Kindergartenstudie: Weiter Differenzen

Auch wenn Islamforscher Aslan bei der Kindergartenstudie laut Universität Wien kein wissenschaftliches Fehlverhalten vorzuwerfen ist, gehen die Differenzen weiter. Die SPÖ sieht sich bestätigt, die ÖVP fordert eine Entschuldigung.

Der für Kindergärten zuständige Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) verwies auf „grobe Mängel“ der Expertise: „Das heute präsentierte Ergebnis der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität (OeAWI) zur Kindergartenstudie belegt im Grunde das, was wir immer gesagt haben: Die Studie weist schwere Mängel auf, die Kommission übt deutliche Kritik an der wissenschaftlichen Güte und spricht auch von Einflussnahme des Ministeriums.“

Dass mit Fakten aus dieser Studie Politik und Stimmung gemacht worden sei, sei „umso bedenklicher“. Wien sei es immer wichtig gewesen, das Thema auf der Basis von qualitativ abgesicherten Fakten zu diskutieren. Deshalb habe man auch eine „weit umfassendere Studie“ dazu beauftragt, betonte Czernohorszky.

ÖVP fordert Entschuldigung

Der Wiener ÖVP-Obmann Gernot Blümel hat aufgrund des Prüfungsergebnisses eine Entschuldigung von Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) gefordert. Dieser habe Aslan klar eine Fälschung vorgeworfen. „Häupl muss diese Aussagen umgehend klarstellen und zurücknehmen. Denn damit hat er dem Ruf des Professors massiv geschadet. Nur weil er die untragbaren Entwicklungen in Wien nicht wahrhaben will“, so Blümel.

Auch Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) forderte daher eine Entschuldigung der Kritiker bei Aslan. Es liege kein wissenschaftliches Fehlverhalten vor, zeigte sich Kurz „froh“ über das Ergebnis - „was wir immer gesagt haben“. Der ÖVP-Obmann erklärte außerdem: „Sollte ich Bundeskanzler werden, werde ich mit aller Kraft gegen die Fehlentwicklungen in islamischen Kindergärten in Wien vorgehen“, denn in diesen Einrichtungen würden Kinder abgeschottet, kritisierte er.

Ednan Aslan

ORF

Aslan sieht sich bestätigt, dass er keine Fehler gemacht habe

Aslan: Habe keine Fehler gemacht

Der Autor der Studie, Ednan Aslan, hat sich zufrieden darüber gezeigt, dass ihm im Rahmen der Prüfung seiner Arbeit kein wissenschaftliches Fehlverhalten im juristische Sinn vorgeworfen wurde. Er habe kein anderes Ergebnis erwartet, sagte er dem „Standard“: „Ich habe keine Fehler gemacht.“

Er habe nie bewusst Ergebnisse verfälscht oder „irgendeiner Partei irgendwelche Dienste“ erwiesen: „Ich bin froh, dass das jetzt auch wissenschaftlich bestätigt wurde.“ Befragt zur Kritik an qualitativen Mängeln, sagte Aslan: „Die wissenschaftlichen Gutachter hatten die Aufgabe zu prüfen, ob ein wissenschaftliches Fehlverhalten vorliegt - und die Antwort war eindeutig: Nein.“

Für Veröffentlichung des gesamten Berichts

Zu den angeblichen Eingriffen im Ministerium habe er eine rund 15-seitige Stellungnahme an die Gutachter abgegeben, die wohl in den Bericht eingeflossen sei, erzählte er dem „Standard“. Dass der Bericht öffentlich gemacht wird, dagegen habe er nichts auszusetzen, versicherte Aslan. Lediglich wenn es Passagen gebe, mit denen er sich grundsätzlich nicht identifizieren könne, hätte er gerne, dass auch seine Meinung dazu veröffentlicht werde.

„Es war eine Pilotstudie, und ich wollte damit erreichen, dass eine größere Studie zu diesem Thema gemacht wird. Ich wollte Missstände in den islamischen Kindergärten in Wien aufzeigen - und die habe ich damit aufgezeigt“, verteidigte der Autor seine Arbeit. Dass diese so ein „Riesenthema“ wird, damit habe er nicht gerechnet.

Keine vorsätzlichen Verstöße

Auslöser für die Prüfung durch die Universität waren Medienberichte, wonach ein Zwischenbericht der Studie von Beamten des Integrationsministeriums intensiv überarbeitet und Aussagen zugespitzt wurden. Dabei soll es zu 900 Änderungen gekommen sein - mehr dazu in Kindergartenstudie: Ministerium in der Kritik.

Die Prüfung erfolgte durch die Österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität (OeAWI) unter der Leitung von Stephan Rixen (Universität Bayreuth). Vorsätzliche Verstöße gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis konnten nicht geortet werden. Diese hätten möglicherweise sogar strafrechtliche Konsequenzen, wie Heinz Engl, Rektor der Universität Wien, erläuterte.

Das Ergebnis der Studie wurde ebenfalls nicht infrage gestellt. Jedoch: Die „wissenschaftliche Güte“ der Studie sei in den einzelnen Gutachten (etwa aus den Bereichen Frühpädagogik, Islamwissenschaften oder Wissenschaftssoziologie) zum Teil angezweifelt worden.

