Salcher: „Es ging nie um die Kinder“

Bildungsexperte Andreas Salcher kritisiert im „Wien heute“-Interview, dass bei der aktuellen Diskussion um die Verkürzung der Sommerferien nicht die Schüler im Mittelpunkt stehen, sondern andere Interessensgruppen.

„Wir brauchen etwa zwei Wochen kürzere Sommerferien und dafür längere Herbstferien“ - mit dieser Forderung hat ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin vor wenigen Tagen erneut eine Diskussion um die Dauer der Schulferien losgetreten. Wenn Ferien in mehrere Pakete aufgeteilt wären, hätten Eltern weniger Probleme mit der Betreuung, so ihre Argumentation - mehr dazu in Sind kürzere Sommerferien hilfreich?

„Wenn, dann müsste man überhaupt über die Ferienregelung diskutieren, weil ich glaube, wir haben viel zu lange Ferien überhaupt“, sagte dazu Bildungsexperte und Bestsellerautor Andreas Salcher am Samstag. „Aber das ist natürlich etwas, wo die Schüler am wenigsten im Mittelpunkt stehen, sondern irgendwelche Interessensgruppen, die sich hier zu Wort gemeldet haben.“

Bildungsexperte Andreas Salcher

ORF

„Wien heute“-Moderatorin Elisabeth Vogel im Interview mit Andreas Salcher

Förderung in Ferien macht Unterschied

Er spricht sich aus pädagogischer Sicht für eine Verkürzung der Schulferien insgesamt aus. Denn Kinder, die über den Sommer nicht gefördert werden, würden viel vergessen: „Das Argument der Befürworter von kürzeren Sommerferien ist schon, dass das Auseinanderklaffen der bildungsfernen Schichten, also deren Kinder, und derer, wo im Sommer viel passiert, also Sprachferien, Sportferien, mit den Eltern in ein fremdes Land fahren.“ Die langen Sommerferien würden dieses Auseinanderklaffen verschärfen.

Diskussion um kürzere Sommerferien

Die Diskussion über die Dauer der Sommerferien ist wieder entbrannt. Bildungsexperte Andreas Salcher war zum Thema im „Wien heute“-Studio.

Wenig Unterricht führt zu mehr Druck

Dass es neun Wochen Sommerferien gibt, hat laut Salcher ohnehin nur wirtschaftliche Gründe. „Weil damals ein großer Teil der Bevölkerung in der Landwirtschaft gearbeitet hat. Man hat die Sommerferien einfach gebraucht, damit die Kinder bei der Ernte mithelfen. Das zeigt aber schon sehr deutlich, dass es nie um die Interessen der Kinder und der Pädagogik, sondern immer um wirtschaftliche Interessen gegangen ist. Und die haben in der Schule in diesem Zusammenhang meiner Meinung nach wenig verloren.“

Laut Salcher ist es ein Problem, dass die Zeit, in der Unterricht stattfindet, zu kurz ist. Dadurch würde in dieser Zeit ein enormer Druck auf Schüler und Lehrer ausgeübt werden. „Von dort kommt ja die Sehnsucht, ja keinen Ferientag verlieren. Ich glaube, dass es viel gescheiter wäre, die Ferien besser zu verteilen, und viel mehr Lerntage zu haben. Dann wäre dieser Druck auf die wenigen Tage, wo Schule überhaupt stattfindet, nicht so groß und der Stress und die Sehnsucht nach den Ferien nicht so groß“, so Salcher.

„Dringende Notwendigkeit“ für Sommerschule

Das Problem der Kinderbetreuung in den Ferien müsste laut Salcher die Schule lösen: „Im 21. Jahrhundert, wo viele Frauen berufstätig und auch teilweise alleinerziehend sind, werden wir nicht drumherum kommen, dass die Schule sehr wohl auch eine Betreuungsaufgabe hat. Ich bin - wie viele Experten - dafür, dass die Schule selbstverständlich auch im Sommer ein niederschwelliges Angebot machen sollte, um eben zu verhindern, dass die Kinder bildungsferner Schichten hier zurückfallen. Das ist eine dringende Notwendigkeit.“

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