Fall Leonie: 4,5 Jahre Haft für Vater

Am Freitag ist der Fall Leonie am Landesgericht Wien verhandelt worden. Die Zweijährige war 2014 gestorben, nachdem sie ihr Vater mit brühend heißem Wasser abgeduscht hatte. Der Vater wurde zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt.

Der Schöffensenat ging davon aus, dass der 28-Jährige seine knapp dreijährige Tochter einer „Strafdusche“ unterzogen hatte. „Die Todesfolge ist Ihnen zuzurechnen“, sagte die Richterin Elisabeth Reich. Auch die Mutter wurde im Sinne der Anklage schuldig erkannt. Die 27-Jährige erhielt ein Jahr Haft, davon vier Monate unbedingt. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

Der Senat sei „zweifelsfrei überzeugt, dass es geplant war, das Kind kalt zu duschen“, so Reich. Der 28-Jährige hatte bei seiner polizeilichen Einvernahme zugegeben, Leonie zweimal monatlich strafweise mit kaltem Wasser „abgespritzt“ zu haben, wenn sie nicht zu „beruhigen“ war.

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Patrick Budgen berichtet aus dem Landesgericht Wien

Die angeklagten Eltern von Leonie

APA/Georg Hochmuth

Die Eltern wurden zu Haftstrafen verurteilt

Verletzungsfolgen in Kauf genommen

Bei der letzten „Strafdusche“ wurde die knapp Dreijährige aber mindestens fünf Sekunden mit 60 Grad heißem Wasser - so die dem Urteil zugrundeliegenden Feststellungen des Gerichts - verbrüht. „Weil Sie sich entweder am Regler vertan haben oder falsch angekommen sind. Ihnen ist bewusst geworden, dass es heiß wurde. Sie haben in Ihrem Ärger aber nicht unverzüglich darauf reagiert“, sagte Reich zu dem Angeklagten. Stattdessen habe der 28-Jährige die Verletzungsfolgen in Kauf genommen: „Dabei glauben wir aber nicht, dass Sie eine Tötungsabsicht hatten. Sonst wären wir vor Geschworenen.“

Für das Gericht war somit ein besonders schwerer Fall von Kindesmisshandlung gegeben, der den Tod des kleinen Mädchens zu Folge hatte. Ausdrücklich wies die Vorsitzende darauf hin, dass der Vater seit zumindest einem Jahr seine „Strafduschen“ praktiziert habe. Aus general- und spezialpräventiven Gründen bedürfe es ungeachtet der bisherigen Unbescholtenheit des Mannes eines „strengen Zeichens“. Viereinhalb Jahre seien bei einer Strafdrohung von ein bis zu zehn Jahren angemessen, betonte Reich: „Es ist wichtig, dass hier ein Zeichen gesetzt wird. So etwas ist intolerabel. Es darf niemand denken, dass das eine geeignete Erziehungsmaßnahme ist. Das ist menschenunwürdig.“

Verteidiger bat um Bedenkzeit

Beiden Elternteilen sei außerdem „hundertprozentig bewusst gewesen, dass das Kind im Krankenhaus versorgt gehört“, kam die Richterin auf das sogenannte Nachtatverhalten zu sprechen, das ebenfalls als Quälen und Vernachlässigen einer Unmündigen gewertet wurde. Die Mutter wurde für dieses Unterlassen zu einem Jahr teilbedingter Haft verurteilt, wobei die Richterin andeutete, dass die 27-Jährige gute Chancen habe, den unbedingten Strafteil im elektronisch überwachten Hausarrest und nicht im Gefängnis verbringen zu müssen: „Das kann man so machen, dass Sie nicht in Haft müssen.“

Leonies Vater machte während der Urteilsverkündung am Freitag einen schockierten Eindruck, bemühte sich aber, ebenso Fassung zu bewahren wie seine ehemalige Lebensgefährtin. Verteidiger Roland Friis bat um drei Tage Bedenkzeit, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab.

Schreie aus dem Badezimmer

Zu Beginn der Verhandlung versuchte die Richterin zu erörtern, warum die Eltern erst 28 Stunden nach der Dusche ins Spital gefahren waren. „Ich dachte nicht, dass das so schlimm ist. Es hat ausgeschaut wie ein Sonnenbrand“, erklärte die Mutter ihr Zögern. Sie habe in der Küche gebacken, als sie Schreie aus dem Badezimmer gehört habe. Dann habe sie sofort nachgesehen und ihren damaligen Lebensgefährten mit der weinenden Leonie am Arm vorgefunden.

