Aufregung rund um Spontandemo und Gerüchte

Eine nicht angemeldete Mahnwache der rechtsextremen Identitären hat in der Nacht für Aufregung in der Josefstadt gesorgt. Grund dafür waren verbreitete falsche Gerüchte über einen im Koma liegenden Demonstranten.

Grölende Männer, die Fahnen schwenken und bengalische Feuer anzünden. In der Nacht nach der Demonstration am Gürtel, bei der es zu Ausschreitungen zwischen Linken, Rechten und der Polizei gekommen ist, haben die rechtsextremen Identitären in der Nacht erneut demonstriert. Gegen 23.30 Uhr zogen die Rechtsextremen unangekündigt durch die Albertgasse in der Josefstadt.

Demo Identitäre

Facebook.com/Alexander Spritzendorfer

Die Demo der Rechtsextremen sorgte für einen weiteren Polizei-Einsatz

Die Polizei löste die Spontandemo allerdings nicht auf, was beim grünen Bezirksvorsteher-Stellvertreter Alexander Spritzendorfer Kritik hervorruft. „Ich verstehe nicht, warum das nicht sofort aufgelöst wurde“, sagte er gegenüber Radio Wien. Spritzendorfer filmte den Marsch mit, bei dem die Polizei laut Angaben eines Sprechers versuchte, die linken und rechten Gruppierungen zu trennen. „Und hier jetzt eine Mahnwache mit Gewalt aufzulösen wäre nicht im Sinne der Verhältnismäßigkeit gewesen.“ Dafür wurden die Identitären angezeigt, weil die Veranstaltung nicht angemeldet worden war.

Falsches Gerücht

Die Mahnwache wurde für ein Mitglied der Identitären abgehalten, der angeblich im Koma liegen würde. Tatsächlich wurde der Mann zwar mit einer Kopfverletzung im AKH behandelt, im Koma hat er sich aber laut Spital zu keinem Zeitpunkt befunden. „Einen Koma-Patienten gab es nicht“, sagte ein Sprecher der Wiener Berufsrettung gegenüber wien.ORF.at. Und auch der Wiener Krankenanstaltenverbund bestätigte, dass der Mann zwar operiert worden sei, derzeit jedoch keine Lebensgefahr bestehe und nie im Koma war.

Insgesamt hat die Berufsrettung 13 im Zuge der Demonstrationen am Samstag verletzte Personen registriert, davon wurden vier ins Krankenhaus gebracht. Zwei (darunter auch der junge Identitäre) hatten demnach Kopfverletzungen, ein Polizist hatte einen Schlag abbekommen. Die meisten Verletzungen waren demnach Folge des Pfeffersprayeinsatzes der Polizei und wurden vor Ort behandelt. Sieben Personen wurden festgenommen, ein Rechter nach dem Verbotsgesetz angezeigt - mehr dazu in Festnahmen und Pfeffersprayeinsatz bei Demos.

Bilder von den Demos am Samstag:

Die Polizei rechtfertigt ihren gestrigen Pfeffersprayeinsatz damit, dass Polizisten mit Steinen und Mülltonnen attackiert worden sind. Außerdem wollte man einen Abstand zwischen den beiden demonstrierenden Gruppen schaffen. Da es hier passiven Widerstand gab, wurde zum Pfefferspray gegriffen, sagte die Polizei am Sonntag. Trotzdem sorgt der Einsatz für Diskussionen - mehr dazu in news.ORF.at

Pfefferspray-Gebrauch wird geprüft

Das liegt auch an Videos, die via Social Media kursierten und nahelegen, dass das Reizgas auch ohne vorherige Attacken auf Beamten oder andere Demonstranten eingesetzt wurde. Der Sachverhalt sei angesichts der oft nur wenige Sekunden dauernden Videos schwer zu überprüfen, hieß es dazu bei der Wiener Polizei.

Beispielsweise könnte der Einsatz nämlich auch dann gerechtfertigt sein, wenn es darum gehe, passiven Widerstand gegen das Vorrücken der Einsatzkräfte zu überwinden. Man werde den Einsatz des Pfeffersprays aber auf jeden Fall anhand der Waffengebrauchsmeldungen der Beamten prüfen: „Wenn es eine Übertretung gegeben haben sollte oder einen nicht sachgemäßen Waffengebrauch, werden wir uns das anschauen.“

Zwiespältige Politik-Reaktionen

Kritik am „aggressiven Pfeffersprayeinsatz der Polizei“ kam von der Wiener Grünen Sicherheitssprecherin Birgit Hebein. Sowohl die Einsatzleitung als auch die Beamten auf der Straße hätten „überfordert und chaotisch“ agiert.

FP-Landesparteisekretär Toni Mahdalik forderte die „linken Stiefeltruppen“ dagegen auf, „auf ein paar Spritzer Pfefferspray nicht memmenhaft zu reagieren“. Der Einsatz gegen „linksradikale Gewalttäter“ sei völlig in Ordnung. VP-Chef Gernot Blümel lehnte „reflexartige Polizeibeschimpfungen“ ab.

Kritik an der Blockade der rechtsextremen Demonstration am Samstagnachmittag üben die NEOS. „Im Fokus steht jetzt wieder einmal die Gewaltbereitschaft mancher linker Gruppierungen, statt der gefährlichen Ideologie, die hinter den Identitären steckt“, so Gemeinderat Christoph Wiederkehr. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) hatte die Ausschreitungen bereits am Samstagabend kritisiert.

„Das Demonstrationsrecht zählt zu den höchsten Gütern der Demokratie, allerdings haben Gewaltausschreitungen im Rahmen von Demonstrationen definitiv keinen Platz“, so Sobotka in einer Aussendung. Er dankte den Polizisten, „dass sie mit vollstem Einsatz Ausschreitungen dieses Ausmaßes schnell unter Kontrolle bringen“. Die NEOS kritisieren allerdings den „unverhältnismäßigen Gebrauch von Pfefferspray gegen Demonstrierende“. Wiederkehr fordert daher die Kennzeichnungspflicht für Polizisten, um solche Vorfälle künftig zu verhindern.