Politik wirbt für Wien als EMA-Sitz

Österreich hat am Montag in Brüssel seinen Werbefeldzug für die Übersiedlung der EU-Arzneimittelagentur EMA nach Wien fortgesetzt. Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner und Finanzstadträtin Renate Brauner (beide SPÖ) priesen dabei die Vorzüge Wiens.

Rendi-Wagner bekräftigte, dass die EMA 25 Jahre lang im Fall einer Übersiedlung nach Wien für den Standort nichts bezahlen müsse. Auch den Familien der bei der EMA Beschäftigten würden zahlreiche Vorteile angeboten sowie für deren Kinder internationale Schulen bereitgestellt.

Auf die Frage eines gemeinsamen Vorgehens von Wien und Bratislava winkte Rendi-Wagner ab. „Zu allererst sind wir für Wien als nächsten EMA-Standort. Neu zu schaffende Agenturen könnten für die neuen EU-Mitgliedsstaaten diskutiert werden, aber die EMA ist eine bereits existierende und die zweitgrößte in der EU“.

Brauner: „Yes, Vienna can“

Brauner sagte zur Bewerbung Wiens in Anlehnung an einen früheren Wahlkampfslogan des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama, „Yes, Vienna can“. Immerhin sei Wien „die Nummer drei der Kongressstädte in der ganzen Welt“. Sie hob auch die Internationalität der Donau-Metropole hervor. „190 Nationalitäten sind in Wien versammelt, die Geschäfte machen“. Deshalb „wir sind kein Neuling, wir wissen, wie man mit internationalen Organisationen umgeht“.

Darüber hinaus habe Wien eine Menge zu bieten - neben Musik, Wiener Kaffeehaus und Kunst. Brauner: „Wir wissen über die Notwendigkeiten für solche internationalen Organisationen Bescheid“.

Die Ministerin und Brauner präsentierten die Bewerbung in der ständigen Vertretung Österreichs in Brüssel, zu der der neue EU-Botschafter Nikolaus Marschik unter anderem Medienvertreter, Diplomaten, Beamte der EU-Kommission und Vertreter der Arzneimittelverbände eingeladen hatte - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Sitz der EMA hat knapp 900 Mitarbeiter

Um den neuen Sitz der EMA mit knapp 900 Mitarbeitern ist unter den EU-Mitgliedstaaten ein prestigeträchtiges Rennen entstanden. 19 Städte, darunter Wien, wollen neuer Sitz der EU-Arzneimittelagentur werden. Neben Wien rechnen sich insbesondere Stockholm, Kopenhagen, Amsterdam und Mailand gute Chancen aus.

Die EU-Kommission will die Bewerbungen bis zum 30. September prüfen, aber nach Angaben von Diplomaten keine engere Auswahl in Form einer „Shortlist“ treffen. Somit fällt die Entscheidung voraussichtlich erst im November im EU-Ministerrat in einer geheimen Abstimmung.

Life Sciences in Wien würden gestärkt

Jürgen Janger vom Wirtschafts-Forschungsinstitut (WIFO) nennt zwei Effekte: „Der erste ist ein rein wirtschaftlicher. Sie werden natürlich die Mitarbeiter in Wien haben, die zu Mehrausgaben führen. Viele Wissenschafter und Experten aus der ganzen EU werden zusätzlich jedes Jahr nach Wien kommen, um über Medikamentenzulassungen zu beraten.“ Der zweite Effekt sei eher mittelfristig, strukturell. Die Ansiedlung der EMA könnte dazu führen, dass sich verstärkt Pharma-Unternehmen in Wien ansiedeln. Ein Effekt, wie er auch in England zu beobachten war.

Die räumliche Nähe birgt Vorteile für alle Beteiligten. Zum einen könne man Fragen bei der Zulassung von Medikamnenten vor Ort klären und damit Zeit gewinnen. Zum anderen gehe es aber auch um wissernschaftliche Beratung, die die EMA anbiete: „Zum Beispiel bei der klinischen Voruntersuchung von Medikamenten. Und das kann auch dazu führen, dass Medikamente schneller auf den Markt kommen. Das ist natürlich gerade im Pharmabereich das Um und Auf“, so Janger.

Und das wäre nicht nur für große bestehende Unternehmen, sondern auch besonders für Startups in Wien und Österreich wichtig. Sie könnten vielleicht mit ihren Produkten schneller auf den Markt kommen. Das würde den gesamten Bereich der Life Sciences in Wien stärken und auch dazu führen, dass vermehrt Start ups in den Bereichen Medizin und Biotechnologie gegründet werden.

Pharmig-Chef sieht „Impuls für Jahrzehnte“

Das sieht man auch bei der Pharmig, der freiwilligen Interessenvertretung der Pharmaindustrie in Österreich, so. Dort rührt man seit Monaten die Werbetrommel für Wien als EMA-Standort. Pharmig-Geschäftsführer Jahn Oliver Huber: „Wir sehen, dass diese Zusammenarbeit und Kommunikation von Pharmaindustrie, Start up-Szene und Forschern sehr gut funktioniert, und das würde nochmal dem gesamten Standort einen Impuls für Jahrzehnte geben.“

Impulse würden auch von Firmen kommen, die neu nach Wien ziehen. Denn mit der EMA würden nicht nur Pharmafirmen und ihre Abteilungen für Zulassungen nach Wien kommen, sondern auch Beratungsunternehmen und Lobbyingfirmen. „Ich meine hier, dass sehr viele Experten, was die Zulassung, die Arzneimittelsicherheit betrifft, mit ihren eigenen Unternehmen auch nach Wien kommen würden“, so Huber. Sicherlich werde es auch klassisches Lobbying geben.

Experten geben Wien gute Chancen

Sowohl WIFO-Experte Janger als auch Pharmig-Geschäftsführer Huber räumen der Bewerbung Österreichs keine schlechten Chancen ein. Die Entscheidung werde letztlich wohl eine politische sein, so Huber: „Ich gehe davon aus, dass wir hier auf politischer Ebene entsprechende Allianzen schmieden müssen, das müssen wir jetzt schon tun. Das tun aber alle Länder derzeit. Am Ende des Tages ist es ein politisches Spiel, wer gewinnen wird.“

Ebenfalls entschieden werden muss der neue Sitz der Europäischen Bankenaufsicht (EBA), die im Zuge des Brexit auch von London übersiedelt. Für die EBA gilt Frankfurt weithin als Favorit. Auf die EBA angesprochen sagte Rendi-Wagner, „ich habe als Gesundheitsministerin natürlich eine klare Präferenz. Doch Österreich hat zwei Bewerbungen abgegeben. Ich persönlich bevorzuge die EMA“.

FPÖ kritisiert Rendi-Wagner

Die FPÖ griff Rendi-Wagner wegen der Bewerbung für die EMA scharf an. Die freiheitliche Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch sprach in einer Aussendung von „fünf Millionen an Voraussubvention“, mit der die Ministerin „mit einer typischen sozialistischen Umwegrentabilitätsrechnung gerechtfertigt“, die EU-Behörde nach Wien locken wolle. Österreich als „Mega-Nettozahler in die Finanztöpfe nach Brüssel“ solle „hier wieder doppelt abgezockt werden“, prophezeite Belakowitsch.

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