Fall Jassey: Amtshaftungsverfahren beendet

Mit der Erörterung der Sachverständigengutachten ist am Donnerstag im Justizpalast das Amtshaftungsverfahren um eine finanzielle Entschädigung von Bakary Jassey abgeschlossen worden. Das Urteil ergeht schriftlich.

Jassey war im April 2006 nach einem gescheiterten Abschiebeversuch von WEGA-Polizisten in eine Wiener Lagerhalle gebracht und dort schwer misshandelt worden. Laut dem Unfallchirurgen Georg Rappold wurde der gebürtige Gambier unmittelbar danach nicht ausreichend behandelt. Später sei der inzwischen 42-Jährige von zwei gerichtsmedizinischen Sachverständigen unzureichend begutachtet worden.

Schwere Vorwürfe gegen Gerichtsmediziner

Man habe im Spital einer „Verschattung“ der rechtsseitigen Kieferregion nicht die nötige Beachtung geschenkt, so Rappold. Dabei sei diese ein „indirektes Hinweiszeichen“ auf einen komplexen Bruch des rechtsseitigen hinteren Gesichtsschädels gewesen. „Allenfalls hätte eine stationäre Aufnahme zur Schmerzbehandlung erfolgen müssen“, sagte Rappold, „durch die Computertomografie hätte das Verletzungsausmaß eigentlich erkannt werden müssen.“

Bakary J

APA/Helmut Fohringer

Jassey am Donnerstag vor Beginn der Verhandlung

Vorwürfe erhob Rappold auch gegen zwei renommierte Gerichtsmediziner, die im Fall Jassey Gutachten gelegt und die Schmerzperioden beurteilt hatten. Diese sind Basis für Schadenersatzansprüche bei nachgewiesenen Körperverletzungen. Die beiden Mediziner hätten sich „nicht alle Röntgenbilder exakt genug angeschaut“, so der zertifizierte Sachverständige für Unfallchirurgie. Außerdem hätten diese nicht die gesamte Krankengeschichte eingeholt und hätten zu kurze Schmerzperioden berechnet.

Damit waren dem Gutachter zufolge keine „geeigneten Grundlagen“ für ihre Expertisen gegeben. Rappold merkte an, dass solche Fälle grundsätzlich nicht von Gerichtsmedizinern beurteilt werden sollten, weil das außerhalb ihres Fachgebiets liege. Für den Unfallchirurgen steht außer Frage, dass Jassey infolge der polizeilichen Tortur an einer chronisch degenerativen Veränderung der Halswirbelsäule leidet und die Schmerzperioden daher großzügiger auszulegen seien.

Posttraumatische Belastungsstörung?

Der im Amtshaftungsverfahren zum Gerichtspsychiater bestellte Sachverständige Norbert Loimer schließt das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung bei Jassey jedoch „ganz sicher“ aus. Es seien dafür „keine entsprechenden Kriterien vorhanden“, widersprach Loimer damit unter anderen der langjährigen Gerichtsgutachterin Sigrun Rossmanith, die im Strafverfahren gegen die misshandelnden Polizisten tätig war, und einem von der Finanzprokuratur beigezogenen Experten. Diese waren von einer posttraumatische Belastungsstörung ausgegangen.

„Jedes Gutachten hat eine eigene Tendenz“

Jassey habe „unmittelbar nach dem Vorfall“ allenfalls an einer akuten Belastungsreaktion gelitten, so Loimer: „Das klingt normalerweise nach einigen Wochen wieder ab.“ Aus der polizeilichen Misshandlung sei zwar eine „psychische Unbill“ entstanden, „aber mit Schmerzen kann so etwas nicht verglichen werden“. Laut dem Rechtsanwalt Nikolaus Rast, der gemeinsam mit Susanne Kurtev den gebürtigen Gambier vertritt, definierte Loimer Unbill als „unangenehme Gefühle“, es handelt sich dabei um keinen psychiatrischen Begriff.

Misshandelter Bakary J.

APA/privat

Jassey wurde 2006 von drei Beamten der WEGA misshandelt

„Jedes Gutachten hat eine eigene Tendenz“, erklärt Loimer die Abweichung seines Befundes von der Einschätzung der Gerichtsgutachterin Rossmanith. Im Unterschied zu seiner Kollegin habe er mehr berücksichtigt und in der Lebensgeschichte von Jassey keine Hinweise auf „Trauma in der Vergangenheit“ gefunden. Zu Rasts Einwand, sein Mandant sei immerhin aufgrund eines Putsches aus seiner Heimat nach Europa geflüchtet, sagte Loimer, für ihn sei „nicht nachvollziehbar, weshalb ein Beamter bei einem Putsch wegläuft“.

Bereits 100.000 Euro erhalten

Rast und Kurtev verlangten im Hinblick auf die unterschiedlichen Feststellungen der mit dieser Causa vertrauten Psychiater einen Obergutachter zur Auflösung der Widersprüche. Außerdem wollten sie zusätzlich ein Gutachten eines Psychotherapeuten einholen. Sie blitzten damit allerdings bei Richterin Julia Kömürcü-Spielbüchler ab, die am späten Donnerstagnachmittag die Verhandlung wegen Spruchreife schloss. Ihr Urteil wird den Parteien schriftlich zugestellt.

In dem Verfahren geht es um eine finanzielle Wiedergutmachung für den geflüchteten Gambier, der seit 2012 einen regulären Aufenthaltstitel besitzt und dem von der Finanzprokuratur 110.000 Euro zugestanden wurden, die er bereits erhalten hat. Seine Rechtsvertreter halten diese Entschädigung für nicht ausreichend und haben daher für ihn und seine Familie am Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen (ZRS) weitere 384.000 Euro eingeklagt. Außerdem wird eine monatliche Rente von 1.000 Euro sowie die Feststellung begehrt, dass die Republik, deren Organe den Mann gefoltert hätten, auch für allfällige zukünftige Folgen haftet.

Kein neues Verfahren für Polizisten

Die verurteilten ehemaligen Polizisten, die den gebürtigen Gambier Jassey vor acht Jahren schwer misshandelt haben sollen, hatten im Vorjahr ihre Geständnisse widerrufen. Ihr Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde allerdings abgelehnt - mehr dazu in Bakary J.: Kein neues Verfahren für Polizisten.

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