Erni Mangold: Hauptrolle mit 90 Jahren

„Lassen Sie mich in Ruhe“ hat Erni Mangold ihr Erinnerungsbuch genannt. Diesen Gefallen wird man ihr am Donnerstag nicht machen. Die Kammerschauspielerin feiert ihren 90. Geburtstag auf der Bühne.

Inszeniert wird Colin Higgins’ Klassiker „Harold und Maude“ von Fabian Alder in den Kammerspielen der Josefstadt. Der ehemalige Volkstheater-Direktor Michael Schottenberg musste aus gesundheitlichen Gründen seine geplante Regie abgeben. Im Vorfeld hatte Schottenberg die große Mimin als „eine der größten Schauspielerinnen unserer Zeit, ein Monstrum an Wahrhaftigkeit“ gewürdigt.

„Jüngster Mensch, den ich kenne“

„Sie ist zornig, ungehobelt, zärtlich und voller Liebe. Und sie ist der jüngste Mensch, den ich kenne“, so Schottenberg. Mit „Harold und Maude“ kehrt Mangold nun an der Seite von Meo Wulf als Harold an jene Bühne zurück, an der sie 1946 ihr Debüt gab: Damals trat sie in „Pedro Pablo und die Gerechtigkeit“ auf der kleinen Studiobühne-Dependance in der Liliengasse auf, das Debüt am Haupthaus folgte im Jahr darauf in „Der Herr im Haus“ (in der Rolle der Mary Skinner).

Karrierestart im Theater in der Josefstadt

Erni Mangold wurde am 26. Jänner 1927 in Großweikersdorf geboren. Nach der Ausbildung an der Wiener Schauspielschule Krauss spielte sie von 1946 bis 1956 im Theater in der Josefstadt. Wie sie dabei einerseits als „Sexerl“ Karriere machte, andererseits ihre Abwehrtechniken bei den häufigen Zudringlichkeiten („Die Männer waren hinter mir her, dass es ein Graus war“) verfeinerte und sich dennoch an der Seite von Helmut Qualtinger oder Ernst Haas mit Verve ins Wiener Nachtleben stürzte, schildert sie im Buch „Lassen Sie mich in Ruhe“ ausführlich.

1956 ging sie für acht Jahre ans Deutsche Schauspielhaus Hamburg unter Gustaf Gründgens, danach ans Düsseldorfer Schauspielhaus unter Karlheinz Stroux. Zwischen 1965 und 1972 folgten weitere Engagements in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Parallel dazu entdeckte Mangold ihre Liebe zum „alternativen“ Theater. So trat sie etwa in der Wiener Kulisse auf, ehe sie 1981 von Hans Gratzer an das Wiener Schauspielhaus geholt wurde, später war sie die Entdeckerin des Dramatikers Werner Schwab.

Mangold feiert 90. Geburtstag auf der Bühne

70 Jahre Theater und Filmluft hat Erni Mangold geschnuppert. Am Donnerstag feiert sie ihren 90. Geburtstag und das, wie schon viele Jubiläen zuvor, auf der Bühne.

Vielfach ausgezeichnete Schauspielerin

Als „spezieller rarer Frauentyp“ wurde die facettenreiche Künstlerin, die bereits 1972 mit der Kainz-Medaille ausgezeichnet wurde, 1999 bei ihrer Ernennung zur Kammerschauspielerin gewürdigt. Neben eher klassischen Rollen wie der Marthe Schwerdtlein im „Faust“, der Lady Macbeth oder der Frau Muskat im „Liliom“ empfahl sich Mangold auch als grandiose Spezialistin fürs Skurrile wie in „Arsen und alte Spitzen“ oder für eigenwillige Kunstfiguren wie das alterslose „Schneewittchen“ in Elfriede Jelineks „Prinzessinnendramen“.

Für diese Rolle im Volkstheater gab es 2005 den Skraup-Preis und den „Nestroy“ als beste Nebendarstellerin. Neben ihrer Bühnenlaufbahn hat Mangold in weit über 100 Film- und Fernsehproduktionen mitgespielt, darunter Karl Hartls „Der Engel mit der Posaune“ (1948), O. W. Fischers „Hanussen“ (1955), Peter Patzaks „Kassbach“ (1979) oder Richard Linklaters „Before Sunrise“ (1995).

Eine Institution wurde die Schauspielerin, die mit Heinz Reincke verheiratet war, auch als Lehrerin. Sie unterrichtete am Salzburger Mozarteum (wo etwa Michael Schottenberg ihr Schüler war), der Wiener Schauspielschule Krauss und am Wiener Max Reinhardt Seminar, wo sie ab 1974 - zwischen 1983 und 1995 als ordentliche Hochschulprofessorin - den Nachwuchs ausbildete.

Erni Mangold bei „Stöckl“

Anlässlich ihres 90. Geburtstags war Schauspielerin Erni Mangold gemeinsam mit Kabarettist Josef Hader bei „Stöckl“ zu Besuch.

Eigenwilliger Puck im „Sommernachtstraum“

Zurückgezogen hat sie sich in den vergangenen Jahren jedoch nicht: In Schottenbergs Abschlussinszenierung am Volkstheater gab sie in Shakespeares „Sommernachtstraum“ einen eigenwilligen Puck, gemeinsam mit Daniel Sträßer spielte sie in Houchang Allahyaris Film „Der letzte Tanz“ im Jahr 2014, in dem sie sich als Geriatriepatientin einer zärtlichen Annäherung mit einem Zivildiener hingibt.

Auf der Bühne war sie zuletzt etwa in den „Kalender Girls“ bei der Sommernachtskomödie Rosenburg oder in Anna Polonis „La Pasada“ im Thalhof Reichenau zu erleben. An Preisen häufte sie in den vergangenen Jahren u. a. den Großen Schauspielpreis der Diagonale (2016), den Österreichischen Filmpreis für ihre Rolle in Houchang Allahyaris „Der letzte Tanz“ (2015), den Nestroy-Ring der Stadt Bad Ischl (2015) oder das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst (2012) an.

Straße nach Mangold benannt

Seit vielen Jahren bewohnt Mangold ein Bauernhaus im Waldviertel, seit ihrem 80er an einer Adresse mit ihrem Namen. Die Gemeinde Sankt Leonhard am Hornerwald widmete ihr den „Prof. Erni Mangold-Weg“. „Ich bin stolz auf meine Auszeichnungen, aber das war für mich das schönste Geschenk. Einen eigenen Straßennamen kriegt man ja für gewöhnlich nur posthum“, schreibt sie in „Lassen Sie mich in Ruhe“. Ruhestand kennt sie allerdings nicht: „Ich staune manchmal selbst, wie ich das alles schaffe. Schonen muss ich mich nicht für die paar Jahre, die da noch bleiben. Solange es mir gut geht, mach ich, was ich kann und will.“

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