E-Zigaretten: Vernebelte Sachlage

Seit Jahren liegen Dampfer und Wissenschaftler im Clinch. Über die Risiken von E-Zigaretten gibt es keine Einigung. Neue EU-Verbraucherschutzmaßnahmen in Form der Tabak-Verordnung preschen in ein unsicheres Feld vor.

Die E-Zigarette sorgt derzeit für viel Gesprächsstoff. Als Hilfe zur Raucherentwöhnung konzipiert, wurde sie in den vergangenen Jahren immer mehr zum Lifestyleprodukt, das mitunter bunte Blüten treibt. „Cloud-Chaser“ etwa können mit den Zigaretten kaum noch ähnelnden Dampfgeräten besonders kunstvolle Wolken zaubern und „Flavour-Chaser“ suchen das perfekte Aroma.

Wo das Dampfen als gesunde - oder wenigstens weniger ungesunde - Alternative zum Rauchen gilt, wundert man sich über Verbote, die es mit dem Tabak-Konsum gleichsetzen wollen - mehr dazu in E-Zigaretten immer öfter verboten.

Dampf

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Die E-Zigarette macht Menschen zu wandelnden Nebelmaschinen

Verkäufer beklagen gesetzliche Hürden

Schlürf- und Zischgeräusche entstehen, wenn Gene Amomonpon an seiner E-Zigarette zieht und es verbreitet sich ein süßlicher Dampf. Er eröffnete Anfang des Jahres das E-Zigaretten- und Liquid-Fachgeschäft „Tasty eJuice“ mit seinen Freunden Mladen Duric und Oliver Ott. Doch geplant war die Unternehmensgründung schon länger. „Wir haben schon vor ein paar Jahren mit dem Gedanken gespielt, nur sind immer wieder gesetzliche Hürden dazwischen gekommen.“, erzählte Ott.

„Es ist immer wieder ein Gesetz gekommen, das das erschwert hat, das ganze Geschäft. Dieses Jahr ist ja wieder was gekommen.“ Gemeint ist damit die EU-Tabak-Verordnung aus 2014, die im Mai dieses Jahres umgesetzt wurde. Neben Schockbildern auf Zigarettenpackungen sollte sie auch eine den Handel von E-Zigaretten und Zubehör auf Trafiken beschränken. Doch dieser Teil der Verordnung wurde bereits im Vorjahr vom Verfassungsgerichtshof gekippt.

Ott, Duric und Amomonpon

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Oliver Ott, Mladen Duric und Gene Amomonpon in ihrem Geschäft

Dampfer fühlen sich bevormundet

Darüber sind nicht nur Verkäufer erleichtert. Auch eine Dampferin in der trendigen „Dampfbar“ im Café Einstein möchte keine Trafik mehr betreten. „Es ist natürlich als Ex-Raucher sehr, sehr schwer wieder in eine Trafik gehen zu müssen“, sagte sie. Gegen gesetzliche Regulierungen und das Durchführen von Langzeitstudien hat sie allerdings nichts. „Man atmet das doch auch in die Lunge mit ein und es ist doch gut, wenn das reguliert wird. Sonst kann man da jede Chemie hineinpacken, damit es günstiger wird.“

Damit steht sie unter Dampfern ziemlich alleine da. „Schwachsinn!“, ärgert sich ein anderer „Dampfbar“-Konsument über die Einschränkungen. Auch in den Foren des ÖDC, des „Österreichischen DampferClubs“ fühlt man sich von den EU-Verbraucherschutzmaßnahmen bevormundet.

Risiko schwierig einzuschätzen

Der Online-Handel mit E-Zigaretten und Liquids wurde bereits verboten. Auch beworben werden dürfen die elektrischen Glimmstängel nicht mehr. Ab Oktober sollen die Liquids nur noch in kleinen Mengen verkauft werden dürfen - nicht mehr als 10 Milliliter - und müssen mit Beipackzettel kommen. Dieser muss über die Inhaltsstoffe und die beim Verdampfen entstehenden Stoffe aufklären. Außerdem wird der Nikotingehalt auf maximal 20 Milligramm pro Milliliter beschränkt.

Bei der Auflistung der Gesundheitsrisiken kann es jedoch schwierig werden, weil es derzeit noch keinen wissenschaftlichen Konsens über die potentiellen Risiken von E-Zigaretten gibt. So mancher britische Forscher hält das Dampfen für relativ ungefährlich im Vergleich zu Tabakrauch.

Nicht miteinander vergleichbar

Doris Marko, Vorständin des Instituts für Lebensmittelchemie und Toxikologie an der Universität Wien findet, man kann die Risiken der Zigarette nicht mit jenen der E-Zigarette vergleichen. Man könne es mangels Langzeitstudien einfach nicht abschätzen, meint sie. „Ich glaube, dass der Begriff der Zigarette vielleicht ein bisschen irreführend ist.“

Der größte Teil der krebserregenden Stoffe in Zigaretten sind Verbrennungsprodukte. Bei E-Zigaretten verbrennt nichts, stattdessen werden die Stoffe Propylenglykol, Glycerin, Aromen und fallweise Nikotin verdampft. Was den „Rauch“ oder besser gesagt den Dampf der E-Zigaretten erzeugt, sind Propylenglykol und Glycerin, Stoffe, die schon lange für Theaternebel eingesetzt werden. Marko weist auf Studien hin, die belegen, dass Menschen, die solchem Theaternebel dauerhaft ausgesetzt sind, häufig an Erkrankungen der Atemwege leiden.

