Psychiater: „Retraumatisierung“ in Traiskirchen

Der Präsident des Wiener Psychosozialen Diensts, Georg Psota, hat im Ö1-Morgenjournal erklärt, wie die Zustände in Traiskirchen eine „Retraumatisierung“ bei den Flüchtlingen auslösen.

Geflohen vor dem Krieg unter unvorstellbaren Bedingungen und gelandet im Massenlager Traiskirchen, wo zum Teil nur mehr am Boden geschlafen werden kann. Der Traumatisierung der Flucht sollte im Aufnahmezentrum Rechnung getragen werden: „Das macht Stress. Dieser Stress, den eine Flucht verursacht, der sollte dann dort, wo man nach der Flucht landet, aufgefangen werden und nicht noch einmal verstärkt“, sagt Psota im Interview mit Ö1 am Dienstag.

Flüchtlinge „bräuchten freundliche Umgebung“

Hier würde eine Retraumatisierung stattfinden, die sowohl körperliche als auch psychische Reaktionen hervorrufen könne: „Die eine ist psychisch einzufrieren, eine andere ist in große Panik zu verfallen und die dritte Möglichkeit ist, in Aggression zu geraten“, erklärt Psota.

In Traiskirchen sind besonders viele Kinder und Jugendliche, die alleine dort ankommen, betroffen. „Wir sprechen immer von unbegleiteten Minderjährigen - das ist ein schlimmer Euphemismus“, sagt der Psychiater. Es seien Jugendliche ohne Eltern, für die die Situation noch wesentlich mehr Verunsicherung und Stress bedeuten würde, „gerade sie bräuchten eine freundliche Umgebung, die sie aufnimmt“.

Ärzte ohne Grenzen kommen nicht ins Lager

Dem Argument mancher Einheimischen, dass die Menschen nun in Sicherheit seien und sich nicht darüber beschweren sollten, einige Tage in einem Zelt zu verbringen, widerspricht Psota vehement: „Ich darf daran erinnern, dass viele nicht einmal in einem Zelt schlafen, sondern auf Decken und nicht einmal Matratzen. Auch von den etwa 1.800 Minderjährigen haben rund 600 weder Bett noch Zelt“.

Konkret könnte den Menschen mit einer adäquaten medizinischen Versorgung, inklusive psychiatrisch-psychotherapeutischer Betreuung, geholfen werden. Allerdings sei einem Team in Begleitung des Generaldirektors von Ärzten ohne Grenzen der Zutritt zum Aufnahmezentrum in Traiskirchen versagt worden: „Ärzte ohne Grenzen kommen zwar im Sudan in jedes Lager, aber nicht in Österreich“.

Außerdem sei eine Tagesstruktur für die Betroffenen notwendig, um in Form von Gesprächen eine Perspektive zu entwickeln. Als Beispiel nannte Psota einen Wiener Rugby-Verein, der in respektvoller Weise Kontakt mit den Flüchtlingen in Traiskirchen aufnehme, Teamgeist propagiere und die Menschen so zu einem „gemeinsamen Tun“ motiviere.

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