Terror-Angeklagter will russischer Spion sein

In Wien hat am Mittwoch ein Hochsicherheitsprozess gegen einen mutmaßlichen Terroristen begonnen. Der Angeklagte soll mehrere georgische Offiziere getötet haben. Das wies er zurück und sagte, er habe als „Maulwurf“ gehandelt.

Der mutmaßliche Vertreter der radikal-islamistischen tschetschenischen Terrororganisation „Emirat Kaukasus“ hat sich im Wiener Landesgericht für Strafsachen „nicht schuldig“ bekannt. Der 38-Jährige erklärte, er habe bei den inkriminierten Geschehnissen im georgisch-russischen Grenzgebiet vom Sommer 2012 als Spion für Russland und nicht als Terrorist und Mörder gehandelt.

Angeklagter habe „Gröberes verhindert“

„Er hat terroristische Straftaten nicht begangen, sondern verhindert“, betonte Verteidiger Wolfgang Blaschitz zu Beginn des bis Mitte Juli anberaumten Geschworenenverfahrens. Der 38-Jährige sei nicht - wie von der Anklage unterstellt - an der Spitze einer tschetschenischen Kampftruppe gestanden, der es darum gegangen sein soll, in der russischen Teilrepublik Dagestan einzufallen und dort Anschläge zu verüben. „Er hat in Wahrheit Gröberes verhindert. Er war es, der den russischen Behörden einen Zund gegeben hat“, sagte Blaschitz.

Die Staatsanwaltschaft legt dem gebürtigen Tschetschenen, der 2005 nach Österreich gekommen war und der seit November 2009 als Konventionsflüchtling Asylstatus genießt, mehrfachen Mord im Rahmen einer terroristischen Vereinigung zur Last. Der 38-Jährige soll sich von Österreich aus in einer höherrangigen Funktion für das „Emirat Kaukasus“ betätigt haben, das einen unabhängigen islamistischen Gottesstaat im Nordkaukasus errichten möchte.

Anklage: Kommando über 17-köpfige Truppe

Konkret wird der 38-Jährige für den Tod dreier georgischer Beamte verantwortlich gemacht. Sie kamen bei einem Feuergefecht mit den tschetschenischen Rebellen ums Leben. Er soll im Auftrag des Drahtziehers des verheerenden Terror-Anschlags auf den Istanbuler Flughafen von Wien nach Georgien gereist sein. Dort soll er das Kommando über die 17-köpfige Truppe übernommen haben, die sich durchwegs aus jungen, in den EU-Raum geflüchteten Tschetschenen zusammensetze.

Der russische Geheimdienst bekam vom geplanten Grenzübertritt der tschetschenischen Terroristen Wind. Die Grenztruppen wurden verstärkt und die georgischen Behörden verständigt. Seitens der georgischen Behörden konnte schließlich Kontakt zu den Tschetschenen hergestellt werden. Man versuchte, diese von ihrem Vorhaben abzubringen. Die Verhandlungen zerschlugen sich allerdings.

Gezwungen als Informant zu arbeiten

Am frühen Morgen des 29. August 2012 kam es zu einem Feuergefecht, bei dem die drei Beamten ums Leben kamen. Der Angeklagte wurde dabei verletzt. Er schaffte es allerdings nach Österreich zurückzukommen.

Das wies der 38-Jährige nun entschieden zurück, nachdem sein Verteidiger über die Darstellung der Anklagebehörde gewitzelt und diese als „Geschichte, die man sich am heimeligen Herd erzählen mag“ bezeichnet hatte, die jedoch in einem Gerichtssaal „nichts verloren hat. Hier zählen nur Fakten“. Der Angeklagte behauptete, er habe seinerzeit für die Unabhängigkeit Tschetscheniens gekämpft, sei dann aber verwundet, inhaftiert und im Gefängnis gefoltert worden.

Um nicht umgebracht zu werden und aus Angst um das Leben seiner Angehörigen sei er schließlich auf ein Angebot eingegangen, zukünftig als Informant für den tschetschenischen Präsidenten Ramzan Kadyrow zu arbeiten: „Man hat mich dazu gezwungen.“

Brüstete sich mit Tat in Einvernahmeprotokoll

Vor diesem Hintergrund hätte er nach seiner Flucht nach Österreich im Asylverfahren falsche Angaben gemacht. Er sei dann im Sommer 2012 allein und ohne irgendeinen Auftrag nach Georgien geflogen, weil seine Schwester entführt worden sei und er ihre Freilassung bewirken wollte. Dort hätte er dann von einer geplanten Aktion von jungen Tschetschenen erfahren: „Das war eine Gruppe von jungen Leuten, die lange davon geträumt haben zu kämpfen. Sie haben es als Chance gesehen.“

Diesen hätte er sich angeschlossen - jedoch nicht aus Überzeugung und schon gar nicht als Kommandant, sondern als „Maulwurf“. Vor Erreichen des russischen Territoriums habe er eine SMS an Islam Kadyrow, den Bruder des tschetschenischen Präsidenten, geschickt und diesen gewarnt, gab der Angeklagte zu Protokoll. Daraufhin wurden georgische Spezialkräfte eingeschaltet. Er selbst habe am Feuergefecht mit den georgischen Soldaten aber gar nicht teilgenommen, sondern sich vor der Schießerei abgesetzt, versicherte der 38-Jährige.

Handyvideo widerlegt Spion-Äußerung

Entgegen seiner nunmehrigen Verantwortung hatte der Mann im Februar 2013 dem Wiener Landesamt für Verfassungsschutz gestanden, aus freien Stücken am Feuergefecht im Lopota-Tal mitgewirkt zu haben. Dabei brüstete er sich laut Einvernahmeprotokoll, es wären wesentlich mehr als drei Georgier getötet worden.

Seiner Darstellung, er sei in Wahrheit ein Spion für Russland und kein tschetschenischer Terrorist, steht zumindest auf den ersten Blick die Auswertung seines Handy entgegen. Dort fand sich ein Video, auf dem der 38-Jährige unmittelbar nach dem Feuergefecht als Kommandant der tschetschenischen Kämpfer auftritt und seine Beweggründe für die vorangegangene Aktion offenlegt. Damit konfrontiert, erklärte er, das Video sei nicht ernst gemeint: „Das musste ich machen. Das ist Politik.“

Frage um Zuständigkeit

Auf die Frage, weshalb Vorgänge an der russisch-georgischen Grenze ein österreichisches Gericht beschäftigen, obwohl der Angeklagte kein österreichischer Staatsbürger ist, war der Staatsanwalt bereits zu Beginn der Verhandlung eingegangen. „Österreich kann und darf nicht akzeptieren, dass es zu einem Rückzugs- und Zufluchtsort für Terroristen wird, die hier ungeschoren und unbehelligt leben können“, unterstrich der Ankläger. Die Beteiligung des Angeklagten an terroristischen Vorhaben sei „durch viele Beweismittel gesichert“.

Verteidiger Wolfgang Blaschitz war demgegenüber überzeugt, dass das inkriminierte Geschehen gar nicht in die Zuständigkeit eines österreichischen Gerichts fällt: „Nicht alles, was sich auf der Welt tut, ist in Österreich strafbar.“ Die Zuständigkeit wäre bei Mordverdacht dann gegeben, wenn das Delikt als terroristische Straftat begangen bzw. von einer terroristischen Zielsetzung getragen wird. Für Blaschitz ist beides auszuschließen. Die Verhandlung wird am kommenden Freitag fortgesetzt. Das Urteil ist für 13. Juli geplant.