Chemiker wegen Krebsmedikaments vor Gericht

Im Wiener Landesgericht ist heute der Prozess gegen einen Chemiker gestartet, der ein „Wundermittel“ gegen Krebs verkauft haben soll. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 77-Jährigen gewerbsmäßigen schweren Betrug vor.

Der ursprünglich aus der Ukraine stammende Chemiker hatte seit den 1990er-Jahren über sein Einzelunternehmen mit Sitz in Wien-Wieden das angebliche „Wundermittel“ Ukrain verkauft, das seiner Darstellung zufolge Krebs heilen soll. Die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftskriminalität und Korruption (WKStA) wirft ihm und zwei wegen untergeordneter Beteiligung mitangeklagten Frauen - seine Ex-Frau und seine Sekretärin - schweren gewerbsmäßigen Betrug vor.

Haltbarkeitsdatum gefälscht

Die Frage der Wirksamkeit des Präparats, an der es Zweifel gibt - der flüssige Extrakt aus Wurzeln des Schöllkrauts ist in Österreich nicht zugelassen und darf daher an sich nicht vertrieben werden -, steht dabei aber nicht im Vordergrund. Prozessgegenstand ist vielmehr der Umstand, dass der 77-Jährige nach der amtlichen Beschlagnahme seiner Bestände alte, teilweise seit Jahren abgelaufene Ampullen einfach umetikettiert und das Haltbarkeitsdatum auf 2015 bzw. 2016 erstreckt haben soll.

Ein ukrainischer Chemiker muss sich wegen Betrugs im Landesgericht verantworten

APA / Georg Hochmuth

Der Angeklagte wird sich laut Verteidigung „nicht schuldig“ bekennen

1,1 Millionen Euro durch Betrug erwirtschaftet

Wie der Anklagevertreter darlegte, hätten die Behörden zuerst gar nicht mitbekommen, dass der Angeklagte sein „Wundermittel“ im großen Stil in alle Welt verkaufte. Im Jahr 2011 sei dann mehr oder weniger zufällig ein Paket abgefangen worden, worauf an der Betriebsstätte des 77-Jährigen eine Hausdurchsuchung vorgenommen wurde. Sämtliche vorgefundenen frischen Ampullen wurden dabei aus dem Verkehr gezogen.

Der 77-Jährige behalf sich damit, dass er alte Ampullen aus dem Lager holte, in eine Geschirrspülmittel-Lösung gab, somit die Etiketten entfernte und mit einer Etikettiermaschine neue auf die Ampullen drucken ließ, die nun ein deutlich in der Zukunft gelegenes Ablaufdatum aufwiesen. „Der Aufwand hat sich gelohnt“, konzedierte der Staatsanwalt. Binnen zehn Monaten habe der Angeklagte 17.400 Ampullen mit einem gefälschten Ablaufdatum in Verkehr gesetzt, damit seine Kunden getäuscht und mit diesem Betrug einen Erlös von 1,1 Millionen Euro erzielt.

Als Hersteller sei der Angeklagte berechtigt gewesen, neue Etiketten anzubringen, da ihm als Chemiker klar war, dass das Ukrain nach wie vor wirksam war, hielt dem Verteidiger Adrian Hollaender entgegen: „Das sind alkaloide Salze. Und Salze verderben nicht.“

Angeklagter: „Pflanze hat ein Wirkung“

Wortreich wies der Chemiker in einer stundenlangen Befragung die gegen ihn gerichteten Vorwürfe der WKStA zurück und die Wirksamkeit des von ihm vertriebenen Präparats hervor. Er habe die heilende Wirkung des Schöllkrauts in der damaligen Sowjetunion zufällig entdeckt und damit zunächst seinen an Krebs erkrankten Bruder behandelt.

„Ich habe ihn berührt und gespürt, dass das Mittel wirkt. Der Tumor ist zurück gegangen. Da habe ich gewusst, die Pflanze hat eine Wirkung“, stellte der Angeklagte fest. In weiterer Folge habe er das prozessgegenständliche Präparat entwickelt und unter der Bezeichnung Ukrain patentieren lassen: „Die Basisforschung ist an 64 Instituten und Universitäten durchgeführt worden. 188 Wissenschafter in der ganzen Welt waren beteiligt.“

Kräuter im Prater eigenhändig geerntet

Noch in den 1980er-Jahren habe er eine Krebs-Patientin damit behandelt, die von den Ärzten bereits aufgegeben und zum Sterben nach Hause geschickt worden sei: „Sie lebt bis heute. Sie ist 88 Jahre alt.“ Auch seinen eigenen Krebs habe er mit dem Schöllkraut, das er teilweise eigenhändig im Prater ernte, „weggebracht“, berichtete der 77-Jährige: „Ich lebe!“ Sodann nannte er mehrere Ärzte, die mit seinem Präparat ihre Patienten behandelt hätten. Auch einen prominenten pensionierten Wiener Gerichtspräsidenten führte er neben „hunderten Krankengeschichten“ als Referenz ins Treffen.

Wie der Verteidiger betonte, sei sogar der Arzneimittelbeirat des Gesundheitsministeriums zum Schluss gekommen, „dass das Präparat sehr gut verträglich ist“. Ukrain sei nicht nur in der Ukraine und in Georgien, sondern auch in den USA und Australien zugelassen. Die Verhandlung wird am Mittwoch mit der Befragung der mitangeklagten Frauen fortgesetzt, die sich ebenfalls „nicht schuldig“ bekennen. Danach wird die Verhandlung mit großer Wahrscheinlichkeit zur ergänzenden Beweisaufnahme vertagt werden.