Bis zu 14 Jahre Warten auf Philharmoniker-Abo

Wer ein Konzertabo für die Wiener Philharmoniker im Musikverein will, braucht viel Geduld: Die Wartezeit beträgt bis zu 14 Jahre. Um auf der Warteliste nicht abzurutschen, muss man jedes Jahr wieder pünktlich einen Antrag stellen.

Im Kartenbüro der Wiener Philharmoniker am Kärntner Ring steht ein Regal mit vielen dicken Ordnern: „Abo-Ansuchen“ steht darauf, zwei Ordner sind es pro Saison. Immer zwischen März und Mai müssen die Aboanwärter ein neuerliches schriftliches Ansuchen schicken. Verpassen sollten sie diese Frist nicht: „Man verliert natürlich sonst dieses Jahr und fällt in der Reihung zurück“, erklärt Kartenverwalter Benjamin Schmidinger, der bei den Philharmonikern auch Schlagzeuger ist.

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Ein ganzes Jahrzehnt hat Arnold Dohr auf sein Abo gewartet

Zehn Jahre lang hat Arnold Dohr eine Erinnerung in seinen Kalender geschrieben, damit er nicht auf die Frist vergisst. Und in dieser Saison hat es mit dem Abo nun endlich geklappt. Ans Aufgeben hat er aber nie gedacht, das Orchester bedeutet ihm viel: „Wenn man den Wiener Philharmonikern zuhört, dann versteht man einfach, was der Komponist wollte“, beschreibt Dohr. „Das hat bei mir schon öfters zu einer Erweiterung des Bewusstseins geführt und hat mir auch neue spirituelle Dimensionen und Horizonte erschlossen.“

Abos dürfen nicht vererbt werden

An die 500 Absagen hat das Kartenbüro der Wiener Philharmoniker auch heuer wieder verschickt. Die Abos werden auf Lebenszeit vergeben, frei werden Plätze daher in der Regel nur, wenn jemand stirbt oder ins Ausland zieht. Vererben darf man sein Abo nicht - „sonst würden Neuanwärter nie in den Genuss eines Abonnements kommen“, meint Schmidinger.

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Andris Nelsons dirigiert die ersten Abokonzerte der Saison

Überprüft wird das mit einem sogenannten „Evidenzblatt“, das alle Abonnenten einmal im Jahr ausfüllen müssen. Dabei geht es zum einen um etwaige Adressänderungen oder Änderungswünsche bei den Sitzplätzen - aber auch um eine persönliche Unterschrift. „Anhand der Unterschrift, die wir ja dann jährlich vergleichen können, sehen wir auch, ob wirklich der Abonnent das Datenblatt ausgefüllt hat.“

Wenn es nur ein ganz bestimmter Platz sein darf

Einzelne Karten zum Beispiel an Familienmitglieder weiterzugeben, ist aber natürlich erlaubt. Wenn man verhindert ist, kann man die Abotickets auch zurückgeben. Sie gehen dann als Restkarten wieder in den Verkauf: die einzige Chance für Nichtabonnenten auf einen Sitzplatz in einem der Abokonzerte. An die hundert Plätze werden so jeweils frei.

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Wer auf der Warteliste bleiben will, muss sich jedes Jahr pünktlich melden

1.700 Sitzplätze gibt es im Großen (Goldenen) Musikvereinssaal. Die billigsten kosten im Abo 150 Euro, die teuersten gut 1.000, für insgesamt zehn Konzerte. Und manche der Aboanwärter haben bei der Platzwahl ganz konkrete Vorstellungen, erzählt Kartenverwalter Benjamin Schmidinger schmunzelnd von einer Aboanwärterin, „die seit vielen Jahren einen bestimmten Platz wünscht und diesen halt jährlich bestellt - und hofft dass er einmal frei wird“. Inzwischen warte sie bereits 20 Jahre.

„Sind mit vielen befreundet“

„Wir haben ein großes Glück, das ist uns bewusst“, sagt Daniel Froschauer, seit September der neue Vorstand der Wiener Philharmoniker. Nein, er kenne kein anderes Orchester mit einem derartigen Andrang auf ein Abo. Die Konzerte seien offenbar „nach wie vor ein gesellschaftlicher und musikalischer Höhepunkt in Wien“, bei dem man dabei sein wolle.

Nicht nur die Bindung des Publikums ans Orchester sei jedoch stark - sondern auch umgekehrt, so Froschauer: „Man kennt die Leute, die da sind. Wir sind mit vielen unserer Abonnenten befreundet.“ Und wenn jemand bei einem Konzert fehle, könne es schon passieren, dass er persönlich zum Telefon greife - „und frage: Wie geht’s euch, alles okay?“

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Alle Abokonzerte finden im Großen Saal des Wiener Musikvereins statt

Stehplatzkarten jedes Jahr neu vergeben

Zehn bis 14 Jahre Wartezeit - das gilt für die besonders begehrten Abonnementkonzerte an Samstagen und Sonntagen. Schneller geht es bei den Soireen, die unter der Woche stattfinden. Hier wartet man auf ein Abo derzeit „nur“ sechs bis acht Jahre. Die Stehplatzkarten für alle Konzerte werden sogar jedes Jahr neu vergeben, immer Anfang September. Dafür muss man sich dann nur rechtzeitig vor dem Kartenbüro am Kärntner Ring anstellen, denn die Schlange kann laut den Philharmonikern ziemlich lang sein.

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Für die Stehplatzkarten kann man sich immer im September anstellen

Arnold Dohr besucht am Samstagnachmittag sein erstes Abonnementkonzert, gemeinsam mit seiner Frau. Andris Nelsons dirigiert, gespielt werden zwei Symphonien von Ludwig van Beethoven. Wie lange will er das Abo behalten? Bei dieser Frage muss er nicht lange nachdenken: „Forever!“ Die Wartezeiten werden sich also wohl nicht so schnell verkürzen.

Evelyn Kanya, wien.ORF.at

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