IS-Heimkehrer bekennt sich teilschuldig

Am Montag ist im Wiener Straflandesgericht der Prozess gegen einen 17-Jährigen eröffnet worden, der in Syrien für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gekämpft haben soll. Der Angeklagte bekannte sich teilweise schuldig.

Die Anklage legt dem Lehrling aus Wien Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung, Ausbildung für terroristische Zwecke und Aufforderung zu terroristischen Straftaten zur Last. Dem Burschen droht eine Strafe von bis zu fünf Jahre Haft. Daneben sind von der Anklage auch Sachbeschädigungen und gefährliche Drohungen umfasst, die mit dem Aufenthalt des Burschen im syrischen Bürgerkriegsgebiet nichts zu tun haben. Er bekannte sich vor Richterin Alexandra Skrdla teilweise schuldig.

Video Dschihadist

ORF

Der mittlerweile 17-Jährige trat in einem Propagandavideo der Terrormiliz auf

Anwalt: „Keine Kampfhandlung“

Der Beschuldigte, der keinen Migrationshintergrund aufweist, war im Mai 2014 zum Islam konvertiert. Im August brach er nach Syrien auf und schloss sich laut Anklage dem bewaffneten Dschihad an. Er soll eine Waffenausbildung in einem Terrorcamp mitgemacht haben. Bei der Schlacht um die nordsyrische Stadt Kobane (arabisch: Ain al-Arab) wurde er seiner Aussage zufolge vom IS als Rettungsfahrer eingesetzt.

„Ja, Oliver N. ist Mitglied einer terroristischen Vereinigung gewesen. Dafür übernimmt er die Verantwortung“, sagte sein Anwalt Wolfgang Blaschitz. Er habe aber keine Waffenausbildung genossen und habe nicht an Kampfhandlungen teilgenommen. „Täter Oliver N. ist gleichzeitig Opfer der terroristischen Vereinigung IS.“

Prozess gegen IS-Heimkehrer

Seit Montag steht am Wiener Straflandesgericht ein 17-Jähriger unter anderem wegen Beteiligung an einer terroristischen Organisation vor Gericht.

Rückkehr wegen Verletzungen

Staatsanwältin Stefanie Schön geht allerdings davon aus, dass der 17-Jährige auch selbst gekämpft hat. Die Anklagebehörde stützt sich dabei auf Beweismaterial, das bei der Auswertung von Kommunikationsdaten zutage trat, die am Handy des Burschen zu finden waren. Nicht zuletzt unter dem Eindruck von lebensgefährlichen Verletzungen, die er bei einem Bombenangriff auf al-Rakka erlitt, dürfte sich der Bursch zur Rückkehr nach Wien entschlossen haben.

Anfang Oktober war gegen ihn ein internationaler Haftbefehl erlassen worden, nachdem über YouTube ein IS-Propagandavideo verbreitet wurde, in dem der 17-Jährige dazu aufrief, Ungläubige „abzuschlachten“. Seine ehemaligen Mitschüler, die auch Drohnachrichten per SMS bekamen, erkannten den Jugendlichen in dem Video - mehr dazu in IS-Drohungen: Psychologen betreuen Schüler (wien.ORF.at; 15.10.2014).

„Waffe genommen, weil es cool ist“

Detailreich berichtete der 17-jährige IS-Heimkehrer über seine Zeit beim IS. Nachdem ihm Skrdla zahlreiche Fotos gezeigt hat, die Ermittler auf seinem Handy gefunden haben und die den Burschen teilweise im Tarnanzug und mit Waffe posierend zeigen, meinte der 17-Jährige: „Ich habe die Waffe genommen, weil es cool ist.“

Wolfgang Blaschitz, Rechtsanwalt des 17-jährigen Angeklagten beim IS-Prozess

APA / Herbert Pfarrhofer

Anwalt Wolfgang Blaschitz vor Prozessbeginn im Straflandesgericht

Ein weiteres Foto zeigt ihn inmitten von zehn IS-Kämpfern, alle mit schwarzem IS-Kampfanzug gekleidet und mit Maschinenpistolen in der Hand. „Ich habe mich hingestellt, aber nichts gemacht“, so der Beschuldigte. Auf einer Voicenachricht an einen Freund ist zu hören, er soll nicht traurig sein, dass er sich gerade nicht meldet, aber „er (Oliver N., Anm.) kämpft gerade“, ist zu hören. „Ich bleibe dabei, ich habe nicht gekämpft.“

„Es war wie eine Gehirnwäsche“

Nachdem er zum Islam konvertiert war und gehört hatte, dass Muslime in Syrien gefoltert werden, beschloss er im August nach Syrien zu reisen, „um die Geschwister zu beschützen“. „Mir wurde eingeredet, als Muslim sei das Geringste, was man tun kann, dorthin zu ziehen“, meinte N. „In ein Kriegsgebiet? Und das wollten Sie?“, fragte die Richterin. „Ich hatte keine Vorstellung“, meinte der Bursch. „Es war wie eine Gehirnwäsche.“

Die für Neuankömmlinge vorgesehene monatelange Ausbildung will der 17-Jährige jedoch nicht absolviert haben. Er habe vielmehr in „Safe Houses“ in Syrien und im Irak Bewachungs- und Putzdienste erledigt. Seine IS-Kollegen verpassten ihm jedoch den Namen „Vater des Kämpfenden“. Allerdings will er die Waffen nur fürs Posieren für Fotos in die Hand genommen haben. Er sei nur drei Tage im Kriegsgebiet gewesen, um mit einem Fahrzeug die Verletzten aus dem Kampfgebiet zu holen.

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Bericht aus dem Gericht von Radio-Wien-Reporter Florian Katzinger

„Milz weg, Niere weg, Darm zerfetzt“

Während seines Aufenthalts habe er Drohnachrichten an Freunde und Arbeitskollegen verschickt, warf ihm Staatsanwältin Schön vor, auch soll er an IS-Propagandavideos beteiligt gewesen sein. Zwei Freundinnen wollte er dazu bewegen, dem IS beizutreten und zu ihm nach Syrien zu kommen. Ein weiteres Mädchen heiratete er sogar über den Kurznachrichtendienst WhatsApp und wollte mit ihr in Syrien eine Familie gründen, gab er zu.

Nach drei Monaten bei den Terroristen erlitt der Bursch bei einem Bombenangriff auf al-Rakka schwere Verletzungen. „Milz weg, Niere weg, Teile des Lungenflügels und des Magens weg, der Darm zerfetzt“, beschrieb Blaschitz die Verwundungen. Als er über zwei Monate im Spital lag, habe sich sein Mandant vom IS abgewendet und seinen Vater um Hilfe ersucht. Im März diesen Jahres kehrte er nach Wien zurück.

Die Verhandlung wird am Mittwoch mit den Ausführungen von Gerichtspsychiaterin Gabriele Wörgötter fortgesetzt. Da soll auch ein Urteil erfolgen, dem Burschen droht bis zu fünf Jahre Haft.

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