Ärzteprotest: Buhrufe für Kammerspitze

Rund 300 bis 400 Ärzte protestierten am Donnerstagabend hinter dem Rathaus gegen Einsparungen im Zuge der Umsetzung des neuen Ärztearbeitszeitgesetzes in den Spitälern der Stadt. Dabei setzte es auch Buhrufe für den Präsidenten der Wiener Ärztekammer.

„Unsere Befürchtung ist, dass Nachtdienste eingespart werden und Personal reduziert wird und dass man von uns die gleiche Leistung erwartet. Das ist rechnerisch nicht möglich, das ist eine Milchmädchenrechnung“, sagte der Wiener Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres.

Denn die Ende Jänner präsentierte Einigung zwischen Stadt und Ärztevertretern für die Mediziner im städtischen Krankenanstaltenverbund (KAV) sieht neben neuen Dienstzeiten und erhöhten Gehältern auch eine Reduktion der Nachtdienste um ein Drittel vor. Durch diese Strukturänderungen will der KAV bis 2018 auch 382 Ärzteposten einsparen.

Protestkundgebung der Ärztekammer gegen den Stellenabbau in Wiener Spitälern

APA/Fohringer

Kundgebung der Ärztekammer gegen den Stellenabbau in Wiener Spitälern

„Verräter!“, „Rücktritt!“

Szekeres, der für die Ärztekammer im Verhandlungsteam saß, musste deshalb einen eher kühlen Empfang der Demonstranten in Kauf nehmen. Buhruhe waren ebenso zu hören wie „Verräter!“, „Rücktritt!“ oder „Warum unterschreibt man sowas?“

Darauf gab der Präsident der Wiener Ärztekammer keine Antwort, stattdessen wiederholte er erneut, dass er für attraktivere Arbeitsbedingungen eintrete und man eine Reduktion der Nachtdienste nicht mit Vollzeit-Arbeitsplatzäquivalenten gleichsetzen könne: „Das ist eine Milchmädchenrechnung.“ Geld gebe es nur für Hubschrauber und Banken, nicht jedoch für Ärzte, so Szekeres weiter. Heute sei man daher hier, „um das Herunterfahren des Gesundheitssystems zu verhindern“.

Der Präsident der Wiener Ärztekammer Thomas Szekeres am Donnerstag, 5. März 2015, anl. einer Protestkundgebung der Ärztekammer

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Wiener-Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres bei der Protestkundgebung

Die Einigung von Jänner muss jedenfalls noch von den Ärzten des KAV per Urabstimmung bestätigt werden. Wie diese ausgehen wird, ist derzeit noch unklar. Derzeit läuft die Urabstimmung der Ärztekammer, in der sich die KAV-Belegschaft für oder gegen die Einigung aussprechen wird. Die Kurie der Wiener Ärztekammer gab jedenfalls keine Stimmempfehlung für die Abstimmung ab, obwohl Szekeres die Einigung unterschrieben hatte. Das Ergebnis der Urabstimmung wird für Montag erwartet.

Buhrufe auch für Wehsely

Die „extrem schnelle Art und Weise“, in der den Ärzten die neuen Konzepte „über die Ohren gezogen“ würden, kritisierte dagegen Hermann Leitner, Obmann der Kurie für angestellte Ärzte. Obwohl man seit zehn Jahren gewusst habe, dass das neue Arbeitszeitgesetz komme, kümmere man sich erst jetzt darum. Eine Personalreduktion - auch in einer Zeitspanne von drei Jahren - hielt er für „völlig undenkbar“. Zwar sitze die Stadt als Dienst- und Gesetzgeber grundsätzlich am längeren Ast, sie sei aber „nicht gut beraten, das Ganze ohne die Ärzteschaft zu machen“, sagte der Obmann in Richtung Rathaus.

Die Einigung vom Jänner

Ende Jänner präsentierten Stadt Wien, KAV, Gewerkschaft und Ärztekammer gemeinsam die Einigung auf ein neues Gehaltsschema: Die Ärzte bekommen eine 48-Stunden-Woche samt höheren Grundgehältern. Das Gehaltsplus soll als Entschädigung dienen, weil künftig weniger gut bezahlte Nachtdienste geleistet werden dürfen.

Geht die Abstimmung negativ aus, könnte die ganze Einigung wackeln. Denn Szekeres hatte angekündigt, dass bei einem negativen Votum, dem dann auch die Kurie folge, seine Unterschrift unter der Vereinbarung mit der Stadt nicht mehr gelte.

