Malariatherapie: Weiter keine Entschädigung

Menschen, die in Wien in den 1950er und 60er Jahren fragwürdige „Malariafiebertherapien“ über sich ergehen lassen mussten, haben bis heute keine Entschädigung erhalten. Das Wissenschaftsministerium sieht sich nicht zuständig.

Bis in die 1960er Jahre wurden in Wien psychisch Kranke mit Malaria infiziert, um sie zu behandeln. Nirgends wurde diese heute verpönte Therapie so lange und breit praktiziert wie in Wien. Der Wiener Anwalt Johannes Öhlböck kämpft seit Jahren für eine Entschädigung. Er vertritt 15 Personen, die als Jugendliche an der „Klinik Hoff“ an der Wiener Universitätsklinik für Psychiatrie mit Malaria infiziert wurden.

Öhlböck hat dazu die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz um Hilfe gebeten. Pilz hatte im Vorjahr die zuständige Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) sowie das Rektorat der MedUni Wien kontaktiert. Im Sommer kam es dann zu einem Gespräch - mehr dazu in Malariatherapie: Gespräche über Entschädigung. Doch dieses brachte kein Ergebnis. „Es wurde zwischen der Stadt und der MedUni die Verantwortung nicht abgeklärt. Ich habe mich deshalb danach an das Wissenschaftsministerium gewandt“, so Pilz.

Ministerium beruft sich auf Historikerkommission

Doch der damalige Wissenschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP) antwortete Pilz im Oktober, dass seitens des Ministeriums keine Zuständigkeit bestehe. Pilz wandte sich nach der Bildung der neuen Bundesregierung Ende Jänner an den neuen Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP). Aber auch dieser sieht sich nicht zuständig. „Denn die Historikerkommission hat kein Fehlverhalten in Lehre und Forschung festgestellt“, heißt es aus dem Ministerium gegenüber wien.ORF.at.

Studie der Kommission sorgte für Wirbel

Die sogenannte Malariatherapie sei damals zulässig gewesen, erklärte die von der MedUni Wien eingesetzte Historikerkommission unter der Leitung von Gernot Heiss - mehr dazu in Malariatherapie in Wien „Sonderfall“. Die Kommission konzentrierte sich auf die Klinik unter der Leitung von Hans Hoff (1951-1969).

Nach Veröffentlichung der Studie stellte sich heraus, dass der Bruder von Studienautor Heiss ab 1966 an der Klinik Hoff gearbeitet hatte - mehr dazu in Malaria-Therapie: Kommissionschef befangen?. Die wissenschaftlichen Ex-Mitarbeiter des Studienautors sehen eine inhaltliche Befangenenheit. In einer Stellungnahme schrieben sie: „Uns ist aufgefallen, dass es Vorbehalte gab, ärztliches Handeln kritisch zu reflektieren. Es wurde immer als wohlwollendes therapeutisches Handeln verstanden.“

Keine Betroffenen für Studie befragt

Kritik üben die Ex-Mitarbeiter auch an der Auswahl der Interviewpartner für die Studie: „Während Gernot Heiss mit diversen Ärzten sprach, unter denen auch ehemalige Arbeitskollegen seines Bruders waren, lehnte er die Befragung von Betroffenen kategorisch ab.“

Die Betroffenen hätten sich in die Aufarbeitung der Thematik einbringen wollen, so Opferanwalt Öhlböck. Mehrmals habe man versucht, sich einzubringen, sei aber immer wieder auf Ablehnung bei den Leitern des Forschungsprojekts gestoßen - mehr dazu in Malariatherapie: Heftige Kritik der Opfer.

Pilz will weiter Entschädigung

Auch wenn sich das Ministerium nicht zuständig fühlt, will sich Pilz weiter für eine Entschädigung einsetzen. In die Debatte, ob es damals „wissenschaftliche Gründe“ für eine Malariatherapie gegeben habe, wolle sie sich nicht einmischen. „Das sollen die Medizinische Universität und die Stadt Wien klären. Unter dem Strich muss herauskommen, dass es eine Entschädigung gibt“, sagte Pilz. Denn für sie sei völlig klar, dass die Betroffenen, die damals mit Malaria infiziert worden sind, „einen gesundheitlichen Nachteil erlitten haben“.

Links: