Anwälte und Staatsanwalt gegen Alijew-Richter

Im Alijew-Prozess scheint das Klima zwischen Opferanwälten, Staatsanwaltschaft und Gericht vergiftet. Die Opferanwälte und die Staatsanwaltschaft lehnten den Richter am Dienstag gemeinsam als befangen ab, weil dieser „grob unsachlich, polemisch parteilich“ agiere.

An die 20 Minuten referierte Verena Haumer (Kanzlei Haslinger, Nagele & Partner) am Dienstag weshalb eine weitere Prozessführung unter dem vorsitzenden Richter Andreas Böhm „völlig sinnlos“ sei. Dieser mache sich „Verschwörungstheorien der Angeklagten“ zu eigen, verfolge beharrlich seine vorgefasste Meinung und blende „unbewusst alles aus, was mit seiner verzerrten Vorstellung von der Wirklichkeit kollidiert“. Damit verhöhne Böhm nicht zuletzt die Familien der umgebrachten Banker.

Roman Tobeiner von der Kanzlei Lansky, Ganzger und Partner, die für die Witwen der Banker tätig ist, und Staatsanwalt Markus Berghammer schlossen sich diesem Antrag an. Der dreiköpfige Richtersenat wies das Begehren nach mehrminütiger Beratung ab.

Großer Schwurgerichtssaal

ORF.at/Roland Winkler

Seit Mitte April läuft der Prozess

Angeklagte aus U-Haft entlassen

Hintergrund für die Kritik an Böhm ist die Entscheidung des Schwurgerichtshofs, der Ende April die beiden verbliebenen Angeklagten Alnur Mussajew und Wadim Koschljak nach fast einjähriger U-Haft wegen Wegfall des dringenden Tatverdachts auf freien Fuß gesetzt hatte - mehr dazu in Alijew-Prozess: Angeklagte aus U-Haft entlassen. Böhm äußerte darin erhebliche Zweifel an den Beweismitteln und an der Unbefangenheit kasachischer Zeugen.

Staatsanwalt will Entscheidung bekämpfen

Das Gericht sei vom Gesetz verpflichtet, laufend die Haftfrage zu prüfen, erläuterte Böhm am Dienstag, warum der Antrag der Opferanwälte und der Staatsanwaltschaft abgelehnt wurde. Im Enthaftungsbeschluss habe er „zum Ausdruck gebracht, weshalb das Gericht nicht mehr von dringendem Tatverdacht ausgeht“. Es liege in der Natur der Sache, dass dabei auch „beweiswürdigende Erwägungen vorzunehmen sind“, sagte Böhm. Staatsanwalt Berghammer ließ daraufhin zu Protokoll geben, dass er sich vorbehalte, diese Entscheidung allenfalls bekämpfen zu wollen.

Wirbel um Staatsanwältin

Später gab es dann noch zusätzlichen Wirbel um die Staatsanwältin. Verteidiger Walter Engler legte ein Schriftstück vor, das belegen soll, dass die zuständige Staatsanwältin im Ermittlungsverfahren Zeugen im Voraus Hinweise erteilt hat, wie sie sich in der Befragung zu verhalten hätten. Die Staatsanwaltschaft Wien dementierte ein solches Vorgehen.

Bei dem Schriftstück, das Richter Andreas Böhm nicht zum Gerichtsakt nehmen wollte, weil nicht feststeht, woher es stammt und somit allenfalls ein Verwertungsverbot gegeben sein könnte, handelt es sich vorgeblich um eine interne Korrespondenz aus der Wiener Anwaltskanzlei Lansky, Ganzger und Partner, die die Witwen der Opfer vertritt.

Prozess Auftakt

APA/Roland Schlager

Zwei Weggefährten Alijews sitzen auf der Anklagebank

Acht Österreicher müssen entscheiden

Nach dem Tod des kasachischen Ex-Botschafters Rhakat Alijews stehen nun zwei seiner Weggefährten vor Gericht: Alnur Mussajew, früher Chef des kasachischen Geheimdienstes, und Wadim Koschljak, der bei der kasachischen Präsidentenwacht beschäftigt war. Sie werden beschuldigt, 2007 an der Entführung und Ermordung von zwei kasachischen Bankern beteiligt gewesen zu sein - mehr dazu in Alijew-Prozess: „Mordmotiv war Geld“. Der ursprünglich Hauptangeklagte Alijew war Ende Februar erhängt in seiner Zelle in der Justizanstalt Wien-Josefstadt aufgefunden worden - mehr dazu in Alijew: Selbstmord bestätigt.

Der Aufwand für den Prozess ist riesengroß. 26 Prozesstage wurden laut Gerichtssprecherin Christina Salzborn anberaumt, über 60 Zeugen werden gehört und mehr als zehn Dolmetscher für die russische Sprache wurden bestellt. Entscheiden müssen in diesem hochkomplexen Fall nicht Richter, sondern acht Geschworene - also ganz normale österreichische Staatsbürger. Die Verhandlung ist bis zum 19. Juni ausgeschrieben. Im Fall eines Schuldspruchs droht den beiden Angeklagten eine Haft von zehn bis 20 Jahren oder lebenslange Haft.

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