Die zuständige Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) stattete der Kundgebung einen Besuch ab. Am Rande der Menge wurde sie mit Pfiffen und Buhrufen empfangen. „In der Einladung der Ärztekammer fordert sie die Stadt auf, das Verhandlungsergebnis einzuhalten. Genau das wollte ich heute noch einmal garantieren“, erklärte Wehsely im Gespräch mit der APA. Auf die Bühne durfte die Stadträtin allerdings nicht. Aber auch so werde sie der Forderung „nach Punkt und Beistrich nachkommen“, betonte Wehsely. Eine Änderung oder Öffnung der Einigung komme nicht infrage: „Ich werde den Vertrag sicherlich nicht brechen.“

Betriebsversammlung AKH

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Betriebsversammlung im Wiener AKH am Mittwoch

„Hitzige“ Betriebsversammlung im AKH

Unzufriedenheit herrscht auch bei den Ärzten im AKH. Die Ärzteschaft des AKH zeigte sich in Form von Betriebsrat Martin Andreas bei der Kundgebung solidarisch. „Wir sind alle gemeinsam von Leistungseinsparungen betroffen“, erklärte er. Diese gelte es nun zu verhindern. Darum wird am AKH am Mittwoch nächster Woche erneut eine Betriebsversammlung stattfinden. Diese soll den ganzen Vormittag dauern, in dieser Zeit werde es im größten Spital Österreichs nur Notbetrieb geben, kündigte Andreas an.

Erst am Mittwoch versammelten sich mehr als 500 Ärzte im AKH zu einer Betriebsversammlung. „Die Stimmung ist derzeit sehr aufgeheizt und angespannt“, berichtete Andreas im Gespräch mit der APA. Es gebe bei den Kollegen kein Verständnis dafür, dass die Umsetzung des neuen Arbeitszeitgesetzes gerade an den Unikliniken so lange dauert, meinte er.

Einstweilen wird mit dem Rektorat der MedUni weiter verhandelt: Dieses hatte Mitte Februar nach mehreren Verhandlungsrunden ein erstes Angebot vorgelegt. Die Ärztevertreter zeigten sich aber vor allem mit der geplanten Umsetzung der 48-Stunden-Woche ab Mitte 2016 sowie den Gehaltsanpassungen unzufrieden.

AKH: Noch keine Zusage von Stadt

Andreas ortete gegenüber der APA aber durchaus Bereitschaft des Rektorats, das Datum der Umsetzung nach hinten zu verschieben und mehr Stunden für Forschung und Lehre möglich zu machen. Nun scheitere es hauptsächlich noch an der Finanzierung, meinte er. Während man bei Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) Bewegung sehe und diese sehr begrüße - Mitterlehner hatte angekündigt, den zusätzlichen Geldbedarf aus den Ministeriumsreserven decken zu wollen -, fehle diese bei der Gemeinde Wien.

„Von der Gemeinde gibt es noch gar keine Zusage, und ohne sie kann das nicht funktionieren“, betonte Andreas. Zum Hintergrund: Das Wissenschaftsministerium ist im AKH nur verantwortlich für die Ärzte, die bei der Medizinischen Universität Wien angestellt sind. Um den Rest des Personals - etwa in der Pflege - kümmert sich die Gemeinde Wien.

Hausbesuche sind in Gefahr

Das neue Arbeitszeitgesetz könnte auch Auswirkungen auf die Hausbesuche von niedergelassenen Allgemeinmedizinern in Wien haben. Schon jetzt erreichen die Ärztekammer immer häufiger Klagen, dass Hausbesuche angesichts der „zeitlichen Überbelastung“ schwieriger werden. Derzeit absolvieren Allgemeinmediziner in Wien jedes Jahr mehr als eine halbe Million Visiten im häuslichen Bereich oder in Heimen.

Durch die Entwicklungen bei der Umsetzung des Ärztearbeitszeitgesetzes in den Spitälern werden allerdings die stationären und ambulanten Leistungen immer mehr zurückgefahren, wodurch Patienten in den niedergelassenen Bereich ausweichen. Diese zusätzliche „Welle von Patienten" mache es für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte schlechterdings unmöglich, gleichzeitig auch noch Hausbesuche wie bisher durchzuführen“, warnt der Obmann der Kurie niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der Ärztekammer für Wien, Johannes Steinhart.

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