Juraczka wird zurücktreten

Der Wiener ÖVP-Chef Manfred Juraczka nimmt den Hut. Zwar nicht sofort, denn er wolle einen geordneten Übergang, wie er bei der Wahlparty am Sonntagabend sagte. Beim Parteitag im Februar 2016 werde er aber nicht mehr antreten.

Bis zuletzt hatte er gehofft und an das Meisterstück geglaubt: ÖVP-Landesparteichef Juraczka war - zumindest öffentlich - davon überzeugt, dass die Volkspartei bei der Wien-Wahl einen Erfolg zu feiern vermag. Doch die Wähler zogen da nicht mit - und bescherten dem Mann mit dem schwierigen Namen das schlechteste schwarze Ergebnis aller Zeiten - mehr dazu in Juraczka: „Das Ergebnis ist schmerzlich“.

Mitterlehner für „vollkommene Neuaufstellung“

ÖVP-Bundesparteiobmann Reinhold Mitterlehner hatte schon zuvor als Konsequenz aus den neuerlichen Verlusten eine „vollkommene Neuaufstellung der ÖVP Wien“ angekündigt. Als Gründe für die Niederlage seiner ÖVP machte der Vizekanzler das Duell zwischen SPÖ und FPÖ und das Flüchtlingsthema aus.

„Die ÖVP Wien ist nicht erst seit heute das größte Sorgenkind der ÖVP. Wir brauchen jetzt eine vollkommene Neuaufstellung der ÖVP Wien - sowohl personell als auch strukturell“, stellte Mitterlehner fest. „Als ÖVP werden wir eine neue zielgerichtete Stadtpolitik definieren müssen, wenn wir erfolgreich sein wollen.“ Gleichzeitig betonte der Bundesparteichef aber auch: „Nur der Austausch eines Spitzenkandidaten wäre eine reine Symptomkur. Es braucht eine grundlegende Neuaufstellung.“

„Inszeniertes Duell“ erster Grund für Niederlage

Als ersten Grund für die Wahlniederlage führte Mitterlehner „die Zuspitzung auf ein inszeniertes Duell um Platz eins“ an. Dadurch habe sich der Fokus auf zwei Parteien verlagert, „denn im Duell kämpfen zwei, und alle anderen stehen im Schatten“. Der Wiener ÖVP sei es dabei nicht gelungen, mit eigenen Themen durchzukommen und zu punkten.

Durch das Flüchtlingsthema sei außerdem „ein Thema in den Vordergrund gerückt, das wir in Österreich alleine nicht lösen können“, meinte Mitterlehner. Dafür seien wichtige Themen für die Stadt Wien wie Arbeitsplätze, schlanke Verwaltung und Bürokratieabbau total in den Hintergrund getreten.

Undankbarster Job im ÖVP-Universum

Es ist noch gar nicht so lange her, dass Juraczka einen der undankbarsten Jobs im ÖVP-Universum angenommen hat. Seit 2012 ist der 46-Jährige Chef der Wiener Landespartei. Dabei ist ihm das nicht zu unterschätzende Kunststück gelungen, die lange Zeit als „Intrigantenstadl“ verschrienen Stadt-Schwarzen zu einen. Er hat es auch geschafft, ohne gröbere Kraftanstrengung relativ fest im Sattel zu sitzen. In einer Landespartei, die vor ihm schon 16 Obleute seit 1945 - und damit deutlich mehr als die politische Konkurrenz - verbraucht hat und die für das liebevoll gepflegte Hobby des öffentlichen Chefsesselsägens berüchtigt war, ist das bei Weitem keine Selbstverständlichkeit.

Alle Ergebnisse

Hier finden Sie alle Ergebnisse und Vergleichsdaten zur Wien-Wahl 2015 nach Einlangen - mehr dazu in Alle Ergebnisse, alle Daten.

Als Spitzenkandidat kämpfte der 17. Chef bei der Landtags- und Gemeinderatswahl gegen den Absturz der Rathaus-ÖVP in Richtung Bedeutungslosigkeit. Es blieb bei einem Kampf, denn gelungen ist ihm das nicht. Im Vorfeld des Urnengangs hatte der Landesparteichef außerdem schon mit internem Gegenwind zu kämpfen. Immerhin ließ er bei der Kandidatenlistenerstellung altgediente Funktionäre wie Ingrid Korosec zugunsten unbekannter junger Kandidaten und Wirtschaftsbündler wie Landtmann-Chef Berndt Querfeld außen vor. Senioren- und Bauernbund sollen damals äußerst verschnupft gewesen sein.

Manfred Juraczka

APA/Helmut Fohringer

Auch mit der Grande Dame der Innenstadt, Ursula Stenzel, hat es sich der ÖVP-Obmann verscherzt. Denn die Volkspartei hat die originelle Bezirksvorsteherin nicht mehr nominiert. Allerdings war die City-Chefin auch schon davor nicht uneingeschränkt begeistert von der Performance Juraczkas. „Der Stadtparteichef bringt keinen geraden Satz in einem TV-Interview heraus“, adressierte die frühere ZIB-Moderatorin an die Zentrale am Rathausplatz.

2012 wurde Juraczka offiziell zum neuen Parteichef gekürt. In seiner Antrittsrede versprach er den Delegierten einen „Neustart“. „Das Wahlergebnis, interne Diskussionen, bescheidene Meinungsumfragen. Das hat uns allen deutlich gemacht, so darf es nicht weitergehen“, meinte er damals. Den großen Reset-Knopf hat der gelernte, stets adrett gekleidete und um Verbindlichkeit bemühte PR-Profi - er war von 2004 bis 2011 Marketingmanager beim Technologiekonzern Alcatel - aber nicht gedrückt. Juraczka positionierte die schwarze Rathaustruppe vor allem als Schutzpatron der von „Gebührenlawinen“ überrollten Steuerzahler und noch mehr der - in Zeiten von Parkpickerl und Mariahilfer Straße - schikanierten Autofahrer.

Absturz schon vor der Wahl erahnbar

Die Umfragewerte für die Stadt-Schwarzen sind a la longue jedoch nicht besser geworden. Im Gegenteil, der Absturz war schon vor der Wahl erahnbar: Regelmäßig war - nicht zuletzt aufgrund der neuen Konkurrenz durch NEOS - vom drohenden Minus unter die Zehnprozentmarke die Rede. Zu seinen Erfolgen als Landesparteichef zählte eine Unterschriftensammelaktion, um eine Volksbefragung über die Ausweitung des viel diskutierten Parkpickerls herbeizuführen. Damit hätte das rot-grüne Vorhaben zu Fall gebracht werden sollen. Es kamen zwar mehr als ausreichend Unterstützungserklärungen zusammen, aber eine Befragung gab es dann nicht, da die Fragestellung als nicht zulässig bewertet wurde.

Abseits der politischen Bühne bzw. im semiprivaten Bereich zeigt sich der 46-Jährige - verheiratet und Vater eines Buben - umgänglich und locker. Bei Abendveranstaltungen trifft man ihn - gerne mit einem Wodka-Red-Bull und (wenn erlaubt) einer Zigarette in der Hand - plaudernd an der Bar. Für das unregelmäßig stattfindende Parteiclubbing „Manfreds Nachtflug“ versucht er sich sogar an den Plattentellern. In dieser Rolle feiert er gewissermaßen ein Comeback. Denn schon in den 1980er Jahren legte Juraczka bei Partys der Jungen ÖVP auf - als „DJ Mandy“.

Links: