„Goldenes Brett“ geht an „germanischen“ Arzt

Das „Goldene Brett vorm Kopf“ kürt den „größten antiwissenschaftlichen Unfug des Jahres“. Heuer geht der Negativpreis an den Mediziner Ryke Geerd Hamer, der 1995 das krebskranke Mädchen Olivia erfolglos behandelt hat.

Bereits zum sechsten Mal wurde am Dienstagabend in der Wiener Urania das „Goldene Brett“ verliehen: Der große „Gewinner“ des Abends war der ehemalige deutsche Mediziner und Erfinder der „Neuen Germanischen Medizin“, Ryke Geerd Hamer, er erhält das „Goldene Brett vorm Kopf“. In der Begründung der Gesellschaft zur Wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) heißt es, Hamer verbinde „gefährliche medizinische Ansichten mit wirren antisemitischen Verschwörungstheorien“.

Verleihung Goldenes Brett

GWUP

Bereits zum sechsten Mal wurde das „Goldene Brett vorm Kopf“ verliehen

Behandelte in Österreich krebskranke Olivia

Hamer ist in Österreich vor allem durch die Behandlung von Olivia Pilhar bekannt. In Abstimmung mit Olivias Eltern wurde die damals Sechsjährige, die an Krebs erkrankt war, nach den Methoden Hamers „Neuer Germanischer Medizin“ behandelt, Chemotherapie und Operation wurden abgelehnt, die Eltern flüchteten sogar aus Österreich, um die Behandlung weiterführen zu können. Nachdem den Eltern das Sorgerecht entzogen worden war, konnte, gegen deren Willen, der Tumor entfernt und das Mädchen erfolgreich behandelt werden.

„Weder der Entzug der Approbation als Arzt noch Haftstrafen konnten ihn bisher davon abhalten, seine wissenschaftlich haltlosen Ideen weiter zu verbreiten. Als Basis für seine Behauptungen dient nicht etwa wissenschaftliche Forschung, er beruft sich stattdessen auf angebliche übersinnliche Botschaften, übermittelt durch seinen verstorbenen Sohn“, heißt es in der Begründung für die Verleihung weiter.

Der Satirepreis wird seit 2011 jährlich von der GWUP vergeben. Gekürt wird der „skurrilste, haarsträubendste, dreisteste pseudowissenschaftlichste Nonsense-Beitrag des Jahres im deutschen Sprachraum“. Durch den Abend führte, wie schon in vergangenen Jahren, Fernsehjournalist Martin Thür. Neben Laudatios von Judith Denkmayr von „VICE“ und dem Psychologen und Journalisten Sebastian Bartoschek sorgte vor allem der Beitrag von Fritz Jergitsch und Sebastian Huber von der „Tagespresse“ für Unterhaltung im Publikum.

Jeder kann nominiert werden

Bis inklusive 22. September konnte man auf der Website der Veranstaltung Personen oder Institutionen nominieren, solange diese die Kriterien erfüllen. Darunter fällt beispielsweise der Grad der Abwegigkeit, das kommerzielle Interesse und noch weitere Punkte, wie zum Beispiel das Gefahrenpotenzial. Aus den zahlreichen Nominierungen wählt eine Fachjury letztendlich die drei Finalisten.

Neben Hamer waren auch der österreichische Kabarettist Roland Düringer und das Krebszentrum Brüggen-Bracht nominiert. Düringer, den meisten durch zahlreiche Bühnen- und Fernsehauftritte bekannt, erntet große Kritik für seine „Puls 4“-Talkshow, in der er Verschwörungstheoretiker und Alternativmediziner zu Wort kommen lässt. Er biete „gefährlichen antiwissenschaftlichen Behauptungen eine große Plattform“, heißt es auf der Website des „Goldenen Bretts“ - mehr dazu in „Goldenes Brett vorm Kopf“: Düringer nominiert.

Wie Hamer lehnt auch das Krebszentrum Brüggen-Bracht die Chemotherapie ab und bietet alternative Heilmethoden an. Im August 2016 verstarben drei dort in Behandlung befindliche Krebspatienten. Ihnen soll ein nicht zugelassenes Krebsmedikament verabreicht worden sein. Gegen den Leiter der Klinik, Klaus Ross, wird wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung ermittelt.

Verleihung Goldenes Brett

GWUP

Das „Goldene Brett“ ist als Negativpreis gedacht

Immer mehr Interesse in Deutschland

2015 ging der Preis an Stefan Lanka, der deutsche Biologe streitet die Existenz von Infektionskrankheiten wie AIDS oder Ebola ab und hat Bücher wie „Der Masern-Betrug“ herausgebracht. Auch Lanka steht der „Neuen Germanischen Medizin“ nahe. In den Jahren zuvor wurden beispielsweise die Organisation „Homöopathen ohne Grenzen“ für den Einsatz von Homöopathie in Krisengebieten oder der deutsche Popsänger Xavier Naidoo für sein Engagement für die Reichsbürgerbewegung „ausgezeichnet“ - mehr dazu in „Goldenes Brett vorm Kopf“ an Naidoo und in „Goldenes Brett vorm Kopf“ an Virenleugner.

Seit 2012 wird im Rahmen der Veranstaltung zusätzlich das „Goldene Brett fürs Lebenswerk“ verliehen, das heuer an die Website www.zentrum-der-gesundheit.de geht. Sie gilt als Informationsplattform, beschäftigt sich laut GWUP aber mit pseudomedizinischen Thesen. Bisher wurde der Satirepreis in Wien vergeben, diesen Dienstag gab es das erste Mal eine Parallelveranstaltung im Musikclub Uebel & Gefährlich in Hamburg, „als Reaktion auf das gestiegene Interesse in Deutschland“, erklärt Florian Aigner, Mitglied der Skeptikervereinigung GWUP.

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