Heinz Engl

APA/Hans Punz

Rektor Heinz Engl bei der Präsentation der Ergebnisse (im Monitor Stephan Rixen)

Keine „nobelpreisverdächtige Forschung“

Die meisten Änderungen seien sprachlicher Art, einige wenige inhaltlicher Natur. Diese habe Studienautor Aslan aber ausdrücklich akzeptiert. Das gesamte Prüfergebnis der Universität Wien ist noch nicht einsehbar, wie Engl betonte. Denn dafür sei die Zustimmung Aslans nötig, der derzeit noch im Ausland weile.

„Es ist keine tolle Studie, aber im strengen juristischen Sinn wurde wissenschaftliches Fehlverhalten nicht nachgewiesen“, betonte Engl. Stephan Rixen wurde am Mittwoch aus Bayreuth zugeschaltet - und präzisierte: „Die Gutachten sagen durchaus, dass es immer wieder Stellen gibt, die nicht nachvollziehbar sind.“ Nicht alles sei „nobelpreisverdächtige Forschung“.

Mängel bei Kindergartenstudie

Kein Fehlverhalten, aber wissenschaftliche Mängel. Zu diesem Schluss kommt eine Prüfung der umstrittenen Islamkindergartenstudie.

Einfluss des Ministeriums außer Frage

Die Schwächen waren laut den Prüfern vor allem methodischer Art. Manchmal seien, so wurde kritisiert, zu pauschale Aussagen in der Kindergartenexpertise getroffen worden. Die Frage, ob die „Mindestbedingungen“ in Sachen wissenschaftliches Arbeiten insgesamt unterschritten worden seien, hätte man aber verneint.

Rixen stellte allerdings auch klar: „Es steht außer Streit, dass es Einfluss seitens des Ministeriums gab.“ Im entsprechenden Fördervertrag sei zwar keine Rede davon gewesen, dass das Ministerium am Abschlussbericht mitwirken dürfe - das sei aber geschehen. Aslan habe mit dem Ministerium zum Teil „sehr intensiv zusammengearbeitet“.

Inhaltliche Verschiebung „nicht nachvollziehbar“

Der Rechtswissenschaftler führte jenes im „Falter“ zitierte Beispiel an, wonach Aslan ursprünglich formuliert haben soll, dass auch muslimische Eltern in den Kindergärten für ihre Kinder „Werte wie Respekt, Gelassenheit, Individualität des Kindes, Hygiene, Zufriedenheit der Kinder, Pünktlichkeit, Liebe, Wärme und Geborgenheit, Selbstständigkeit und Transparenz der Regeln“ suchten. In der Neuformulierung habe es geheißen: „Besonders wichtig ist ihnen (den Eltern, Anm.), dass den Kindern islamische Werte vermittelt werden“.

„Das ist einer der wenigen Fälle, in dem man sagen muss, das ist eine inhaltliche Verschiebung, die aus wissenschaftlicher Sicht nicht nachvollziehbar ist“, konstatierte Rixen. Die Kommission hat mit Aslan selbst gesprochen, der laut den Prüfern versichert hat, dass sämtliche Änderungen auf seine Anweisung hin geschehen seien. Mit den betreffenden Beamten des Ministeriums gab es zumindest keine persönlichen Gespräche. Von dort sei eine schriftliche Stellungnahme eingelangt, wurde heute betont.

Neue Richtlinien für Zusammenarbeit

Unirektor Engl kündigte heute die Erarbeitung von Richtlinien an, die künftig die - durchaus erwünschte, wie er versicherte - Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik regeln soll. Möglich sei die Schaffung einer Art „Firewall“, die verhindern solle, dass auch nur der Anschein irgendeiner Art von Beeinflussung entstehe.

Auch sei zu überlegen, ob die Veröffentlichung von „Pilotstudien“, die nur die Basis für weitere Forschung liefern sollen, in „politisch heiklen Fällen“ überhaupt sinnvoll sei. Professor Rixen zeigte sich ebenfalls überzeugt: „Jetzt müssen wir überlegen, wie können wir künftig klare Regeln schaffen, dass solche grenzgängerischen Interventionen möglichst verhindert werden.“

Die Frage, welche Note er der Arbeit Aslans gegeben hätte, wollte der Rektor der Universität Wien nicht beantworten. Er sei Mathematiker und könne die Studie darum inhaltlich nicht beurteilen, sagte Engl. Vorsichtige Zweifel ließ er aber dann dennoch walten: Die statistische Datenbasis sei für manche Aussagen „viel zu gering“. Das sei zumindest sein Eindruck.

Aslan begrüßte Prüfung durch Universität

Aslan selbst hatte die Prüfung durch die Universität Wien als „eigenen Wunsch“ bezeichnet und keine Zweifel, „dass meine Studie dem wissenschaftlichen Standard entspricht“. Die Ombudsstelle zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis sei damit beauftragt, festzustellen, „inwieweit die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis eingehalten wurden“, hatte die Universität Wien angekündigt - mehr dazu in Uni Wien prüft Kindergartenstudie (news.ORF.at).

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