Prozess um millionenschweren Sozialbetrug

9,6 Millionen Euro Schaden sollen Finanzamt und diverse Kassen durch groß angelegte Betrügereien eines Geschäftsmanns erlitten haben. Der 44-Jährige steht seit heute vor Gericht. Ein Urteil wird erst im Oktober erwartet.

„Bei diesen Gesellschaften war nie geplant, dass Sozialversicherungsbeiträge geleistet werden“, stellte Staatsanwalt Volkert Sackmann zum Auftakt fest. Der Angeklagte soll zwischen März 2007 und September 2009 neben drei seriösen Gesellschaften noch zehn Sub-Gesellschaften betrieben haben.

Bis zu 200 Arbeiter waren beschäftigt. Bis zu 20 waren bei den sauberen Gesellschaften angemeldet, der Rest bei den Subfirmen, wo Strohmänner als Scheingeschäftsführer eingesetzt wurden und die Arbeiter ihren Lohn brutto für netto auf den Baustellen ausbezahlt bekamen. Gebietskrankenkasse, Finanzamt, Bauarbeiter-, Urlaubs- und Abfertigungskasse fielen um insgesamt 9,6 Mio. Euro Beiträge um.

Designierter Botschafter als Strohmann

Mit den Millionen soll der Angeklagte laut Staatsanwaltschaft unter anderem ein teures Hotel in Sarajewo gekauft haben. Das System sei so ausgeklügelt gewesen, dass es im Prozess, in dem insgesamt 16 Angeklagte vor Gericht sitzen, auch um die Bildung einer mafiösen Vereinigung geht. „Das war eine kriminelle Organisation, wie sie im Buche steht“, so der Staatsanwalt.

Unter anderem soll etwa ein ehemaliger Staatssekretär aus Ungarn als Strohmann fungiert haben. Dieser versicherte, er habe im Glauben gehandelt, nichts Unrechtes zu tun. Als gegen ihn Anklage erhoben wurde, musste der Mann als designierter Botschafter eines mittelamerikanischen Landes zurücktreten. Vor Gericht verantworten müssen sich neben dem 44-Jährigen auch noch dessen Bruder, ein guter Freund, die Ehefrau, weitere Verwandte, Vorarbeiter und Baumeister.

Polizei hörte mit

Belastet wird der Angeklagte von monatelangen Telefonüberwachungen, wobei es zunächst gar nicht um den Sozialbetrug ging. Die Polizei richtete ihren Fokus auf ihn, weil er einerseits intensiven Kontakt zu einem ehemaligen, rechtskräftig verurteilten Chefinspektor der Wiener Polizei hatte, und andererseits, weil er im Jänner 2009 einem von Bosnien gesuchten Mörder Unterschlupf gewährte.

Als hinsichtlich der Vorgänge in der Baubranche die Verdachtslage dicht genug für einen Haftbefehl war, landete der 44-Jährige in September 2009 in U-Haft. Exakt zwei Tage später hatte er in der Justizanstalt Wien-Josefstadt ein Handy, über das er ungeniert weiter seine Geschäfte betrieb. Die Polizei hörte allerdings mit und sammelte eifrig weitere Beweismaterial.

Der von Verteidiger Karl Bernhauser vertretene Firmenchef bekannte sich teilweise schuldig. Das Verfahren ist vorerst bis Ende Juli angesetzt, dürfte voraussichtlich aber erst im Oktober zu Ende gehen.