Immer weniger Bauern in Wien

Das Bauernhof-Sterben macht auch vor Wien nicht Halt. 800 Betriebe gibt es in der Stadt, vor zwanzig Jahren waren es noch um fast 300 mehr. Für Stadtkinder gibt es dennoch die Möglichkeit, in Wien Kühe, Schweine und Co. kennenzulernen.

Es bläst ein eisiger Wind über den Prentlhof in Favoriten, Regenwolken hängen über dem Himmel. Der Jungbauer Markus Sandbichler kehrt gerade vom Feld zurück. Im ehemaligen Schweinestall sitzen Hortkinder, die Brot gebacken haben. Sandbichler hat sich erst mit 25 Jahren dazu entschlossen, den Hof zu übernehmen. Das war 2007.

Immer mehr Bio-Flächen in Wien

"Ich habe zwei ältere Geschwister und lange Zeit wollte wegen der Perspektivlosigkeit niemand weitermachen. Die Stadt wächst und die Landwirtschaft ist eine schrumpfende Branche“, sagt er. Die Zahlen bestätigen ihn. In Wien gibt es laut Robert Fitzthum, dem Direktor der Landwirtschaftskammer Wien, derzeit zirka 800 Betriebe. Jedes Jahr werden es aber um rund 16 weniger. Hauptsächlich deswegen, weil eben keine Nachfolger gefunden werden.

Für Sandbichler war klar, dass er sich spezialisieren muss, um Überleben zu können, erzählt er. Er beschloss, den Betrieb auf eine biologische Landwirtschaft umzustellen. Rund 1.500 Hektar werden in Wien biologisch bewirtschaftet, Tendenz steigend, heißt es von der Landwirtschaftskammer. Die Stadt liegt damit im gesamtösterreichischen Trend.

Nur mehr 76 Schweine in Wien

In Wien sind die meisten Bauern im Garten-, Wein- und Ackerbau tätig. Auffällig ist dabei, dass Nutztiere in Wien seit etwa 40 Jahren eine immer geringere Rolle spielen. Wurden 1960 noch 2.962 Rinder und 13.018 Schweine in Wien gezählt, waren es 2013 nur noch 92 Rinder und 76 Schweine. Auch am Prentlhof wurde die Schweinezucht 2003 eingestellt, weil es sich nicht mehr rentierte.

Garten- und Weinbau werden größtenteils noch im Haupterwerb geführt. Im Ackerbau sieht dies anders aus. „Es gibt einen Trend zur Diversifizierung. Das heißt, dass zusätzliche Projekte in Angriff genommen werden - sei es innerhalb des Betriebs oder außerhalb“, so Fitzthum.

Markus Sandbichler

ORF/Rieger

Markus Sandbichler

Auch Sandbichler ist davon betroffen. Er ist einerseits Teilzeit beim Bioverband angestellt, um sich ein fixes Einkommen zu sichern, andererseits versucht er, verschiedene Projekte am Hof zu betreiben. Der Prentlhof ist daher auch einer der 20 Betriebe in Wien, die bei „Schule am Bauernhof“ mitmachen. „Den Kindern wird dabei wieder die Landwirtschaft näher gebracht, denn viele haben den Bezug dazu verloren. Kühe sind nicht lila und Schweine können nicht sprechen“, scherzt Fitzthum.

Shiatsu-Massagen am Prentlhof

Sandbichler hält für die Schüler auch ein paar Schweine, Pferde, Hühner und Kaninchen. Die Pferde werden gleichzeitig genutzt, um Reitstunden anzubieten. Zuletzt wurde auch in einen neuen Reitplatz investiert. Das neueste Projekt, gemeinsam mit den Nachbarn, ist jedoch ein Selbsterntefeld. „Gerade werden noch die Wasserrohre verlegt, Anfang Mai werden die Parzellen dann an die Nutzer übergeben“, so der Jungbauer.

Schule am Bauernhof

© Prentlhof

Schule am Bauernhof

Die Nutzer können dort bio-zertifizierte Samen säen. Der Bauer übernimmt die Bewässerung und bietet nebenbei Seminare zu biologischem Anbau an. Im Sortiment des Bauernhofs sind noch die Organisation von Geburtstagsfeiern und die Teilnahme am Ferienspiel. Aber auch Ausgefalleneres hat sich Sandbichler überlegt: Ein Nachbar bietet regelmäßig Shiatsu-Massagen am Hof an.

Freihandelsabkommen bereitet Kopfzerbrechen

Neben all den Projekten, bleiben noch die alltäglichen Aufgaben am Bauernhof zu erledigen: Von Anfang März bis Mitte November wird am Acker gearbeitet. „Es ist intensiv am Feld. Alles muss zeitgerecht passieren. Deshalb brauchen Bauern auch den Rückhalt von den Arbeitgebern“, so der Bauer. Auf den meisten Äckern in Wien werden Zuckerrüben und Brotgetreide angebaut. Sandbichler richtet außerdem gerade die Felder für den Erbsen-, Linsen- und Kichererbsenanbau her. Zu Ostern soll gesät werden.

Eine Aussicht darauf, dass das Überleben der Bauern wieder einfacher wird, gibt es nicht. Vor allem das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA bereitet Sandbichler Kopfzerbrechen: „Wir fürchten, dass Bio-Bauern die Opfer sein werden, weil der Markt mit Billigprodukten überschwemmt werden könnte.“ Ihm ist es daher wichtig, weiterhin kreativ zu bleiben und sich immer neue Sparten zu überlegen. Er könnte sich vorstellen, in Zukunft zu einem Reitstall aufzurüsten.

Links: