Mahnmal auf Zeit für homosexuelle NS-Opfer

Ein Mahnmal für homosexuelle und Transgender-NS-Opfer hat die Schweizer Künstlerin Simone Zaugg für den Naschmarkt konzipiert. Heute ist das begehbare Mahnmal eröffnet worden, das bereits nach einem Jahr wieder abgebaut wird.

„Die Installation ist eine Metapher, die das Publikum einlädt, im Gehen und Weitergehen zu gedenken und mitzudenken", sagt die Schweizer Künstlerin. Sie hat das Mahnmal im Rahmen von Kunst im öffentlichen Raum Wien (KÖR) erarbeitet.

Mahnmal

Iris Ranzinger / KÖR GmbH, 2015

Zaugg betitelt ihre Arbeit mit der englischen Redewendung „raising the bar“

„Labyrinthisches Geländersystem“

An ein bestehendes Metallgeländer an der Kettenbrückengasse grenzt nun „ein labyrinthisches Geländersystem, das ansteigt bzw. abfällt, je nachdem von welcher Seite man es betrachtet“, sagt Martina Taig von KÖR im Gespräch mit wien.ORF.at. Als Titel der Arbeit wählte Zaugg die englische Redewendung „raising the bar“ und meint damit das Höherlegen einer Messlatte.

„Das Ansteigen des Geländers zeigt das physische Hindurchschlüpfen durch Barrieren und somit das Überwinden des vorgegebenen Systems“, sagt Taig. „Es zeigt auch, dass sich im Bereich Homosexualität etwas bewegt.“

Abbau nach einem Jahr

Der Naschmarkt wurde bewusst für das Projekt ausgewählt, heißt es von der Bezirksvorstehung Mariahilf. „Anders als bei den jüdischen Opfern, die aus ihren Wohnungen gezogen wurden, gab es bei der Verfolgung von Homosexuellen eine andere Art des Zugriffs“, sagt Bezirksvorsteher Markus Rumelhart (SPÖ). „Hier war es vor allem der Verrat von Bekannten an Orten, die als Treffpunkt galten, und in der umliegenden Lokalszene, wie der Naschmarkt.“

Bis zum Frühjahr 2016 ist das begehbare Mahnmal noch zu sehen. Dann muss es im Zuge der Naschmarktsanierung wieder abgebaut werden. „Das war eine politische Entscheidung“, sagt die Künstlerin Zaugg.

Die Homosexuelle Initiative (HOSI) fordert schon seit Langem ein permanentes Mahnmal. „Es ist nach wie vor unsere zentrale Forderung, ein permanentes Mahnmal den homosexuellen NS-Opfern zu widmen, ohne andere Opfergruppen hineinzupacken“, sagt Christian Högl von HOSI. Im Büro der Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) wird ebenfalls über dieses Thema diskutiert. So tagte vergangenen Herbst eine Fachkonferenz zur Errichtung eines permanenten Mahnmals, erste Ergebnisse sollen dazu im Juni präsentiert werden.

Mahnmal

Iris Ranzinger / KÖR GmbH, 2015

Das begehbare „labyrinthische Geländersystem“ am Naschmarkt

Serie von temporären Mahnmalen

Bis ein permanentes Mahnmal realisiert wird, „wird es jedes Jahr ein temporäres Mahnmal geben“, heißt es aus dem Büro des Kulturstadtrates Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ). 2005 wurde ein erster Versuch dazu gestartet. Allerdings konnte laut KÖR das damals als permanent angedachte Projekt von Hans Kupelwieser aus technischen Gründen nicht umgesetzt werden.

Danach begann eine Serie von temporären Mahnmalen. So gingen der aktuellen Intervention von Zaugg drei temporäre Mahnmale von Ines Doujak, Carola Dertnig und Jakob Lena Knebl am Morzinplatz im ersten Wiener Gemeindebezirk voraus. Mit den Titeln „Mahnwache“, „Zu spät“ und „Schwule Sau“ wiesen die Künstler auf das gesellschaftliche und politische Versagen im Umgang mit Homosexualität und mit der Aufarbeitung der Verbrechen österreichischer Nationalsozialisten hin. Das Kulturressort investierte insgesamt für die vier Mahnmale 140.000 Euro.

QWien erfasst homosexuelle NS-Opfer

Der Verein QWien - Zentrum für schwul/lesbische Kultur und Geschichte beschäftigt sich auf eine andere Art mit den homosexuellen und Transgender-Opfern des Nationalsozialismus in Wien. In ihrem Forschungsprojekt versuchen sie, die Namen der Opfer in einer Datenbank zu erfassen. „Das Wiener Stadt- und Landesarchiv besitzt rund 700 Strafakten, die die Verfolgung von Homosexuellen dokumentieren“, sagt Andreas Brunner von QWien.

„Wir werten die Akten nach Erfassung der Namen sowie nach sozialem Hintergrund aus.“ So waren es laut QWien meist unterprivilegierte Schichten, die von der Verfolgung betroffen waren. „Die Verfolgung der Homosexuellen war eine blanke Klassenjustiz“, sagt Brunner.

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