Gedenken gibt „Toten ihre Namen“

Am Montag wird Tausender Juden gedacht, die während des NS-Regimes von Wien nach Maly Trostinec in Weißrussland deportiert und dort ermordet wurden. Am ehemaligen Aspangbahnhof werden ihre Namen vorgelesen.

Im weißrussischen Maly Trostinec sind während des NS-Regimes mehr österreichische Juden ermordet worden als an jedem anderen Ort. Und trotzdem wissen nur wenige um diese Geschehnisse nahe Minsk Bescheid. Um der Menschen zu gedenken, brachte Waltraud Barton das Buch „Maly Trostinec - Das Totenbuch. Den Toten ihre Namen geben“ heraus.

Veranstaltungshinweis:

Am 5. Oktober 2015 werden am Platz der Opfer der Deportation im 3. Bezirk (am ehemaligen Aspangbahnhof) von 8.00 Uhr bis ca. 22.00 Uhr die Namen der deportierten Opfer vorgelesen.

Zugreise in den Tod

10.000 Österreicher und Österreicherinnen sind laut der Autorin in Maly Trostinec ermordet worden: „Diese Menschen sind sofort, kaum waren sie dort, ermordet worden. Das ist wahrscheinlich der große Unterschied zu vielen anderen Vernichtungslagern, von denen wir mehr wissen.“ Ausgangspunkt war der frühere Aspangbahnhof im 3. Wiener Bezirk, von dort wurden die Menschen mit Zügen nach Weißrussland gebracht. Im Jahr 1942 war der Bahnhof Hauptplatz der Deportationen in das Vernichtungslager Maly Trostinec.

Der Platz der Opfer der Deportation

APA / Helmut Fohringer

Gedenkstein am Platz der Opfer der Deportation in Wien-Landstraße

Heute befindet sich dort eine Grünfläche, ein paar Bäume ragen in die Luft - an die damaligen Geschehnisse erinnert jedoch bloß ein Gedenkstein mitsamt Inschrift. Ein Umstand, den Waltraud Barton möglichst schnell ändern möchte und zwar direkt in Maly Trostinec: „Das sind Wienerinnen und Wiener und ich möchte, dass die dort ein Grab haben.“ Um die Toten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, findet am 5. Oktober am ehemaligen Aspangbahnhof eine Verlesung der Namen der ermordeten Juden statt: „Wir werden immer den Namen und das Alter dazu sagen. Und in dem Moment wo es keine Zahlen mehr sind, sondern eben Namen - das werden dann schon Menschen.“

Umfassende Recherche in Prag

Buchhinweis

Maly Trostinec: Das Totenbuch. Den Toten ihre Namen geben, Herausgeberin: Waltraud Barton, Verlag Edition Ausblick, 2015

Die Wienerin hat selbst Verwandte in Maly Trostinec verloren und zwar die erste Frau ihres Großvaters. Als sie 2009 ihren 50. Geburtstag feierte, habe sie begonnen sich auf die Spuren ihrer eigenen Familie zu machen. Was folgte war eine umfassende Recherche, die sie bis ins Prager Zentralarchiv führte, wo sie tausende Listen durchforstete. 2010 organisierte sie dann ihre erste Gedenkreise nach Maly Trostinec, als einen Erfolg kann sie die Anbringung von Namenschildern verbuchen. Zudem ist der von ihr gegründete Verein IM-MER seitdem institutionalisierter Bestandteil des Gedenkens.

Platz der Deportation

ORF

Den Holocaust für Wien konkret machen

Das weißrussische Todeslager ist im Gegensatz zu Ausschwitz und Mauthausen weitgehend unbekannt. Waltraud Barton ist es deshalb ein Anliegen, diesen Ort in das kollektive österreichische Bewusstsein zu rufen, bis er in den Schulbüchern stünde: „Maly Trostinec ist deshalb so wichtig, weil es einen ganz klaren Bezug zu dieser Stadt hat. Und weil es den Grauen des Holocaust direkt zu uns holt. Das können wir uns alle konkret vorstellen.“

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