Filzmaier: „Form des Wiener Kabaretts“

Die Wende im Wahlrechtsstreit bezeichnet der Politologe Peter Filzmaier als eine „tragikomische Form des Wiener Kabaretts“, die „moralisch von fragwürdiger Glaubwürdigkeit“ sei. Die Koalition müsste eigentlich beendet sein.

Formal sei es zwar zulässig, einen Abgeordneten abzuwerben, die Demokratie sei jedoch der Verlierer der Entwicklungen am Freitag. Völlig überraschend wechselte der Grüne Abgeordnete Senol Akkilic zur SPÖ. Die Bürgermeister-Partei verhinderte so im letzten Moment, dass gegen ihren Willen ein neues Wahlrecht beschlossen wird - mehr dazu in SPÖ-Coup lässt Koalition wackeln.

Das gesamte Interview mit Peter Filzmaier sehen Sie in „Wien heute“ in der ORF TVthek.

Die SPÖ sei der Gewinner dieses Wechsels, „weil sie in Wahrheit nie eine Änderung des Wahlrechts zulassen wollte, wenn dann nur geringfügig. Die SPÖ hat auch auf Kosten der Grünen gewonnen, wenn sie im Intrigenspiel punkten wollte“, sagt Filzmaier in „Wien heute“ am Freitag. Für das Wahlverhalten bei der Wien-Wahl am 11. Oktober würde der Wechsel nur eine geringe Rolle spielen. „Letztlich hat von den hinteren Listenplätzen der Grünen jemand als Hinterbänkler zur SPÖ gewechselt.“

„Da geht es um 450.000 Euro brutto“

Es bleibe jedoch der „Beigeschmack eines Handels.“ Akkilic, der bei den Grünen kein fixes Mandat mehr bekommen hätte, bekam dieses von der SPÖ zugesichert und wechselten die Seiten. „Da geht es etwa beim Abgeordnetengehalt bis 2020 um 450.000 Euro brutto“, meint der Politikwissenschafter.

Die Koalition wackelt jetzt zwar, ist aber noch nicht beendet, auch wenn die Grünen am Wochenende über die weitere Vorgangsweise noch nachdenken wollen. „Nach klassischen politischen Spielregeln müsste die Koalition beendet sein. Eine Grundvereinbarung in jeder Koalition ist es, sich nicht zu überstimmen. Es ist wohl noch mehr eine Grundregel, dass man sich nicht gegenseitig Abgeordnete abwirbt und dass es Überläufer gibt. Offenbar denken beide Seiten, man hat zu wenig Alternativen.“

Frage der Regierungsbeteiligung

Für die Grünen gehe es auch um die Regierungsbeteiligung nach der Wahl. Realistischerweise ist das nur mit der SPÖ möglich. „Da ist die Scheu, sich einerseits aus der Regierung herauszunehmen und andererseits den Leuten zu erklären, ‚das betrifft uns nicht‘, wohl auch schwierig." Wenn es einen Gewinner gibt, dann seien das ÖVP und FPÖ, sagt Filzmaier. „Die ÖVP hat aber ein strategisches Folgeproblem. Sie will vielleicht nach der Wahl in eine Regierung und kann nicht Grün in einer Schwarzvariante spielen und muss sich wohl auch erst über das Wahlrecht einigen.“

Link: