Forscher: Lagezuschlag fördert „Problembezirke“

Die sozialen Unterschiede zwischen den Bezirken werden auch in Wien zunehmend größer. Eine Hauptursache ist laut dem Wohnforscher Justin Kadi der Lagezuschlag für Wohnungen, der Gut- und Geringverdiener immer stärker trennt.

Arm neben Reich, Einheimische neben Zuwanderern: Auf eine soziale Durchmischung war man im „roten“ Wien immer stolz. Doch nun nimmt auch in Wien die soziale Trennung zu. Mit Ausnahme von Hietzing und Döbling leben Menschen mit Geld inzwischen in der Regel innerhalb des Gürtels - und der Rest außerhalb. Die Bezirke, in denen das Netto-Durchschnittseinkommen am geringsten ist, sind Rudolfsheim-Fünfhaus, Brigittenau, Favoriten, Ottakring und Meidling.

Justin Kadi

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Justin Kadi forscht zu Wohnungspolitik und sozialer Ungleichheit

Lagezuschlag stark gestiegen

„Sortiert“ würden die Menschen in der Stadt vor allem durch den privaten Wohnungsmarkt, erklärt Justin Kadi, der an der TU Wien zu Wohnungspolitik und sozialer Ungleichheit forscht. „Durch das Instrument des Lageszuschlags ist es Vermietern ermöglicht worden, in besseren Vierteln, wesentlich mehr zu verlangen und damit den Wohnungsmarkt stärker an den kapitalistischen Wohnungsmarkt heranzuführen“, so Kadi im im „Wien heute“-Interview.

TV-Hinweis:

„Wien heute“, 7.2.2018, 19.00 Uhr, ORF2 und danach online in der ORF TVThek

Über den Lagezuschlag könne man daher auch gegensteuern und die soziale Durchmischung fördern, erklärte der Forscher am Department für Raumplanung der TU. Die Bundesregierung plant derzeit aber sogar eine Ausweitung des Lagezuschlags auf die Gründerzeitviertel außerhalb des Gürtels. Eingeführt wurde der Lagezuschlag in Wien 1994 - und seit damals ist er stark gestiegen. „Mitte der 1990er war der Unterschied zwischen der Lage mit dem niedrigsten Lagezuschlag und dem mit höchstem Lagezuschlag bei einem Wert von 3,70 Euro pro Quadratmeter. Heute sind wir bei 10,40 Euro - nur für die Lage, die man extra bezahlt“, beschrieb Kadi.

Schlüssel

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Die Bundesregierung will den Lagezuschlag in Wien ausweiten

Preisunterschiede zwischen Vierteln nehmen zu

Auch eine jüngere Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt fördert laut dem Forscher die soziale Trennung: Die Innenstädte seien für Investoren und größere Kapitalanleger zunehmend attraktiver geworden. „Wir sehen in diesem Kontext, dass die Preisunterschiede zwischen teureren Vierteln und eher günstigeren Vierteln zunehmen“, so Kadi. Das macht Haushalten mit weniger Ressourcen den Zugang zu bestimmten Wohngegenden schwer.

Grafk

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Segregation ist jedoch nicht nur ein Problem des Geldmangels, sondern auch der Herkunft. Auch in Wien sammeln sich Zuwanderer in Bezirken, in denen schon ihre Landsleute wohnen. Der Anteil der Bevölkerung mit fremder Herkunft ist in Rudolfseim-Fünfhaus mit 53,1 Prozent derzeit am Größten. Auf Platz zwei liegt Brigittenau mit 49,2 Prozent, Margareten kommt auf 47,5 Prozent, Favoriten auf 46,6 und Ottakring auf 46,2 Prozent.

Fassade Gemeindebau

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Kadi plädiert für Gemeindebauten in zentraler Lage

Gemeindebauten im Zentrum?

Neben Maßnahmen beim Lagezuschlag fordert TU-Forscher Kadi, dass wieder Gemeindebauten im Stadtzentrum entstehen. So könnten sich einkommensschwache Mieterinnen und Mieter dort unter die Wohlhabenderen mischen können. Ein schwieriges Unterfangen, da die notwendigen Grundstücke fehlen. Trotz zunehmender sozialer Unterschiede zwischen den Bezirken: Von tatsächlichen „Problembezirken“ sei Wien im Vergleich zu anderen europäischen Großstädten immer noch weit entfernt.

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