Mittelschule: Externe Initiativen als Hilfe

Die Neue Mittelschule steht derzeit in heftiger Kritik: Sie soll versagt haben. Externe Bildungsinitiativen wie „Teach for Austria“ wollen genau da ansetzen und Kindern aus sozial schwachen Familien dennoch eine Chance geben.

In der 4C wird gerade die EU thematisiert. „Schauen wir einmal, wie viele Sprachen hier in der Klasse gesprochen werden“, sagt der Lehrer Raphael Riedler. Fast jedes Kind in der Klasse der Neuen Mittelschule (NMS) im zehnten Bezirk zeigt auf, was sonst beinahe nie vorkommt. Riedler schreibt die genannten Sprachen auf die Tafel. Am Ende sind es 14 Sprachen, bei 25 Schülerinnen und Schülern in der Klasse. „Das sind eure Ressourcen. Ihr habt zwei Muttersprachen, das müsst ihr nutzen, wenn ihr später einen Job sucht“, so Riedler.

Klasse im zehnten Bezirk

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Schüler der NMS im zehnten Bezirk

Es sei einer seiner Schlüsselmomente gewesen während seiner bisherigen Tätigkeit als Lehrer: „Die Kinder haben da erkannt, dass sie etwas drauf haben. Sie brauchen nur jemanden, der an sie glaubt.“ Riedler ist kein Lehrer mit typischem Bildungsweg. Er hat kein Lehramtsstudium absolviert. Er ist Teil der Bildungsinitiative „Teach for Austria“. Dabei unterrichten Quereinsteiger aus den verschiedensten Studienrichtungen - von Afrikanistik bis Quantenphysik - nach einer kurzen pädagogischen Schulung in NMS. Die Fellows (so werden die Lehrer der Initiative genannt, Anm.) sind stets exzellente Uni-Absolventen.

Fellows ergänzen Lehrer

„Es soll frischer Wind in die Klassenzimmer der sogenannten Brennpunktschulen gebracht werden. Vor allem Kinder aus bildungsfernen oder sozialschwachen Familien sollen unterstützt werden“, erklärt Walter Emberger, Gründer von „Teach for Austria“. Raphael Riedler beispielsweise hat Geographie studiert und Naturgefahren in Neuseeland erforscht. „Mir war es aber immer wichtig, mit Menschen zu arbeiten“, begründet er seine Entscheidung, beim Projekt mitzumachen.

Teach for Austria kommt ursprünglich aus den USA, wo sich jeder fünfte Harvard-Absolvent dafür bewirbt. Weltweit gibt es das Modell in 35 Ländern. Seit 2011/12 gibt es die Initiative in 37 Schulen in Wien und Salzburg. Die Fellows verpflichten sich für zwei Jahre.

„Wir Fellows bringen einen anderen Hintergrund mit und haben dadurch eine andere Herangehensweise. Wir haben andere Erfahrungen gemacht als die anderen Lehrer. Die bringen dafür die klassische pädagogische Ausbildung mit. Die Kinder profitieren von diesem Mix“, so Riedler. Die Fellows unterrichten alleine oder im Team. Die Quereinsteiger sollen dabei aber keine Konkurrenz für die bestehenden Lehrer sein, sondern eine Ergänzung.

„Bedingungen an den NMS sind sehr taff“

Emberger war es wichtig, da anzusetzen, wo am meisten getan werden muss: In den NMS und Hauptschulen. „Ich war Studiengangsleiter einer FH und konnte beobachten, wie sich die Schere öffnet: Zwischen toll vorbereiteten Studenten und anderen, die zwölf Jahre Schulzeit mit wenig Output hinter sich haben.“ Also beschloss er, die Bildungsinitiative in NMS, Hauptschulen und Polytechnischen Schulen zu starten.

Vor allem auf die NMS prasselt derzeit Kritik nieder. Auslöser ist der kürzlich erschienene Evaluierungsbericht. Dessen Fazit: Die NMS sei nicht besser als die Hauptschule, außerdem zu teuer und eigentlich ohnehin schon gescheitert. „Es gibt viele engagierte Kollegen und Schüler, aber die Bedingungen an den NMS sind sehr taff“, meint Riedler. Der Direktor der Schule, Markus Ratz sagt: „70 Prozent der Zehnjährigen entscheiden sich für eine AHS. Das heißt, wir bekommen das soziale und intellektuelle untere Drittel. Die Kinder kommen aus schwierigsten Verhältnissen.“

Nachhaltige Veränderung des Bildunssystems

„Jede Unterstützung von außen ist daher sinnvoll. Bildungsinitiativen wie ‚Teach for Austria‘ sind ein guter Schritt. Außerdem werden aber Sozialarbeiter und Psychologen benötigt, die das Lehrerteam dauerhaft unterstützen“, so Ratz. Es sei erst langsam möglich die tatsächliche positive Veränderung in den NMS zu merken, wie es zu Beginn der Umstellung gedacht war.

Nachhaltige Veränderung ist auch das Ziel von Raphael Riedler. Er will seine Erfahrungen, die er während seiner zwei Jahre an der Schule gesammelt hat, nutzen. Wenn sein Vertrag im Juni endet, will er im Stadtschulrat oder ähnlichen Insititutionen arbeiten. Jedenfalls will er das Bildungssystem nachhaltig positiv beeinflussen.

Klasse im zehnten Bezirk

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Besprechung in einer Kleingruppe in der NMS im zehnten Bezirk

„Von den derzeitigen 64 Fellows, bleiben zirka 30 bis 40 Prozent im Schulsektor“, so Emberger. „Die anderen Absolventen haben soziale Kompetenzen und Führungspotential erworben, was für jeden weiteren Job hilfreich und auch ein Ansporn ist, mitzumachen.“ Für die nahe Zukunft plant Emberger, die Initiative auch in anderen Bundesländern zu starten. Langfristig soll das Projekt dann auch in Volksschulen und Kindergärten ansetzen, wie es in den USA bereits der Fall ist. In Wien läuft die Anmeldephase für das kommende Schuljahr noch bis Ende April.

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