Einkaufen wie zu Kaisers Zeiten

Viele Geschäfte aus der Kaiserzeit gibt es noch heute in Wien - inklusive Sortiment und Einrichtung. Hier kann man in „musealem Umfeld“ einkaufen und erfährt Anekdoten wie: „Kaiser Franz Joseph kaufte stets zu große Schuhe.“

Das Betreten von „Lorenzi“, einem Stahlwaren- und Schleifservice-Geschäft in der Siebensterngasse in Neubau, gleicht einer Zeitreise. Schon von außen fallen die geschwungenen Schaufenster im grünen Rahmen und die große Schere an der Türe auf. Drinnen scheint sich seit Jahrhunderten kaum etwas verändert zu haben: braune Glasvitrinen, Laden mit silbernen Griffen und eine große Kassa mit eingeprägtem Muster und „Lorenzi“-Schild.

Lorenzi 1932

© Lorenzi

Die Lorenzis betreiben den Laden seit 1835, hier anno 1930

„Unser Geschäft gibt es seit 1835. Ich führe es in der siebenten Generation“, sagt Andreas Lorenzi, der Geschäftsführer. Seine Familie stammt ursprünglich aus Morsato in Norditalien. Aus wirtschaftlichen Gründen ist Lorenzis Vorfahre jedoch mit seiner Mola (Schleifkarre, Anm.) nach Wien ausgewandert und hat dort das Geschäft übernommen. Andres Lorenzi hat sich viel mit Ahnenforschung beschäftigt und zeigt auf seinem Stammbaum: „Knapp 20 Lorenzis sind bis heute in der Stahlwarenbranche tätig.“

„Einkaufsverhalten dramatisch verändert“

Oliver Kühschelm vom Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien sagt: „Wenn man heute durch Wien geht, sieht man noch die Spuren eines früheren Wiens. An den vielen Erdgeschoßgeschäften, in denen heute keine mehr sind, sieht man unter anderem, dass sich das Einkaufsverhalten ganz dramatisch seit der Kaiserzeit verändert hat."

„Trotz dieser starken Veränderungen wäre es verwunderlich, wenn gar keine Geschäfte von damals überlebt hätten“, so Kühschelm. „Eine Verkettung von Zufällen“ habe dazu geführt, dass es Lorenzi bis heute gibt. „Es war immer ein Kleinbetrieb, den die Familie meist ohne Mitarbeiter geführt hat“, so Lorenzi.

Zwei Dutzend K&K-Hoflieferanten existieren noch

„Die letzten Generationen wollten ursprünglich etwas anderes machen – meine Mutter war zuerst Opernsängerin, meine Oma Frisörin. Aber sie haben meist aus der Not heraus, etwa nach dem Zweiten Weltkrieg, umgelernt und den Laden dann weiterbetrieben“, sagt Lorenzi. Er selbst hat den Laden vor zehn Jahren übernommen und zuvor Betriebswirtschaft studiert. Das Geheimnis, dass es Lorenzi so lange gibt: „Immer klein und überschaubar halten und an die Zeit anpassen.“

Ein Betrieb wie Lorenzi ist selten, da „Unternehmen in der Regel keine so lange Überlebensdauer haben. Dass die Generationenwechsel überstanden wurden, ist noch unglaublicher“, so Kühschelm. Die meisten anderen Geschäfte aus der Kaiserzeit, die heute noch in Wien existieren, „waren fast alle Hoflieferanten. Von etwa 500 zur Blütezeit, gibt es heute noch rund zwei Dutzend Nachfolgebetriebe, allesamt im Spitzenfeld ihrer Branche und im obersten Preissegment“, so Ingeborg Bauer-Manhart von der MA 53.

„Schuhanfertigung dauert sieben Monate“

Die Schusterei Scheer in der Bräunerstraße in der Innenstadt kennt zum Beispiel noch die Schuhgröße von Kaiser Franz Joseph. „Damals trug man längere Schuhe, deshalb haben wir Schuhe in Größe 43/44 für ihn angefertigt, seine richtige Größe wäre 41 gewesen“, so Markus Scheer, der heutige Geschäftsführer. Seit fast 200 Jahren werden bei Scheer Schuhe in Handarbeit gemacht.

Schusterei Scheer Leisten

ORF/Rieger

Hier bewahrt Scheer die Leisten seit 200 Jahren auf

„Das Erstpaar dauert in etwa sieben Monate, weil zuerst einmal die Leiste (ein Formstück aus Holz, das zum Bau eines Schuhs verwendet wird, Anm.) gemacht werden muss. Der Schuhbau beansprucht zirka 70 Stunden, daher werden auch nur 300 Schuhe pro Jahr gefertigt“, sagt Daniel Stifter, ein Mitarbeiter. Das Erstpaar kostet etwa 5.000 Euro.

„Hoflieferanten haben Marke aufgebaut“

„Es ist nicht nur Qualitätswahnsinn, was wir hier betreiben, sondern auch eine kulturelle Technik, die so erhalten bleibt", so Stifter. Das Geschäft habe eine Art „musealen Charakter“, werden doch auch die Leisten seit knapp 200 Jahren in einem Kasten aufbewahrt, sowie uralte Nähmaschinen, die auch heute noch verwendet werden.

Kühschelm begründet den langen Erhalt der Traditionsbetriebe damit, dass „Hoflieferanten eine Marke aufgebaut haben, die man kapitalisieren konnte“. Andere Beispiele in der Innenstadt sind die Parfümerie Filz, die noch heute von der Nachfahrin des Gründers betrieben wird oder Knize-Herrenbekleidung, die Hofzuckerbäckerei Demel und der Juwelier Köchert zum Beispiel.

„Mit Expertenwissen Überleben möglich“

Ganz ohne im „High-End-Segment“, wie es Kühschelm nennt, verfestigt zu sein, hat es das Grandia in der Josefstädter Straße geschafft, seit 1862 erhalten zu bleiben. Von außen kaum erkennbar, dass es das Haushaltswarengeschäft schon so lange gibt, fallen drinnen sogleich die alte Theke und das riesige Regal auf, in dem sich Espressomaschinen, Töpfe und andere Utensilien türmen.

Grandia Josefstädterstraße

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Grandia in der Josefstädter Straße

„Das war noch Qualität. Diese Einrichtungsgegenstände gibt es seit jeher und da wackelt nichts, da ist alles tiptop“, sagt Ewald Schatzer. Genau das ist auch sein Motto: „Klasse statt Masse“. Die Besitzer des Ladens haben öfter gewechselt, es ist kein Familienbetrieb. Als Schatzer das Geschäft 1999 gekauft hat, „haben mich alle gefragt, ob ich verrückt bin und wollten mich entmündigen. Aber ich habe von Anfang an gesagt, dass es mit Expertenwissen und einer fundierten Beratung möglich ist, zu überleben, weil man die Kunden an sich bindet“, so Schatzer.

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