Mystery Shopping: Ärzte kritisieren „DDR 2.0“

Die Ärztekammer mobilisiert weiter gegen „Mystery Shopping“ in Arztpraxen, also die seit heuer erlaubte Betrugskontrolle durch Testpatienten. Die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) praktiziert das unterdessen schon seit 2011.

Ärztekammer-Vizepräsident Johannes Steinhart warnte in einer Pressekonferenz am Montag vor einem „Spitzelsystem“ und der „DDR 2.0“. Unter dem Titel „Spione zerstören Vertrauen“ startet die Kammer nun eine Infokampagne, und es ist nicht die erste - mehr dazu in Ärztekampagne gegen „Mystery-Shopping“. Sowohl Arzt als auch Patient würden unter Generalverdacht gestellt: Die Mediziner unter jenen der falschen Abrechnung, die Patienten unter den Verdacht der erschlichenen Krankmeldungen.

Johannes Steinhart, Vizepräsident Wr. Ärztekammer

ORF

Ärztekammer-Vizepräsident Johannes Steinhart ortet ein „Spitzelsystem“

Kammer will zum Verfassungsgerichtshof gehen

Was die Ärzte besonders stört: Die Mystery Shopper agierten unter dem Auftrag, durch bewusst vorgetäuschtes Verhalten beim Arzt einen falschen Eindruck zu erwecken, um zu sehen, wie er reagiert. Selbst der Polizei oder den Verfassungsschützern sei so ein Vorgehen nicht erlaubt. Die Kammer will die Regelung daher vor den Verfassungsgerichtshof bringen und eine Rücknahme erreichen - mehr dazu in Ärzte wollen gegen Mystery Shopping klagen.

TV-Hinweis:

Die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz ist am Montag in „Wien heute“ zum Thema zu Gast: „Wien heute“, 30.5.2016, 19.00 Uhr, ORF 2 und dann in tvthek.ORF.at.

In einer Informationsoffensive werden die Ärzte nun aufgefordert, künftig die Identität von ihnen unbekannten Patienten mittels Ausweis festzustellen. In Zweifelsfällen sollen sie die betreffenden Personen - etwa für Krankmeldungen - an die zuständige Krankenkasse verweisen. Die Patienten sollen mittels Folder und Wartezimmer-TV-Spots darüber informiert werden.

WGKK: Testpatienten überführten elf Ärzte

Als damals einzige Krankenkasse Österreichs richtete die WGKK bereits im Jahr 2009 ein Team ein, um Verdachtsmomente mit Testpatienten überprüfen zu können. 2011 rückten die verdeckten Ermittler das erste Mal aus, insgesamt bisher 14 Mal, teilte die WGKK auf ORF-Anfrage mit. Überprüft worden seien neun Allgemeinmediziner und fünf Fachärzte bzw. Institute.

Schild Wiener Gebietskrankenkasse

APA/Hans Klaus Techt

Die WGKK setzt bereits seit mehreren Jahren Testpatienten ein

In elf Fällen habe sich der Verdacht erhärtet, unter anderem sei es dabei um Gefälligkeitskrankschreibungen oder die Abrechnung von Leistungen, die nicht erbracht wurden, gegangen, so eine Sprecherin der WGKK. In drei Fällen wurde den Ärzten der Vertrag laut WGKK bereits rechtskräftig gekündigt, drei weitere Fälle sind noch vor Gericht. In den anderen Fällen kam es zu Verwarnungen und Behördenmeldungen. In einem Fall habe der Testeinsatz abgebrochen werden müssen, weil sich der Arzt bereits in U-Haft befand, so die WGKK.

Mystery Shopping deckt nicht E-Card-Betrug auf

Dem Staat bringe Mystery Shopping nicht viel, kritisierte Steinhart. Er verwies auf exakt 1.695,79 Euro, die der WGKK 2014 an Schaden durch E-Card-Betrug entstanden seien. Diese Schäden hätten jedoch nichts mit dem Mystery Shopping zu tun, erklärte dazu die WGKK-Sprecherin. Bei E-Card-Betrug gehe es um Fälle, in denen die E-Card verbotenerweise an nicht versicherte Personen verborgt werde.

Beim Mystery Shopping würde man beispielsweise überprüfen, ob man auch eine Krankmeldung bekommt, wenn man etwa dezidiert offenlegt, dass man gar nicht wirklich krank sei - sondern etwa für ein verlängertes Wochenende frei braucht, so die Sprecherin.

Patientenanwältin versteht Kritik nicht

Für die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz sind die Vorwürfe der Ärztekammer eine „überzogene Reaktion“. Im „Wien Heute“-Interview sagte sie: „Lassen wir die Kirche im Dorf. Es geht um Betrugsbekämpfung und nicht darum, Misstrauen zu säen zwischen Patienten und Ärzten.“ Zudem gäbe es laut Pilz Erfolg bei den Überprüfungen. „Der Umstand, dass man bei 14 Überprüfungen elf Treffer hatte, zeigt einerseits, dass man wirklich gezielt schaut und, dass wenn man fündig wird, man offensichtlich Anlass hatte.“

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