Doris Marko

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Die Toxikologin Doris Marko rät zu Vorsicht bei E-Zigaretten und Liquids

Krebserregende Stoffe könnten entstehen

Beim Verdampfen können auch Stoffe entstehen, die der Hersteller gar nicht abgefüllt hat. Durch zu große Hitze - insbesondere wenn nur mehr wenig Liquid übrig ist - können aus einem harmlosen Lebensmittel- und Kosmetikzusatzstoff wie Propylenglykol plötzlich krebserregendes Formaldehyd und Acetaldehyd werden, die die Leber schädigen können. Aus dem Feuchthaltemittel Glycerin wird in dem Fall Acrolein, ein gefährliches Umweltgift, erklärte die Toxikologin.

Auch Nikotin hat viele negative Eigenschaften, die oft unterschätzt werden, wie Marko betont. So birgt es neben seinem großen Suchtpotential auch das Risiko einer Schädigung des Erbguts und es kann ebenfalls zu Krebs führen, erklärte sie. Nikotin wird üblicherweise sowohl mit der Zigarette als auch der E-Zigarette über die Mundschleimhaut und Lunge aufgenommen. Bei E-Zigaretten kann der Nikotingehalt allerdings beliebig reduziert oder sogar ganz weglassen werden.

Aromastoffe bereiten größte Sorge

Was Marko jedoch die größten Sorgen bereitet, sind die Aromastoffe, die für die Süße im E-Dampf verantwortlich sind. Vor allem selbst zusammengestellte Liquid-Mischungen sind ihr ein Dorn im Auge. „Wir wissen schon lange aus dem Bereich der Ernährung und Kosmetik, dass Aromastoffe nicht ganz so unbedenklich sind“, sagte sie. Auch die Liquid-Verkäufer Amomonpon, Duric und Ott gestehen ein, dass künstliche Aromen nicht gesund sind. Sie vergleichen das Dampfen mit Junkfood - ungesund, aber in Maßen harmlos.

Marko widerspricht: „Ein Stoff, der für die orale Aufnahme bewertet wurde und in einem gewissen Rahmen als unbedenklich betrachtet wird, der muss nicht unbedenklich sein, wenn ich ihn inhaliere“, sagt sie. Aromastoffe wie Diacetyl beispielsweise, der buttrig süß schmeckt und in über 70 Prozent der Liquids enthalten ist, kann beim Inhalieren zu Entzündungen der Bronchiolen führen, schreibt das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung.

Vereinzelt Verunreinigungen mit Schwermetallen

„Worüber man natürlich noch überhaupt gar nicht in dem Zusammenhang geredet hat, ist die Frage von Verunreinigungen“, sorgt sich Doris Marko und weist auf vereinzelte Funde von Schwermetallspuren in Liquids hin. Sie begrüßt das Verbot des Onlinehandels mit Dampfutensilien und die verstärkte Regulierung.

Auch die drei Händler des „Tasty eJuice“ sind für Verbrauchersicherheit. Doch sie finden, die EU-Tabak-Verordnung schießt über das Ziel hinaus. „Es ist schon richtig, dass die Sachen kontrolliert werden, dass keine Schadstoffe in den ganzen Liquids drinnen sind, aber so wie es gemacht wird, bringt man die Leute wieder zurück zur normalen Zigarette und das ist kontraproduktiv“, sagte Duric. Die meisten seiner Kunden berichten über eine Erleichterung ihre Atembeschwerden nach dem Umstieg auf die E-Zigarette.

Website Tasty eJuice

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Manche Verbraucherschutzmaßnahmen ergreifen die Verkäufer von selbst

Einigkeit bei Jugendschutz

Gerade deswegen befürchtet Marko, dass nicht nur ehemalige Raucher das Dampfen langfristig betreiben könnten. Auch Jugendliche und Kinder - von der bunten Aromenvielfalt und der vermeintlichen Ungefährlichkeit angezogen - könnten sich dem Trend anschließen und nach Jahren des Dampfens Schäden davon tragen - mehr dazu in Jugendschutz in Österreich lückenhaft (science.ORF.at).

Eine Sorge, die die meisten Verkäufer, wie Amomonpon, Duric und Ott für unbegründet halten. Sie gehen davon aus, dass beinahe alle Dampfer ehemalige Raucher sind und Nichtraucher sich gar nicht für E-Zigaretten interessieren. Dennoch ist ihnen der Jugendschutz ein wichtiges Anliegen. Sie würden ihre Produkte nicht an Minderjährige verkaufen. Alle ihre Liquids kommen in kindersicheren Verpackungen. Selbst ihre Homepage ist für Jugendliche unter 18 Jahren nicht zugänglich.

Unsicherheit auf beiden Seiten

Derzeit herrscht noch große Verunsicherung bei Verkäufern und Wissenschaftlern gleichermaßen, denn die Frage, ob das Dampfen wirklich weniger schädlich ist als Zigarettenqualm, lässt sich ohne die Ergebnisse von Langzeitstudien nicht zufriedenstellend beantworten. Die EU-Tabak-Verordnung lässt die Wogen weiter hochgehen. Beim ÖDC wittert man eine Verschwörung. Leidenschaftliche Dampfer lassen sich davon allerdings nicht beeindrucken. Das Geschäft mit den süßen Wölkchen läuft weiter.

Theresa Loibl, wien.ORF.at

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