Julius-Tandler-Ausstellung im Karl-Marx-Hof

Der Wissenschaftler und Stadtrat Julius Tandler war eine der prägendsten Persönlichkeiten im Gesundheitswesen der Zwischenkriegszeit. Eine Ausstellung im Karl-Marx-Hof widmet sich seinem Leben.

Anlässlich des 80. Todestages von Julius Tandler widmet „Das Rote Wien im Waschsalon Karl-Marx-Hof“ seine aktuelle Sonderausstellung dem Arzt, Wissenschaftler und Stadtrat für das Wohlfahrts- und Gesundheitswesen. Gezeigt werden auch Briefe aus dem im Josephinum befindlichen Nachlass.

System der „geschlossenen Fürsorge“

Julius Tandler, ab 1920 Stadtrat für das Wohlfahrts- und Gesundheitswesen, ist eine der zentralen Persönlichkeiten des Roten Wien. Unter seiner Ägide wird soziale Hilfe von einer „gewährten Gnade“ zum Rechtsanspruch für alle, die sie brauchen. Tandler entwickelt ein System der „geschlossenen Fürsorge“, das die Menschen von der Zeugung bis zum Tod erfasst.

Geboren wurde Tandler 1869 im mährischen Iglau. In Wien studiert er Medizin und folgt 1910 seinem Mentor Emil Zuckerkandl als Leiter des Anatomischen Instituts der Medizinischen Universität nach. Er sieht es als Aufgabe Krankheiten nicht nur zu behandeln, sondern sie vor allem zu verhindern. Er widmet sich daher immer weiter der Forschung und liefert dort einige wissenschaftliche Durchbrüche, wie das „Lehrbuch der systematischen Anatomie“, das zu den wichtigsten Werken eines Wiener Mediziners zählt.

Ziel antisemitischer Anfeindungen

Julius Tandler, der 1919 in den Wiener Gemeinderat gewählt wird, ist auch mit der Ausarbeitung eines bundesweiten Krankenanstaltengesetzes befasst. Damit wird die Verpflichtung des Staates, sich an den Kosten der Heilbehandlung sämtlicher Staatsbürger finanziell zu beteiligen, zum ersten Mal gesetzlich verankert. Ab 1920 ist Tandler als Stadtrat für das Wohlfahrts- und Gesundheitswesen für die Neuorganisation des Wiener Fürsorgewesens verantwortlich.

Julius Tandler, bleibt zeitlebens ein selbstbewusster und manchmal unbequemer Außenseiter. Legendär und gefürchtet ist sein bissiger Humor. Tandler, der zwar kulturell durch das traditionelle Judentum geprägt, aber keineswegs religiös und bereits 1899 zum katholischen Glauben konvertiert ist, sieht sich zeitlebens mit antisemitischen Anfeindungen konfrontiert.

Im Anschluss an antisemitische Zwischenfälle am Anatomischen Institut nimmt Tandler ein Angebot an nach China zu gehen. Bei seiner Rückkehr nach Wien wird er zunächst inhaftiert und anschließend zwangspensioniert. Seine letzten Lebensjahre verbringt Tandler auf Reisen, ehe er 1936 in Moskau stirbt.

Vertreter des Sozialdarwinismus

Doch auch Julius Tandler vertrat Themen der Nationalsozialisten. Er stellte Überlegungen zum Sozialdarwinismus und rechten Thesen von der Überlegenheit der „arischen Rasse“ an. Bereits 1924 publizierte Tandler solche Zeilen: „Welchen Aufwand die Staaten für völlig lebensunwertes Leben leisten müssten, ist daraus zu ersehen, dass die 30.000 Vollidioten Deutschlands dem Staat zwei Milliarden Friedensmark kosten. Bei der Kenntnis solcher Zahlen gewinnt das Problem der Vernichtung lebensunwerten Lebens an Aktualität und Bedeutung.“

Für die Wiener SPÖ gilt Tandler weiterhin als ein Gründervater der Stadt. Nach der Umbenennung des Dr.-Karl-Lueger-Rings in Universitätsring wurden jedoch Stimmen aus anderen Parteien laut, die eine kritischere Beleuchtung der Person Julius Tandler forderten. Ein Historiker-Team hat 2013 die Biografien von Persönlichkeiten studiert, nach denen in Wien Straßen benannt sind. Überprüft wurde, ob sie historisch belastet sind. Im Bericht kam auch Tandler vor - mehr dazu in 159 Straßennamen historisch belastet.

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