Malaria-Therapie: Kommissionschef befangen?

Als zulässig hat gerade eine Kommission die bis 1969 in Wien praktizierte Malaria-Therapie bezeichnet. Nun stellt sich heraus, dass der Bruder des Kommissionschefs an jener Klinik arbeitete, an der die Therapie angewandt wurde.

Wie berichtet sind Psychiatrie-Patienten bis 1969 an der sogenannten Klinik Hoff der Wiener Universitäts-Nervenklinik gezielt mit Malaria infiziert worden, indem ihnen Blut anderer infizierter Patienten gespritzt wurde. Das soll womöglich nur dazu gedient haben, um in ihrem Körper ein spezielles Malaria-Virus am Leben zu erhalten - mehr dazu in Malariatherapie in Wien „Sonderfall“.

Malariatherapie: Leiter der Untersuchungskommission Gernot Heiss

ORF

Gernot Heiss, Leiter der Historikerkommission

Die Studie hat ergeben, dass die Anwendung der Malaria-Therapie an Psychiatrie-Patienten in Wien zwar einzigartig im internationalen Vergleich gewesen sei, sie sei aber zulässig gewesen, sagte der Leiter einer Historiker-Kommission, Gernot Heiss.

Aber jetzt stellt sich heraus: Sein Bruder hat ab 1966 an der Klinik Hoff gearbeitet, wo die Malariatherapie angewandt wurde. Opfer-Anwalt Johannes Öhlböck sagte gegenüber dem ORF-Radio über diese Verwandtschaft: „Am Ende des Tages hat der Leiter der Kommission unter anderem möglicherweise die Tätigkeit seines Bruders überprüft oder zumindest die seiner Kollegen. Wie unbefangen kann man da sein?“.

Uni-Rektor sieht keine Befangenheit

MedUni-Rektor Wolfgang Schütz sieht keine Befangenheit des Studienleiters. Der Bruder habe auf der Neurologie gearbeitet, dort sei die Malaria-Therapie nicht angewandt worden. Die MedUni habe von dem Interessenskonflikt und der Verwandtschaft des Studienautors gewusst. „Er hat das ja nicht verheimlicht. Und ein conflict of interest ist ja dazu da, dass er genannt wird“, so Schütz.

Ex-Mitarbeitern fehlt Kritik an Ärzten

Eine zumindest inhaltliche Befangenheit sehen die wissenschaftlichen Ex-Mitarbeiter des Historikers Heiss aber dennoch. In einer Stellungnahme, die Ö1 vorliegt, schreiben sie: „Uns ist aufgefallen, dass es Vorbehalte gab, ärztliches Handeln kritisch zu reflektieren. Es wurde immer als wohlwollendes therapeutisches Handeln verstanden. Nicht gefragt wurde nach finanziellen Motiven von Ärzten und Ärztinnen, nach dem Einsatz der Therapie als Strafmaßnahme oder zur Disziplinierung oder zur Erhaltung des Malariaerregers.“

Und weiter: Diese von uns als Befangenheit aufgefasste Stoßrichtung der Untersuchung spiegelt sich in der Auswahl der Interviewpartner wider. Während Gernot Heiss mit diversen Ärzten sprach, unter denen auch ehemalige Arbeitskollegen seines Bruders waren, lehnte er die Befragung von Betroffenen kategorisch ab.

Opfer von Veröffentlichung überrascht

Noch lebende Opfer waren von der Veröffentlichung der Studie überrascht worden. Anwalt Johannes Öhlböck vertritt 15 Personen, die zwischen 1961 und 1968 in der Klinik Hoff an der Wiener Universitätsklinik für Psychiatrie mit dem Malariaerreger infiziert wurden. „Dass man das als Betroffener so ausgerichtet bekommt, dazu sage ich besser nichts“, meint Öhlböck.

Die Opfer wollten sich in die Aufarbeitung der Thematik einbringen. „Ein Großteil der Opfer lebt noch und hat eine sehr konkrete Erinnerung.“ Mehrmals habe man versucht, sich einzubringen, stieß aber immer wieder auf Ablehnung bei den Leitern des Forschungsprojekts - mehr dazu in Malariatherapie: Heftige Kritik der Opfer.

Bis in die 1970er Jahre sind psychisch Kranke in Wien mit Malaria infiziert worden, um sie zu behandeln. Diese heute verpönte Therapie war damals zulässig, sagen nun Historiker. Allerdings wurde sie nirgends so lange und breit praktiziert wie in Wien

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