„Fatale Folgen“: Polizei setzt auf Laien-Dolmetscher

Bei der Wiener Polizei werden Aussagen in Verfahren immer häufiger von Polizisten mit Sprachkenntnissen oder internen Mitarbeitern anstatt von staatlich beeideten Dolmetschern übersetzt - mit fatalen Folgen für Beschuldigte vor Gericht, kritisiert Rechtsanwalt Rudolf Mayer.

Staatlich beeidete Dolmetscherinnen und Dolmetscher klären alle Beteiligten in einem Strafverfahren über ihre Rechte und Pflichten auf. Doch in der Vergangenheit wurden die Übersetzungshonorare massiv gekürzt. Früher bezahlte die Polizei nach Arbeitsaufwand, sagt die Dolmetscherin Joanna Ziemska gegenüber der ORF-Sendung „Heimat, fremde Heimat.“

TV-Hinweis:
„Heimat, fremde Heimat“, 15.2.2015, 13.30 Uhr, ORF 2.

Oft nur sinngemäße Übersetzung

„Jetzt bekommt man für den gesamten Text, egal ob eine oder 17 Seiten, maximal 20 Euro“, erklärt die Dolmetscherin. Die schlechte Bezahlung zwingt immer mehr professionelle Dolmetscher, ihr Geld woanders zu verdienen. Die Polizei nimmt das in Kauf und vertraut in polizeilichen Einvernahmen von Verdächtigen und Zeugen vermehrt auf Polizeiangestellte oder Vertrauenspersonen mit guten Sprachkenntnissen. „Uns stehen eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen mit Migrationshintergrund zur Verfügung“, sagt der Sprecher der Wiener Polizei, Johann Golob. Oftmals würden diese Laiendolmetscher nur sinngemäß übersetzen, so die Kritik.

Wenn jemand eine Sprache gut beherrscht, heißt das nicht automatisch, dass er oder sie auch gut dolmetschen kann. Beim Übersetzen kommt es auf jedes Wort an, vor allem später in heiklen Gerichtsverfahren, sagt Ziemska: „Wenn jemand sagt, ‚ich habe eigentlich nicht vorgehabt, nicht einzubrechen‘ oder ‚ich habe nicht vorgehabt, nicht einzubrechen‘ oder ‚ich habe doch vorgehabt, einzubrechen‘, dann ist es schon sehr wichtig, das ‚eigentlich, doch oder nicht‘ zu dolmetschen.“

Übersetzungsfehler vor Gericht schwer nachzuweisen

Geschieht in den ersten Einvernahmen ein Fehler beim Übersetzen, ist dieser später vor Gericht nur schwer nachzuweisen. „Wenn nach einem halben Jahr der Dolmetsch kommt und sagt, dass er korrekt übersetzt hat, wie soll der Beschuldigte jetzt nachweisen, dass er etwas nicht gesagt hat. Der Richter geht natürlich nach dem, was ihm Dolmetsch und Polizist sagen“, sagt der Rechtsanwalt Rudolf Mayer.

Die Folgen: Fehlerhafte Vernehmungsprotokolle, unnötige Kosten und Verzögerungen bei Gericht. „Menschliche Fehler kann man nie ausschließen“, sagt Golob. Der beeidete Gerichtsdolmetscher und Jugendrichter Harald Lakum sieht aber einen Fehler im System. „Wenn sich Dolmetscher vom Behördendolmetschen abwenden , gibt es genug andere Leute, die es auch um dieses Geld machen.“