Mindestsicherung: Härtere Sanktionen

Rot-Grün hat am Dienstag das neue Mindestsicherungsmodell für Wien präsentiert. Es sieht keine generellen Kürzungen oder Deckelungen vor, enthält jedoch strengere Voraussetzungen - etwa für jüngere Bezieher.

Künftig wird etwa die Bereitschaft, eine Beschäftigung oder ein Kursangebot anzunehmen, ein Kriterium. Auch wenn Eltern bereits Sozialhilfe beziehen, gibt es unter bestimmten Umständen weniger. Wien schafft - wie heute in der Pressekonferenz von Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) betont wurde - damit als erstes Bundesland „Mindeststandards“ für junge Erwachsene bis 25 Jahre. Dazu wird ein eigenes Jugendunterstützungsgesetz geschmiedet.

Häupl: Armut, nicht Arme bekämpfen

Gleichzeitig werden die Kurs- und Ausbildungsangebote sowie die Betreuung durch Sozialarbeiter verstärkt. Das neue Gesetz soll im Herbst beschlossen werde und Anfang 2018 in Kraft treten. Die Wiener Mindestsicherung (WMS) wurde angesichts des Wegfalls der bundesweiten Regelung notwendig. Der nunmehrigen Einigung gingen monatelange Verhandlungen voraus. Es handle sich um kein „Sparpaket“, wurde versichert. „Nicht die Armen, sondern die Armut wollen wir bekämpfen“, beteuerte Häupl.

Grafik zur Mindestsicherung

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Stadt Wien

659,2 Millionen im Vorjahr ausbezahlt

In Wien wurden im Vorjahr insgesamt 659,2 Mio. Euro ausbezahlt, wie Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) berichtete. Insgesamt bezogen 194.875 Menschen Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS). Nicht ganz die Hälfte davon waren nicht österreichische Staatsbürger, rund 44.000 davon wiederum Asylberechtigte. Für 2017 zeigen aktuelle Monatszahlen einen weiteren Anstieg.

Ob man heuer erneut eine Nachdotierung zum Voranschlag braucht, ist laut Frauenberger aber noch offen. Angaben darüber wären zumindest derzeit noch „reine Spekulation“, versicherte sie. Lediglich knapp zehn Prozent sind in Wien Vollbezieher, der Großteil bezieht Ergänzungsleistungen zu anderen Einkünften. Alleinstehende erhielten jedenfalls 837,76 Euro pro Person, Paare insgesamt 1.256,64 Euro.

Zentrale Anlaufstelle für Menschen unter 25

Im Zuge der Neuregelung wurden einige Bezugskriterien geändert, etwa für Junge. Unter bestimmten Voraussetzungen erhalten sie nur noch 75 oder 50 Prozent des Normalbetrags. Das kann etwa damit zusammenhängen, dass ihre Eltern bereits Mindestsicherung beziehen oder sie keine Ausbildungs- oder Jobangebote in Anspruch nehmen. Damit wolle man die Arbeitsanreize verstärken, Dauerabhängigkeit solle vermieden werden, hieß es.

Sandra Frauenberger Birgit Hebein

APA/Hans Klaus Techt

Sozialsprecherin Birgit Hebein (Grüne) und Sozialstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ)

Betroffene sollen aber auch intensiver betreut werden. So wird es etwa eine zentrale Anlaufstelle für Menschen unter 25 geben, wo sie vom AMS und dem Magistrat gemeinsam beraten werden. Gleichzeitig werden die Wiener Jugendunterstützung „Back to the Future“ fortgeführt und Beschäftigungsmaßnahmen verstärkt, wurde versprochen. Außerdem gibt es künftig einen „Beschäftigungsbonus“.

Dabei werden bei Ergänzungsleistungen Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht mehr angerechnet - die bisher in den betroffenen Monaten oft zur Einstellung der Leistung führen. Außerdem werden Menschen, die eine gewisse Zeit berufstätig sind, mit einer Extrazahlung belohnt.

Aufteilung auf zwei Konten möglich

Teilweise werden Zuwendungen auch in Richtung Sachleistungen verlagert. So werden etwa die Sonderzahlungen für Dauerleistungsbezieher mit befristeter Arbeitsunfähigkeit gestrichen. Diese Zielgruppe erhält stattdessen Zugang zu Unterstützungsleistungen („Case Management“) der Wiener Gebietskrankenkasse. Auch die Möglichkeit einer direkten Überweisung ist künftig vorgesehen. Sprich: Miete oder Energiekosten werden von der Behörde unmittelbar beglichen.

Auch ist in Zukunft bei Familien die Auszahlung auf zwei Konten möglich. Das soll vor allem eine mögliche Benachteiligung von Frauen verhindern. Bezieher der Wiener Mindestsicherung müssen auch bereit sein, an Integrationsmaßnahmen mitzuwirken. Sanktionen sollen generell zeitnaher und intensiver erfolgen. Die Daten zur Mindestsicherung sollen zudem noch transparenter und außerdem regelmäßig veröffentlicht werden - um einer „Mythenbildung“ vorzubeugen, wie es hieß.

Hebein, Frauenberger, Vassilakou, Häupl

APA/Hans Klaus Techt

Birgit Hebein (Grüne), Sandra Frauenberger (SPÖ), Maria Vassilakou (Grüne), Michael Häupl (SPÖ)

Vassilakou: Maßgeschneidertes System

Bürgermeister Häupl verwies auf die Bedeutung der Mindestsicherung: „Sie ist für uns ein wichtiges Instrument der Armutsbekämpfung.“ Kritik an ihr komme oft von Leuten, die „bei einem Abendessen mehr Geld ausgeben, als andere einen ganzen Monat zur Verfügung haben“. Die Schuld am Scheitern der bundesweiten Regelung liegt laut Häupl jedenfalls eindeutig bei der ÖVP. Diese habe die Mindestsicherung „bewusst zerstört“.

Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) lobte die nunmehrige Regelung als maßgeschneidertes System, das die Motivation schaffe, das System der Mindestsicherung rasch wieder zu verlassen. Wien gehe den Weg der Kürzung nicht mit: „Unsere Stadt lässt niemanden im Stich.“

Lob für die nun präsentierte Lösung gab es am Dienstag auch von Caritas und Volkshilfe. Wien setze Schritte, um die Mindestsicherung zukunftstauglich auszugestalten, befand etwa Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner in einer Aussendung - wobei er gleichzeitig das Aus für Sonderzahlungen bei befristet Arbeitsunfähigen kritisch sah.

Opposition übt Kritik

ÖVP und FPÖ beklagten hingegen, dass keine Kürzungen vorgenommen werden. Der blaue Vizebürgermeister Johann Gudenus bezeichnete das Modell schlicht als „Witz“: „Wien bleibt also weiterhin der Magnet für illegale Zuwanderer, die hier die volle Summe und damit die höchsten Sozialleistungen Österreichs ausbezahlt bekommen, ohne selbst jemals etwas in das System eingezahlt zu haben.“ Für Wiens ÖVP-Chef Gernot Blümel betreibt Rot-Grün mit „oberflächlicher Kosmetik“ lediglich eine Problemverschärfung, wie er in einer Aussendung befand.

NEOS kritisierte unter anderem, dass keine Wartefrist für Asylberechtigte aus den Bundesländern vorgesehen sei. Bei der heutigen Präsentation wurde erläutert, warum man sich dagegen entschieden hat: Laut Stadt kämen viele auch wegen der hier vorhandenen Communitys nach Wien - und nicht nur wegen höherer Mindestsicherung. Daran würde auch eine Wartefrist wenig ändern, hieß es.

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