Verschollenes Horvath-Stück hat Premiere

Das Stück „Niemand“ von Ödön von Horvath erlebt nach 92 Jahren des Verschollenseins heute seine Uraufführung im Theater in der Josefstadt. Es dreht sich um Menschen, die sich in der Armut Moral nicht mehr leisten können.

Horvath schrieb 1924 im Alter von 23 Jahren das Stück „Niemand“. Damals stand er erst am Anfang seiner schriftstellerischen Karriere. Das Stück veröffentlichte er damals nicht. Das Werk des österreichisch-ungarischen Dramatikers sollte den Augen der Öffentlichkeit bis ins Jahr 2006 verborgen bleiben. Im März 2015 gelang es der Wienbibliothek im Rathaus, das Typoskript bei einer Auktion zu ersteigern, nun wird es im Theater in der Josefstadt uraufgeführt - mehr dazu in Unbekanntes Ödön-von-Horvath-Stück ersteigert.

Armut und Gottlosigkeit

Die Geschichte: Das Mietshaus des verkrüppelten Wucherers Fürchtegott Lehmann, dargestellt von Florian Teichtmeister, ist ein Sammelbecken für Menschen, die von der Wirtschaftskrise an den Rand der Existenz getrieben wurden. Der Musiker Klein, verkörpert durch Dominic Oley, steht knapp von der Delogierung. Roman Schmelzer spielt den grausamen Zuhälter Wladimir, unter dessen Fuchtel die Prostituierte Gilda, dargestellt von Martina Stilp, steht.

Ödön von Horvaths „Niemand“

Ödön von Horvath hat zeitlose Figuren geschaffen, Stücke, die heute so aktuell erscheinen wie zum Zeitpunkt ihrer Entstehung.

Auch Ursula, dargestellt von Gerti Drassl, ist kurz davor, auf den Strich zu gehen, bevor sie Lehmann kennenlernt und viel zu schnell einwilligt, den verbitterten und geizigen Mann zu heiraten. Nicht nur aus der Not heraus, sondern auch aus Mitleid, was diesem zutiefst zuwider ist und in einer besonders düsteren Szene an den Rand der Verzweiflung treibt.

Rätsel um Verschwinden

Horvath zählt zu den meistgespielten Dramatikern des 20. Jahrhunderts. Warum ein vollständig erhaltenes Theaterstück nie publiziert oder gar aufgeführt wurde und vollkommen in Vergessenheit geriet, das kann sich keiner erklären.

Veranstaltungshinweis

„Niemand“, inszeniert von Herbert Föttinger, Premiere am 1. September, 19.30 Uhr, Theater in der Josefstadt, Josefstädter Straße 26, 1080 Wien

Der Titel „Niemand“ bezieht sich auf Gott, dessen Abwesenheit oder Gleichgültigkeit von den Figuren im Stück immer wieder beklagt wird. Horvath setzt hier bereits seine berühmten Motive ein - die Armut, hervorgerufen durch die Wirtschaftskrise, die Menschen moralisch verkommen lässt, und Frauen, die neben der Armut auch noch unter dem Patriarchat leiden.

Rangeln um Uraufführung

„Niemand“ beschreibt eine gottlose, unbarmherzige Welt, in der die Not jede Moral frisst. Schon bei der Wiederentdeckung des Stücks stand fest, wie begehrt es sein würde, so die Tageszeitung „Die Presse“. Tatsächlich gab es ein Gerangel um die Uraufführung. Nicht nur das Wiener Burgtheater zeigte Interesse, auch Dresden und Amsterdam wollten die Premiere austragen. Nun inszenierte Herbert Föttinger, der Direktor des Theaters in der Josefstadt persönlich das expressionistische Werk mit einem 24-Personen-Ensemble.

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