Zahl der Tötungsdelikte verdoppelt

Die Zahl der Tötungsdelikte hat sich in Wien im Vergleich zu 2014 mehr als verdoppelt. Alle Morde wurden aufgeklärt. Als spektakulärsten Fall bezeichnen Kriminalisten einen Doppelmord in der Donaustadt.

Bisher wurden 2015 in Wien 20 Menschen umgebracht, voriges Jahr waren es nach den Zahlen des Wiener Landeskriminalamtes (LKA) neun Opfer. Das war allerdings die niedrigste Zahl an Tötungsdelikten in der Bundeshauptstadt seit 1955.

Keine ungeklärten Morde seit 2009

2015 sei von den Zahlen her gewissermaßen die Rückkehr zur Normalität gewesen, interpretierten der Leiter des Ermittlungsbereichs im LKA, Michael Mimra, und sein Stellvertreter Gerhard Haimeder die Zahlen in einem APA-Gespräch: „2014 war eher ein Ausreißer.“ Entspannt können die Kriminalisten unter anderem deshalb sein, weil sich ein weiteres Jahr dem Ende zu neigt, in dem alle Tötungsdelikte aufgeklärt wurden. Seit April 2009 gibt es keine ungeklärten Morde.

Alle Morde 2015 geklärt

Die Zahl der Morde hat sich in Wien 2015 gegenüber 2014 mehr als verdoppelt. Bisher sind 20 Menschen in der Stadt umgebracht worden, im vergangenen Jahr waren es neun.

Dementsprechend lobten Haimeder und Mimra die Motivation der Angehörigen der drei Gruppen, die im Ermittlungsbereich „Leib und Leben“ tätig sind. Der Rekord bringe hier noch größeren Ansporn. „Keine der drei Gruppen will die erste sein, die einen Mord nicht aufklären kann“, sagte Haimeder. Irgendwann werde die Serie aber zu Ende gehen.

Gewaltdelikte meist in der Familie

Nach wie vor spielt sich ein großer Teil der Gewaltdelikte im familiären oder Beziehungsumfeld ab. Allerdings glauben die Kriminalisten, dass sich hier allmählich ein Wandel vollzieht. So war der Versuch, einen 36-jährigen Mann Anfang Juli in der Brigittenau zu erschießen, eine Auftragstat. Dabei wurde ein unbeteiligter 13-Jähriger angeschossen, auch das eigentliche Opfer verletzt - mehr dazu in Schussattacke auf Bub: Mann festgenommen (wien.ORF.at; 11.12.2015) und Brigittenau: Kaum Hinweise auf Täter (wien.ORF.at; 10.7.2015).

„Was wir sehen, ist, dass viele ein Messer eingesteckt haben und mit diesem auch sehr schnell zur Hand sind“, konstatierten Mimra und Haimeder allgemein eine schnellere Bereitschaft, Konflikte unter Zuhilfenahme einer Waffe auszutragen.

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APA/HANS PUNZ

Für die Kriminalisten ist der Doppelmord an einem Pensionistenehepaar der spektakulärste Fall des Jahres

Doppelmord in der Donaustadt

Die Tötung eines Pensionistenpaars im Mai in der Donaustadt bezeichneten die Kriminalisten als den spektakulärsten Fall des Jahres. Der mutmaßliche Killer, ein 29-Jähriger aus Polen, wurde einige Tage später in Düsseldorf geschnappt. Er wird als „brandgefährlich“ eingestuft - mehr dazu in Doppelmord: Mann festgenommen (wien.ORF.at; 8.6.2015).

Das Wiener Verbrechen hat er zugegeben, als praktisch fix gilt seine Urheberschaft bei einer Messerattacke in Salzburg 2012 und bei einer Tötung in Göteborg. „Aufgrund der Umstände“, erläuterte Haimeder den Zusammenhang mit der Tat in Schweden. Er habe einen bestimmten Schriftzug an den Tatorten in Wien und Göteborg hinterlassen, auch sonst sei die Spurenlage sehr ähnlich.

Festnahme nach internationaler Zusammenarbeit

Der Verdächtige gab an, sich auf einer Mission zu befinden. Per Rad, zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln reiste er durch Europa, nicht zuletzt deshalb vermuten die Ermittler, dass er weitere Verbrechen begangen haben könnte. Zuletzt war etwa Großbritannien im Gespräch, wo sich der 29-Jährige ebenfalls aufgehalten hatte - mehr dazu in Bluttat in Wien: Weitere Geständnisse (wien.ORF.at; 30.11.2015).

TV-Hinweis:

„Wien heute“, 27.12.2015, 19.00 Uhr, ORF2 und danach online unter tvthek.ORF.at.

Der Fall zeigt auch eine Veränderung in den Anforderungen der Ermittlungsarbeit. „Viele Täter sind nun im europäischen Ausland zu suchen“, sagten die Kriminalisten. Sie hoben die Wichtigkeit der internationalen Zusammenarbeit hervor und sprachen die Bedeutung einer guten Tatortarbeit an. Das Geständnis als wichtigstes Beweismittel ist in den vergangenen Jahren in den Hintergrund getreten. Die Festnahme des 29-Jährigen bezeichneten Mimra und Haimeder als „gute kriminalpolizeiliche Arbeit“.

Ungeklärte Fälle in Hernals und Josefstadt

Im Magen liegen den LKA-Spitzen aber nach wie vor die ungeklärten Fälle, auch wenn diese zumindest sechseinhalb Jahre her sind. Am 4. April 2009 starb in Hernals ein Mann, der bei einem Streit vermutlich auf die Straße gestoßen worden und von einem Taxi überrollt worden war. Knapp drei Monate zuvor starb in der Ottakringer Hubergasse ein Lokalbesitzer. Er ist erschossen worden.

Im September 2007 wurde der Diamantenhändler Werner Haas in seiner Wohnung in der Josefstadt erschossen. Bisher wurde kein Täter gefunden, auch das Motiv liegt großteils im Dunkeln. Die Alibis im persönlichen Umfeld brachten keine neuen Erkenntnisse. Es gab mittlerweile mehrere „Cold Case“-Durchläufe, alle ohne Ergebnis. In diesem Fall scheinen die Ermittler auf einen Zufallstreffer hoffen zu müssen.