Wahlplakate im Wandel der Zeit

„Es ist Zeit“, „Holen, was Ihnen zusteht“ und „Fairness“ - solche Aussagen zieren die Plakate für die Wahl am 15. Oktober. Bis zu 1.100 darf jede Partei in Wien aufstellen. Die Machart hat sich in den letzten Jahren kaum geändert.

„Natürlich gibt es Unterschiede, wie sich die einzelnen Parteien positionieren, welche Themen sie aufgreifen, und was gerade aktuell in der Politik diskutiert wird“, erklärt Werbeforscher Jörg Matthes von der Universität Wien. „Aber wenn Sie sich jetzt die Machart der Plakate anschauen, so liegt nach wie vor ein großer Schwerpunkt auf der Personalisierung, auf dem direkten oder indirekten Angriff des politischen Gegners, und der Bekanntmachung von bekannten Botschaften.“ Das habe sich in den letzten zehn, fast zwanzig Jahren kaum verändert.

40er Jahre

Maximal 1.100 pro Partei in Wien

Die Bedeutung von Plakaten im Wahlkampf sei trotz des Anstiegs der Social-Media-Nutzung nicht zu vernachlässigen, meint Matthes: „Sie signalisieren ihren Wählern zunächst, dass eine Wahl ansteht. Das heißt, sie mobilisieren die Menschen - und auch die Menschen, die wenig mit Politik in Berührung kommen.“ Denn mit Werbung im öffentlichen Raum könnte man auch Leute erreichen, die keine Zeitung lesen oder Nachrichtensendungen sehen.

Unbeschränkt plakatieren dürfen die Parteien jedoch nicht. Jeder Standort muss von der MA 46 (Verkehrsorganisation und technische Verkehrsangelegenheiten) unter Einbeziehung der Polizei genehmigt werden, pro wahlwerbender Partei dürfen maximal 1.100 Wahlwerbeständer aufgestellt werden. Die rechtliche Grundlage dafür sei „die Verordnung des Magistrats der Stadt Wien betreffend die Freihaltung des Stadtbildes von störenden Werbeständern“, heißt es bei der MA 46.

50er Jahre

90 Prozente durch Plakate erreicht

Im Zentrum einer Plakatkampagne steht die Personalisierung, also dass die Spitzenkandidaten der jeweiligen Parteien im Vordergrund stehen, sagt Matthes. „Die Plakate dienen dazu, die Kandidaten bekannt zu machen. Das heißt also, die Person mit den Inhalten, Botschaften, Wahlversprechen zu verknüpfen, damit die Wählerinnen und Wähler wissen, wofür der Kandidat oder die Partei steht, und schlussendlich auch ein Urteil zu fällen, ob mir ein Kandidat sympathisch ist.“ Die Wahlversprechen werden in einer Art und Weise transportiert, die jeder versteht.

Laut dem Werbeforscher werden bis zu 90 Prozent der Bevölkerung durch Plakate erreicht. „Man kann die Plakate nicht vermeiden. Das ist unmöglich. Ich kann einen Werbeblock im Fernsehen vermeiden, ich kann im Internet vermeiden, mich politischen Inhalten auszusetzen, aber bei der Plakatwerbung ist es unmöglich.“ Es sei jedoch nicht möglich, Menschen mit Plakaten zu überreden. Jemand, der nichts von einer Partei hält, würde durch ein Plakat nicht plötzlich seine Meinung ändern, sagt Matthes. „Das geht nur mit anderen Kanälen.“

60er und 70er Jahre

Nicht verstören oder unethisch sein

Wahlplakate müssen sich gegen zahlreiche andere Werbungen durchsetzen können, nicht nur für die Wahl, sondern auch für Produkte. Es sei daher wichtig, dass man ein Wahlplakat schon im Vorbeigehen verstehen muss. Es dürfe auf keinen Fall verstörend und unethisch wirken. Plakate können aber auch übersättigen: „Menschen, die sich mit Politik auskennen, die die Kandidaten kennen und wissen, wofür sie stehen, für die sind die Plakate verhältnismäßig nutzlos und können natürlich als störend empfunden werden.“

Das sei jedoch üblich, denn Werbeschaltungen sollen immer eine riesige Gruppe an Menschen erreichen. Eine Teilgruppe würde dadurch immer gestört werden, meint Matthes. Im Internet ist die Zielgruppenoptimierung leichter, da durch Algorithmen und Daten im Hintergrund viel spezifischer angegeben werden kann, wer genau erreicht werden soll.

80er und 90er Jahre

„Danke“-Pickerl bedeutungslos

Eine Aussage hätten auch die Beschmierungen, es sei jedoch nicht ganz klar, wie sie sich auswirken und welche Folgen sie haben. Es würde, so Matthes, jedoch einen Aufmerksamkeitswert haben. „Es spricht vieles dafür, dass das Beschmieren von Plakaten im öffentlichen Raum signalisiert, dass die Ansichten des beschmierten Kandidaten oder Partei nicht von allen Menschen geteilt werden.“

Überschätzen sollte man das jedoch nicht, meint Matthes. „Für einen relativ geringen Teil der Wählerschaft gibt es gewisse Entscheidungshilfen, wie ich meine Stimme vergebe. Für diesen könnte es sein, dass es als Hinweisreiz gesehen wird, besser nicht diese Partei zu wählen, weil die Mehrheit der Bevölkerung das nicht so sieht.“

2000er bis heute

Die „Danke“-Pickerl nach der Wahl seien laut Matthes übrigens politisch relativ bedeutungslos. „Nach der Wahl sind die Wählerinnen und Wähler in einer anderen Stimmungssituation, da gibt es einen Spannungsabfall. Das ist ein Signal an die eigenen Anhänger, um sie bei der Stange zu halten.“

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