„Kopfgeld“-Drohung bei Mafia-Prozess

Sieben Angeklagte sollen eine auf Schutzgelderpressung spezialisierte Mafia-Bande gebildet haben. Sie standen am Montagunter massiven Sicherheitsvorkehrungen vor Gericht. Auf Zeugen wurde ein „Kopfgeld“ ausgesetzt.

Wer im Landesgericht für Strafsachen die Verhandlung besuchen wollte, musste nach der üblichen Zugangskontrolle im Eingangsbereich eine unmittelbar vor dem Gerichtssaal errichtete zweite mobile Sicherheitsschleuse passieren. Ausweise wurden vom Verfassungsschutz fotografiert. Im Gerichtssaal selbst hatten sich mit Maschinengewehren bewaffnete WEGA-Beamte positioniert.

Hohe Polizeipräsenz zu Prozessbeginn

APA/Herbert Neubauer

Schon der Prozessauftakt im Oktober war schwer bewacht

Über ein Dutzend Justizwachebeamte, ebenfalls schwer bewaffnet und mit schusssicheren Westen ausgerüstet, verteilten sich im Raum, nachdem sie die Angeklagten vorgeführt hatten. Der Prozess läuft seit Oktober, am Montag wurde die Verhandlung fortgesetzt - mehr dazu in Prozess um Schutzgelderpressung vertagt.

Bis zu 200.000 Euro „Kopfgeld“

„Es haben sich Informationen verdichtet, die diese Maßnahmen zum Schutz der Angeklagten, der Zeugen und auch sonstiger Beteiligter erforderlich machen“, erläuterte Gerichtssprecherin Christina Salzborn gegenüber der APA. Außerdem soll ein „Kopfgeld“ von 150.000 bis 200.000 Euro auf einen Zeugen ausgesetzt worden sein. Das hält das Bundeskriminalamt in einem schriftlichen Bericht ans Gericht fest.

Die Drohungen gegen den Zeugen, der am 29. November vor dem Schöffensenat aussagen soll und der im Ermittlungsverfahren die Angeklagten belastet hatte, sollen im Landesgerichtlichen Gefangenenhaus gefallen sein. Ein Insasse dürfte mitangehört haben, als sich Mitgefangene in russischer Sprache über das „Kopfgeld“ unterhielten und eine konkrete Summe nannten.

Drohungen auch gegen andere Zeugen?

Wie die APA von anderer Seite in Erfahrung brachte, soll es auch in Richtung eines zweiten Zeugen ein konkretes Bedrohungsszenario geben. Man werde die Hauptbelastungszeugen „bei Gericht ausschalten“, jemand werde „eine Waffe ziehen“, soll es im Vorfeld der heutigen Verhandlung geheißen haben.

Die Justizwache nimmt die kursierenden Gerüchte jedenfalls sehr ernst, wie sich gleich zu Beginn der Verhandlung zeigte. Als sein Verteidiger dem Angeklagten D. einen Kugelschreiber übergeben wollte, wurde er daran gehindert. „Der braucht jetzt kan Kugelschreiber“, bemerkte ein Uniformierter, „das ist auch eine Waffe.“

Angeklagte weisen Vorwürfe zurück

Die sieben Angeklagten - sechs Männer und eine Frau - weisen den Vorwurf zurück, eine mafiöse Organisation gebildet zu haben. Laut Anklage sollen sie der kriminellen Vereinigung „Struja“ (auf Deutsch: Strom) angehört haben, als deren Kopf angeblich D. fungierte, den man in der „Balkan-Meile“ am Wiener Gürtel unter seinem Spitznamen „Edo“ kennt.

Schon vor rund zehn Jahren beschäftigte der gebürtige Bosnier die Kriminalisten, als im damals von ihm betriebenen Cafe „Cappuccino“ in Hernals ein Lokalbesucher erschossen und ein weiterer Mann schwer verletzt wurde. Der Mord konnte nie aufgeklärt werden, inwieweit der 38-Jahrige in die Schießerei verwickelt war, blieb rätselhaft.

„Unser gemeinsames Ziel war Sport“

Nun glaubt die Staatsanwaltschaft aber beweisen zu können, dass es sich bei dem Mann um „den Kopf einer kriminellen Vereinigung handelt, die auf die Erpressung von Schutzgeld und die Begehung weiterer schwerwiegender Straftaten ausgerichtet war“, wie in der Anklageschrift ausgeführt wird. „Eine kriminelle Vereinigung hat es nie gegeben und wird es nie geben. Unser gemeinsames Ziel war Sport“, hielt der Angeklagte dagegen. Er sagte zu Prozessbeginn, er kenne mit Ausnahme eines Mannes sämtliche männlichen Mitangeklagten aus einem von ihm betriebenen Boxverein und sei mit diesen gut befreundet.

Mit Schutzgelderpressung habe er nie auch nur ansatzweise etwas zu tun gehabt. Vielmehr habe er sich der Tschetschenen und aus Ex-Jugoslawien stammenden Burschen angenommen, die in seinem Verein trainierten: „Ich war der Älteste. Ich habe mich für die Integration eingesetzt. Ich habe Gutscheine für Deutschkurse verteilt. Ich habe die Leute in Turnsälen haben wollen. Ich habe sehr fleißig Sponsoren gesucht.“

Verteidiger kritisieren Fehler im Protokoll

Ehe die Einvernahmen der Angeklagten im Prozess um die angeblichen Schutzgelderpressungen fortgesetzt werden konnten, haben die Verteidiger das Hauptverhandlungsprotokoll kritisiert. Einige von ihnen halten die Verschriftlichung des ersten Verhandlungstags für unbrauchbar, weil es zu viele sinnentstellende Fehler enthalten soll.

Der Vorsitzende Richter sicherte zu, man werde das Protokoll zu gegebener Zeit mit Hilfe der Tonbandaufzeichnung auf mögliche Fehler „abklopfen“, setzte vorerst aber mit der Befragung der Angeklagten fort. Die Verhandlung ist vorerst bis 19. Dezember anberaumt. Mehrere Verfahrensbeteiligte gehen davon aus, dass vor Weihnachten keine Urteile ergehen werden.