Tschetschene wegen Schuss auf Bruder verurteilt

Er wollte die Streitigkeit „wie in der Heimat“ beenden. Weil ein 35-Jähriger auf seinen Bruder gefeuert hatte, wurde er heute wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung zu drei Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Der 35-Jährige wollte sich von seinen vier Brüdern, insbesondere vom Ältesten, nicht vorschreiben lassen, wie er in Österreich zu leben hatte. So sollte er nach deren Ansicht seine Frau und sechs Kinder mehr an die „Kandare“ nehmen und etwa einen Pkw-Kauf vom Bruder genehmigen lassen.

Täter von Brüdern verprügelt

Als er derartigen Forderungen nicht nachkam, wurde er im Juli 2016 von den eigenen Brüdern verprügelt. Besonders hart traf den Arbeitslosen, dass dies vor den Augen seiner Ehefrau und den Kindern geschah. „Ich habe mich nicht wie ein Ehemann und Vater gefühlt“, meinte der Angeklagte.

Um weitere Attacken zu unterbinden, kaufte sich der 35-Jährige illegal eine Pistole und besuchte seinen Bruder, um diesen ins Bein zu schießen. Trotz mehrerer Nachfragen - „Haben Sie sich gedacht, heute ist ein guter Tag zum Schießen?“ - konnte er nicht schlüssig erklären, warum er zwischen dem Besuch durch seine Brüder und dem Schussattentat fast fünf Monate verstreichen ließ.

Meidling Haus Beinschuss

APA/Georg Hochmuth

Die Schüsse fielen vor der Wohnung des Opfers in Meidling

„Soll ich mit Blumen kommen?“

Am 26. November 2016 suchte er laut Anklage den 38-Jährigem auf, wartete bis seine Nichten und Neffen das Vorzimmer verlassen hatten und zückte die Waffe. „Du bist mit einer Pistole gekommen?“ - „Soll ich nach dem, was vorgefallen ist, mit Blumen kommen?“, meinte der Angeklagte und wollte feuern. Doch es habe sich zunächst kein Schuss gelöst, was der Sachverständige des Bundeskriminalamts jedoch ausschloss - mehr dazu in Schüsse vor Wohnung: Mann schwer verletzt und in Schüsse vor Wohnung: Täter „völlig unbekannt“.

Beim folgenden Gerangel soll der Angeklagte insgesamt drei Schüsse abgegeben haben, einen durch die noch geöffnete Wohnungstür. Der ältere Bruder wurde dadurch am Knie verletzt. Dennoch blieb der 38-Jährige der Linie treu, die Gerichte nicht mit Familienangelegenheiten zu behelligten.

Er wollte nur aussagen, wenn er seinem angeklagten Bruder damit helfen könne. Die Richterin machte ihm jedoch schnell klar, dass das Rechtssystem in Österreich so nicht funktioniere, worauf der Mann sich entschlug. Dies tat auch noch ein weiterer Bruder, während zwei andere, die als Zeugen geladen waren, bereits abgeschoben wurden.

Angeklagter lieferte kein vollständiges Geständnis

Die Staatsanwältin verwies in ihrem Schlussplädoyer darauf, dass zuletzt viele Menschen aus anderen Kulturkreisen ihre Problemlösungen auch in Österreich anwenden würden. Verteidiger Nikolaus Rast schloss sich der Ansicht an, dass man Selbstjustiz nicht tolerieren könne. Seinem Mandanten sei es jedoch nur darum gegangen, seinem älteren Bruder einen Denkzettel zu verpassen und keinesfalls, diesen zu töten.

Die Geschworenen schlossen sich mit 5:3 Stimmen dieser Ansicht an und entschieden auf absichtliche schwere Körperverletzung. Die Richterin unterstrich, dass sich der Angeklagte nicht ausreichend zur Absicht schuldig bekannt habe, weshalb man nicht von einem vollständigen Geständnis sprechen könne. Auch wegen der Signalwirkung nach außen habe man keine teilbedingte Strafe aussprechen können.

Der Angeklagte zeigte sich trotz der relativ milden Strafe, der Strafrahmen reicht bis zehn Jahre, völlig verdattert und ungerecht behandelt. Schließlich hätten seine Brüder angefangen. Zudem fürchte er, dass diese seiner Familie etwas antun, während er sich in Haft befindet. Trotz intensiver Versuche seines Verteidigers nahm er die Strafe nicht an, sondern man einigte sich auf drei Tage Bedenkzeit. Auch die Staatsanwältin gab daraufhin keine Erklärung ab.