Der Vater hatte in einer Nachtapotheke ein kühlendes Spray, Desinfektionsmittel und Verbandszeug besorgt. Damit wurde Leonie vorerst versorgt. „Sie hat geweint, aber sie hat sich schnell beruhigt“, sagte die Mutter, „sie hat schon ‚aua‘ gesagt, aber sie hat dann nicht mehr geweint und geschrien. Sie hat an dem Abend keine Schmerzen mehr gehabt.“

Prozess gegen die Eltern von Leonie

ORF/Patrick Budgen

Der Prozess gegen Leonies Eltern begann Freitagfrüh im Landesgericht Wien

Brandblasen mit Kühlspray behandelt

Für den Vater war Leonie „am Abend relativ normal“, sie sei „ohne gröbere Schwierigkeiten eingeschlafen“. Laut der Mutter hatte das Mädchen am Tag darauf am Nachmittag zu wimmern begonnen. Da habe sie festgestellt, dass sich auf Leonies Rücken große Blasen gebildet hatten und sich die Haut teilweise abzulösen begann.

„Ich habe versucht, sie zu beruhigen. Ich bin mit ihr durch die Wohnung gegangen“, gab die Frau zu Protokoll. Auf die Frage der Richterin, weshalb sie in dieser Situation nicht ins Spital gefahren sei, erwiderte die 27-Jährige, sie habe noch das Heimkommen ihres Partners abwarten wollen - mehr dazu in Fall Leonie: Eltern werden angeklagt.

Verbrühung durch defekten Boiler?

Ursprünglich war der 26-Jährige verdächtigt worden, das Kind im Zuge einer erzieherischen Maßnahme mit heißem Wasser abgeduscht zu haben. Bei den Erhebungen stellte sich dann heraus, dass der Warmwasserboiler in der Wohnung der Familie in Floridsdorf defekt war. Die Temperatur ließ sich nicht verstellen, der Boiler erhitzte das Wasser immer durchgehend auf 72 Grad - mehr dazu in Neues Gutachten im Fall Leonie.

Der Fall Leonie

Nach einer angeblichen „Strafdusche“ starb die zweijährige Leonie im Oktober 2014. Nun mussten sich die Eltern vor Gericht verantworten.

Diese Version schilderte der Lebensgefährte am Freitag auch vor Gericht: Er habe die Zweijährige durch die Dusche nicht beruhigen, sondern sie ganz normal waschen wollen. Der Grund für die Verbrennungen sei ein Defekt der Therme gewesen, aus der eine Sekunde lang brühend heißes Wasser gekommen sei. Von seinen früheren Aussagen über eine Beruhigungs- bzw. Bestrafungsmaßnahme, gegen die sich das Mädchen auch gewehrt habe, wollte er nichts mehr wissen: „Ich weiß nicht, wie ich auf diese Geschichte gekommen bin.“

Kaltes Wasser bei „Strafduschen“

Leonies Mutter habe gewusst, dass ihr Freund das Mädchen regelmäßigen „Strafduschen“ unterzog. Ihre Tochter sei „ein aufgewecktes Kind, sehr lebhaft, ein Wirbelwind“ gewesen, meinte die 27-Jährige in ihrer Einvernahme. Manchmal sei sie „stur und trotzig“ gewesen. Um sie zu „beruhigen“, habe ihr Partner sie dann manchmal in die Badewanne gestellt und „kurz mit kaltem Wasser abgespritzt“.

Auf die Frage der Richterin, wie das Mädchen darauf reagiert hätte, meinte die Mutter: „Sie hat sich geschreckt.“ Ihr Partner habe seine Tochter dann hochgehoben und abgetrocknet: „Dann hat’s wieder gepasst.“ Die Frau trennte sich mittlerweile vom Vater ihrer zwei jüngsten Kinder und zog in eine andere Wohnung. Leonies jüngerer Bruder und ein Sohn aus einer vorangegangenen Beziehung wachsen bei ihr auf.

Angeklagter korrigierte Aussagen

Zweimal im Monat soll es zu den „Strafduschen“ gekommen sein - das hatte Leonies Vater zumindest in seiner polizeilichen Einvernahme erklärt. Auch diese Aussage korrigierte der 28-Jährige in der Gerichtsverhandlung am Freitag.

Es sei höchstens einmal im Monat passiert, und auch das nicht immer. Das „Beruhigen“ des „aufgeweckten, sehr aktiven Kindes“ habe nicht immer funktioniert. „Wenn wir sie nicht beruhigen haben können, haben wir sie mit kaltem Wasser abgespritzt“, so der Angeklagte. Die „Strafduschen“ hätten „eine bis zwei Sekunden“ gedauert. Auf die richterliche Frage nach der Wirkung antwortete der Angeklagte: „Sie ist ruhiger geworden und hat aufgehört zu schreien.“

Schädigung durch Medikamente vorstellbar

Schon vor Prozessbeginn kam der Gerichtsmediziner Wolfgang Denk zu dem Schluss, dass ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen den Verbrühungen und dem Ableben des Mädchens „nicht erweisbar“ sei. Denk konnte nicht ausschließen, dass das Kind an den Folgen einer medikamenteninduzierten Schädigung der Leber starb. Leonie war nach ihrer Einlieferung ins Spital mit einer ganzen Reihe von gängigen Schmerzmitteln und Opiaten behandelt worden.