AKH: Chirurg warnt vor OP-Engpass

In den Verhandlungen um das neue Arbeitszeitgesetz für AKH-Ärzte hat es ein erstes konkretes Angebot der Medizinischen Universität gegeben. Der Betriebsrat hat abgelehnt. Ein Chirurg warnt vor einem drohenden Engpass bei Operationen.

„Der Betriebsrat konnte dem Angebot nicht in allen Punkten zustimmen“, bestätigte Ärztevertreter Martin Andreas. Momentan hake es vor allem bei der Umstellung auf die nun gesetzlich vorgesehene 48-Stunden-Woche. Denn diese soll, geht es nach dem Rektorat der Medizinischen Universität Wien (MedUni) bereits im Juli 2016 erfolgen. „Das halten wir für organisatorisch nicht möglich und unrealistisch“, so Andreas.

Auch mit der vorgesehenen 15- bis 25-prozentigen (je nach Personalkategorie) Gehaltserhöhung sei man nicht zufrieden, da die Verluste durch Nachtdienste und Überstunden dadurch nicht ausgeglichen würden. Das Angebot der MedUni sieht ein Grundgehalt von 4.266 brutto monatlich für Ärzte in Ausbildung vor (statt bisher 3.710 Euro). Die am höchsten qualifizierten Fachärztinnen und Fachärzte würden zu Beginn ihrer Karriere künftig 6.366 Euro statt bisher 5.093 Euro erhalten.

Abstimmung bei Betriebsversammlung

In einer Aussendung bedauerte das Rektorat die Ablehnung: „Es gibt vonseiten des Rektorats ein gutes und faires Angebot im Sinne der Ärzteschaft und der PatientInnen. Wir bedauern, dass dieses Angebot seitens des Betriebsrats abgelehnt wird und sind weiterhin gesprächsbereit.“ Von einer Ablehnung will Andreas nicht sprechen, man werde die Entscheidung vielmehr - ähnlich wie im städtischen Krankenanstaltenverbund - der Belegschaft überlassen. In einer Betriebsversammlung am kommenden Mittwochnachmittag sollen die AKH-Ärzte über den Vorschlag informiert werden und darüber abstimmen.

Auch die Lohnfrage sieht in der Darstellung des Rektorats ein bisschen anders aus: Das „weiterhin aufrechte“ Angebot würde nicht nur die Verluste kompensieren, sondern zu einem „beträchtlichen Reallohngewinn“ führen. Zusätzlich beinhalte der Vorschlag eine Betriebsvereinbarung mit einer Opt-out-Regelung, die bis Juli 2016 weiterhin Wochenarbeitszeiten von bis zu 60 Stunden ermögliche. Erst dann solle generell die neue 48-Stunden-Woche gelten.

Einigung bei Rufbereitschaften

Es gebe allerdings auch Punkte, in denen man sich bereits einig sei, meinte Andreas. Etwa bei der Änderung von Dienstzeitmodellen oder der Einführung von mehr Rufbereitschaften bzw. der Bezahlung derselben. In der Aussendung des Rektorats ist von „flexibleren Dienstzeitmodellen, die bedarfsabhängig an das jeweilige Patientenaufkommen angepasst sind“, die Rede.

Seit mehreren Wochen verhandeln Ärztevertreter, Gewerkschaft, MedUni und Wissenschaftsministerium. Grund dafür ist die neue EU-Richtlinie, die auch eine Reduktion der Wochenarbeitszeit von Spitalsärzten von bis zu 60 auf 48 Stunden vorsieht. Bei den Spitalsärzten des Wiener Krankenanstaltenverbundes gab es zwar Ende Jänner eine Einigung, nun wurde aber bekannt, dass bis 2018 382 Ärzte eingespart werden sollen - mehr dazu in Spitäler: KAV spart 382 Ärzte ein (wien.ORF.at; 16.2.2015).

Am AKH sind die Verhandlungen unter anderem deshalb kompliziert, da die Ärzte hier durchschnittlich besonders viele Wochenstunden absolvieren. Ärztevertreter beklagten bereits Einschränkungen bei Operationen und längere Wartezeiten in den Ambulanzen - mehr dazu in Erhebliche Kapazitätsprobleme im AKH (wien.ORF.at; 5.2.2015).

Chirurg warnt vor Engpass

Ein verantwortlicher Chirurg hat gegenüber der APA vor einer Halbierung der Operationskapazität am AKH gewarnt. „Wir haben seit 1. Jänner 2015 trotz aller Bemühungen, die Versorgung aufrecht zu erhalten, bereits 300 Operationen verschieben müssen. Wenn überfallsartig 48 Stunden im Arbeitszeitraum eingeführt werden sollten, gibt es in unserem Haus statt 40.000 nur noch 20.000 Operationen pro Jahr. Das wäre medizinisch, menschlich und ethisch ein Desaster“, erklärte er.

Der Mediziner, der wegen eines „Maulkorberlasses des Rektors“ nicht namentlich genannt werden möchte, bezeichnete die Situation als ernst. „Es liegen vom Rektor Vorschläge auf dem Tisch, die zwar Erhöhungen der Grundgehälter vorsehen, aber auch eine Einhaltung der Mindestarbeitszeit. Wir haben aber bisher viel mehr arbeiten müssen, um die Versorgung der Bevölkerung in optimaler Weise sowie unsere Wissenschaftsleistung und die Lehre der Studierenden aufrechtzuerhalten“, schrieb der Wissenschafter.

„Wir befinden uns in der eigentlich unfassbaren Situation, dass der Rektor der MedUni Wien den verantwortlichen Abteilungsleitern einen Maulkorb verpasst hat und diese deshalb die Öffentlichkeit nicht über die bereits bestehenden Versorgungsnotstände im AKH, die sich rapide verschärfen werden, informieren dürfen, obwohl eindeutig Gefahr im Verzug ist“, heißt es.

Lehre und Forschung gefährdet

Der Chirurg wirft Rektor Wolfgang Schütz vor, nach dem Grundsatz „hinter mir die Sintflut“ zu handeln, da der Rektor heuer in Pension gehe. Schütz sei „für die sehr gut nachvollziehbaren und begründbaren Besorgnisse der AKH-Ärzte völlig unzugänglich“, setze sich nicht für zusätzliche Dienstposten ein und beharre auf einer maximalen Arbeitszeit von 48 Stunden innerhalb eines definierten Zeitraums.

Neben der Gefährdung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung stehe auch der „exzellente Ruf des AKH als Institution der Lehre und Forschung auf dem Spiel“. Mit der deutlich verkürzten Arbeitszeit und ohne zusätzliches ärztliches Personal könnten Lehre und Forschung nicht mehr aufrechterhalten werden, so der Chirurg.

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