„Pizzeria Anarchia“: Ein Brite angeklagt

Die Räumung der „Pizzeria Anarchia“ hat vor zwei Jahren in Wien für einen Großeinsatz mit Panzerfahrzeugen und Wasserwerfern gesorgt. 19 Hausbesetzer wurden festgenommen, darunter ein Brite. Er wurde als Einziger angeklagt.

Exakt 1.454 Polizisten waren für die Räumung des Hauses in der Mühlfeldgasse am 28. Juli 2014 im Dienst. Der Großeinsatz dauerte den ganzen Tag, am Ende wurden 19 Hausbesetzer festgenommen und auf freiem Fuß angezeigt. In der Causa leitete die Staatsanwaltschaft Wien einen Vorhabensbericht an das Justizministerium weiter. Von den Hausbesetzern stammten laut Innenministerium sieben aus Österreich, sieben aus Deutschland, drei aus Rumänien und je eine Person aus Großbritannien und Tunesien.

Verfahren „abgebrochen“

Der britische Staatsbürger wurde wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt und schwerer Sachbeschädigung im Herbst des Vorjahres angeklagt. „Das Verfahren wurde aber abgebrochen, weil der Aufenthaltsort des Mannes nicht bekannt ist, er keinen festen Wohnsitz hat und auch der Geburtsort nicht bekannt ist“, sagte die Sprecherin des Wiener Landesgerichts für Strafsachen, Christina Salzborn, gegenüber wien.ORF.at. Sie verwies auf eine „laufende Aufenthaltsermittlung“, einen Haftbefehl gebe es aber nicht.

In den restlichen Fällen kam es gar nicht zur Anklage. Die Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Wien wurden teils eingestellt oder aber abgebrochen, weil die Hausbesetzer nicht ausgeforscht werden konnten, wie Staatsanwaltschaftssprecherin Nina Bussek auf Anfrage bestätigte.

Massenhaft Sperrmüll und „lebensgefährliche Falle“

Vor allem die anscheinend in tagelanger Arbeit angefertigten Barrikaden der Aktivisten, darunter verschweißte Stahltüren und Dutzende Kubikmeter Sperrmüll, stellten die Einsatzkräfte bei der gerichtlich angeordneten Räumung vor Probleme.

Die Aktivisten hatten auch Sperrgitter der Polizei verwendet, die diese Stunden zuvor am Einsatzort deponiert hatte. Ein „logistischer Fehler“, wie die Exekutive später eingestand. Die Polizei berichtete auch von Hindernissen im Haus. So sei zum Beispiel eine „lebensgefährliche Falle“ errichtet worden, bei der ein Herd aus großer Höhe auf die Einsatzkräfte hätte fallen sollen.

Punks

APA/HERBERT NEUBAUER

Polizei war mit über 1.400 Beamten im Einsatz

Dementsprechend konnten die Beamten nur mühsam Schritt für Schritt in das Haus in der Mühlfeldgasse 12 eindringen. Die Aktivisten reagierten mit Gegenwehr: Sie bewarfen die Polizisten mit Eiern, Federn, Farbe und Buttersäure.

Großeinsatz kostete 870.000 Euro

Der Großeinsatz verursachte Kosten von 870.000 Euro - mehr dazu in „Pizzeria Anarchia“: Räumung um 870.000 Euro. Der Staat sah keinen Weg, sich die Kosten von den Hauseigentümern zurückzuholen - mehr dazu in „Pizzeria Anarchia“: Staat bleibt auf Kosten sitzen.

Die „Pizzeria Anarchia“ war zweieinhalb Jahre lang besetzt. Zuvor war den Besetzern von den Hauseigentümern selbst angeboten worden, in die Immobilie kostenfrei für sechs Monate einzuziehen. Vermutetes Ziel: Die vermeintlichen Störenfriede sollten die letzten Mieter des Hauses hinausekeln, damit die Liegenschaft danach umgebaut und gewinnbringend verwertet werden könne. Die Neo-Bewohner solidarisierten sich jedoch mit den Stammmietern und blieben nach Ablauf der Halbjahresfrist.

Hubert Kickinger, wien.ORF.at