Schaulustige behindern auch Rettungshelikopter

Die Schaulustigen bei Rettungseinsätzen werden immer mehr zum Problem. Das bekommt auch die Crew des ÖAMTC Rettungshubschraubers „Christophorus 9“ zu spüren. Die Gaffer würden sogar aufmüpfig auf Wegweisung reagieren.

Seit 5. April ist der „Christopherus 9“ am Dach der neuen Zentrale des Automobilclubs in der Baumgasse im dritten Bezirk stationiert. Bis Anfang August hat die Rettungsmannschaft von dort etwa 700 Einsätze geflogen, „Wien heute“ konnte einen Einsatz begleiten.

Schaulustige „steigen über den Patienten drüber“

Es ist 10.52 Uhr in der Zentrale, die Besatzung des „Christophorus 9“ hat bereits vier Einsätze geflogen. Kurz wäre Zeit zur Erholung, doch sofort kommt schon der nächste Alarm und es geht zu einem neuen Einsatz in Neustift bei Altlengbach.

Pilot Gerold Hofbauer fliegt seit 15 Jahren Rettungshubschrauber. Einsätze in der Stadt sind immer schwierig, meint er. Am mühsamsten sind aber inzwischen schaulustige und ignorante Passanten: „Klassische Situation wäre zum Beispiel, wenn man einen Patienten am Gehsteig versorgen muss. Man kann daneben landen, dann kommen Leute vorbei, steigen über den Patienten drüber und haben nicht einmal den Anstand, dass sie wirklich einen großen Bogen herum gehen oder stehenbleiben“.

Gaffer fühlen sich auf den Schlips getreten

Rund zwei- bis dreihundert Menschen filmten und fotografierten einen Straßenbahnunfall in Simmering Anfang Juli. Das Verhalten sorgte bei Polizei und Feuerwehr für Aufregung - mehr dazu in Nach Unfall: Polizei warnt Schaulustige. Für die Rettungssanitäter, die mit voller Konzentration arbeiten, ist das nicht immer eine leichte Situation.

Oft muss die Polizei einschreiten und die Leute weghalten, „sonst kann man nicht in Ruhe arbeiten“, so Hofbauer. Flugretter Rene Adler ist Sanitäter, Copilot und auch für die Sicherheit am Boden zuständig. Er hat regelmäßig mit Gaffern und Selfie-Fotografen zu tun: „Die Reaktionen sind total unterschiedlich. Einige Leute fühlen sich dann vor den Schlips getreten, sind dann vielleicht etwas aufmüpfig oder frech. Zu einem gewissen Grad stumpft man dann ab, weil man auch gar keine Zeit hat, sich darauf zu fokussieren.“

Psychologen sprechen von „Bystander-Effekt“

Die Psychologin Brigitte Lueger-Schuster von der Universität Wien sieht mehrere Gründe für das Verhalten der Schaulustigen. Vor allem die Anonymität der Großstadt würde da zu tragen kommen. „Da gibt es einen Effekt, der heißt Bystander-Effekt oder Zeugen-Effekt. Je mehr Menschen sich versammeln, desto stärker wirkt die Gruppendynamik und desto größer wird die Anonymität“ - mehr dazu in Psychologin: Schaulustigen fehlt Empathie.

Der Einsatz in Neustift ist vorbei, bevor er überhaupt richtig begonnen hat. Der abgestürzte Bauarbeiter, der anfangs seine Beine nicht mehr spürte, kann doch vom Rettungswagen versorgt werden. Die Crew von „Christophorus 9“ dreht ab und fliegt zum Stützpunkt zurück - bereit für neue Einsätze. Hoffentlich ohne Behinderung durch Schaulustige.

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