein Hype entstehen und plötzlich 100 Leute zum Meditieren kommen, dann könnte das sicherheitsrelevant für den Fahrtbetrieb der Wiener Linien sein und ein Problem werden“, so He. Solange das Meditieren im kleinen Rahmen bleibt, hat dieses Projekt für ihn kein Ablaufdatum. He: „Es macht mir Spaß, ich freue mich, wenn immer wieder neue Leute dazukommen und schöne Erfahrungen mitnehmen.“

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