Studie: Asylwerber wollen Integration

Eine Studie, für die etwa 500 Asylwerber aus Syrien Afghanistan und dem Irak befragt wurden, zeigt einen großen Anteil mit hoher Bildung und eher liberaler Einstellung. Sie stammen meist aus der Mittelschicht.

Eine Studie Wiener Demografen attestiert den 2015 nach Österreich gekommenen Asylsuchenden ein „bemerkenswertes Integrationspotenzial“, so Studienautor Wolfgang Lutz. Insbesondere Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak seien gut gebildet, eher liberal eingestellt und stammten zumeist aus der Mittelschicht, zeigt die im Fachjournal „Plos One“ veröffentlichte, auf einer Umfrage basierende Studie.

Beinahe drei Viertel aus Syrien, Afghanistan und Irak

Knapp 88.100 Personen suchten der Studie zufolge 2015 in Österreich um Asyl an, rund 71 Prozent davon stammten aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. Auf diese Gruppe konzentrierte sich auch die Studie des Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital in Wien. Die Wissenschaftler interviewten dafür im November und Dezember des Vorjahres 514 Asylsuchende in Notquartieren in und um Wien.

Sie wurden zu ihrer Herkunft, Ausbildung und ihren beruflichen Erfahrungen, ihrem Familienstatus, ihren Einstellungen und Werten sowie ihren Zukunftsplänen befragt. Die Erhebung bezog sich dabei nicht nur auf die Asylsuchenden selbst, sondern auch auf ihre engste Familie, sodass Rückschlüsse auf insgesamt knapp 1.400 Personen gezogen werden konnten.

Ausbildungsstand Asylwerber

APA/Rainer Waxmann

50 Prozent haben zumindest AHS- oder Lehrabschluss

„Die Erhebungen zeigen, dass insbesondere die Befragten aus den Bürgerkriegsländern Syrien und Irak verglichen mit der Bevölkerung im jeweiligen Heimatland gut gebildet sind, wenig traditionelle Werteinstellungen vertreten und überwiegend aus Familien der Mittelschicht stammen“, fassten die Erstautorinnen der Studie, Isabella Buber-Ennser und Judith Kohlenberger, die Ergebnisse in einer Aussendung zusammen.

Beinahe die Hälfte der Befragten haben zumindest einen AHS- oder Lehrabschluss, etwa ein Viertel einen Tertiärabschluss, also etwa einen Bachelor oder eine mit der BHS-Matura vergleichbaren Ausbildung. Das entspreche etwa dem Anteil von Menschen mit postsekundärer Ausbildung in Österreich, so das Forschungsteam. „Die weit verbreitete öffentliche Annahme, Asylsuchende und Geflüchtete seien ungebildet oder gar AnalphabetInnen konnte in unseren Befragungen nicht bestätigt werden“, so Buber-Ennser.

Liberalere Ansichten als in arabischen Ländern

Hand in Hand mit dem hohen Bildungsniveau gehen nach Angaben der Wissenschaftler auch Werte und Einstellungen der befragten Personen, die sich insgesamt als weniger traditionell orientiert begreifen. Verglichen mit aktuellen Daten der „World Values Survey“, eine Erhebung, in der Einstellungen in arabischen Ländern etwa zu Religion oder Geschlechtergerechtigkeit abgefragt wurden, zeigten sich die Geflüchteten in Österreich als durchgehend liberaler eingestellt als die Bevölkerung in ihren Heimatländern. Der Großteil der Befragten sind Muslime, knapp ein Viertel gab an, nicht religiös zu sein.

54 Prozent der weiblichen Befragten und 48 Prozent der Männer stimmten der Aussage zu, bei geringem Jobangebot sollten Männer eher Anspruch auf einen Job haben als Frauen - das ist deutlich weniger als in den arabischen Ländern. Eine deutliche Mehrheit aller befragten Frauen (85 Prozent) und Männer (68 Prozent) stimmte der westlichen Werten entsprechenden Aussage zu, dass ein Job „für Frauen die beste Art ist, eine unabhängige Person zu sein“.

Integration als Ziel der Asylwerber

Die erhobenen sozioökonomischen Faktoren zeigten, dass die befragten Asylwerber „Menschen der Mittelschicht sind“, so Kohlenberger. So lebten vier Fünftel der Befragten vor ihrer Flucht im eigenen Haus oder im Haus ihrer Familie. Die meisten gaben zudem an, dass sie für ihre Flucht Kosten von über 2.000 US-Dollar aufbringen mussten - was einem Vielfachen des durchschnittlichen Jahreseinkommens in den jeweiligen Herkunftsländern entspricht.

Auch der Umstand, dass sich die überwiegende Mehrheit als gesund und arbeitsfähig einschätzt, lasse darauf schließen, dass die Geflüchteten aus besser situierten Schichten stammen, betonen die Studienautoren. 85 Prozent der Befragten gaben ihren Gesundheitszustand als „gut“ oder „sehr gut“ an. Auf Arbeitserfahrung in ihren Heimatländern können 72 Prozent der Befragten zurückblicken, wobei hier - im Gegensatz zum Bildungsstand - ein deutlicher Unterschied zwischen Männern (90 Prozent Arbeitserfahrung) und Frauen (42 Prozent) besteht.

Für den Direktor des Wittgenstein Centre, Wolfgang Lutz, sind die hohe Bildung, die eher liberale Einstellung und die Zugehörigkeit zur Mittelschicht in ihren Herkunftsländern „gute Voraussetzungen für eine gelingende Integration in unsere Gesellschaft“. Diese Integration ist offensichtlich auch das Ziel eines Großteils der Asylwerber: Zwei Drittel (67 Prozent) sagen, dass sie auch bei einer Stabilisierung der Situation in ihren Heimatländern nicht dorthin zurückkehren wollen, 22 Prozent würden das überlegen, und elf Prozent wissen es nicht.

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