„Zurückspulen“: Die Rückkehr des Analogen

Von Polaroidkameras bis zur wiederbelebten Schallplatte: Die Rückbesinnung zum Analogen lässt sich vielerorts beobachten. Doch in kaum einer Stadt so sehr wie in Wien, wo man jetzt sogar in einem analogen Hotelzimmer nächtigen kann.

„Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir immer weniger Fußabdrücke hinterlassen. Das fühlt sich fast so an, als würdest du über einen Strand gehen, drehst dich um und da sind keine Spuren im Sand.“ Wenn es um die Rückbesinnung zum Analogen geht, kommt man um den Namen Florian Kaps nicht herum. Der Wiener, der den Polaroidfilm vor dem Ende bewahrte, hat nun zusammen mit dem 25hours Hotel in Wien die weltweit ersten „analogen Hotelzimmer“ geschaffen.

Willkommensgruß vom Plattenspieler

Wenn Gäste in dem Hotel im siebenten Bezirk beim Check-in erfahren, dass sie ein analoges Hotelzimmer bekommen, blickt das Personal an der Rezeption oft in verduzte Gesichter. „Man kann die zwei analogen Zimmer nicht direkt buchen. Jeder Gast könnte eventuell eines der Zimmer bekommen“, sagte Hoteldirektor Christian Kölling.

Betritt man das Zimmer, verrät das kurze Knacken und Knistern alles, was man wissen muss. Schon bevor die Schallplatte, auf der das Thema des Zimmers erklärt wird, überhaupt beginnt. Statt eines Flachbildschirms findet der Gast in dem Zimmer nur einen kleinen Röhrenfernseher vor, unter dem sich die VHS-Kassetten stapeln. Vom Plattenspieler, der übrigens auch von einem Wiener Unternehmen hergestellt wird, kann man die Vinylscheibe mit der Begrüßung nehmen und sie durch eine von zahlreichen LPs ersetzen.

Mit Videokassette und Polaroidkamera

Neben Videorekorder und Schreibmaschine erfreut sich auch die Polaroidkamera im Zimmer großer Beliebtheit. Deswegen ist besondere Aufmerksamkeit und Diskretion bei der Reinigung des Zimmers gefragt. Es kommt vor, dass der eine oder andere Gast eines der Sofortbilder mit dem weißen Rahmen vergisst, welches der nächste Besucher besser nicht sehen sollte.

„Wenn der Gast dann einmal abreist, bekommen wir nur gutes Feedback. Selbst über den Fernseher beschwert sich dann keiner mehr. Dann sind alle nur begeistert, weil sie seit 20 Jahren keine Videokassetten mehr geschaut haben“, sagte Kölling über die Resonanz der Besucher. Neun Monate hat es gedauert, die Zimmer auszustatten. Die Planung und Besorgung der Geräte organisierten Kaps und sein Unternehmen Supersense.

Florian Kaps im Supersense

Benjamin Mayer/ORF

Florian Kaps im Supersense, seiner „Analogen Delikatesserie“

Leben durch die „Glasscheibe“

Als Verfechter des Analogen trat Kaps schon 2008 auf. Damals kaufte der Wiener die letzte Polaroidfabrik in den Niederlanden auf. Er gründete „The Impossible Project“, holte ehemalige Mitarbeiter von Polaroid aus dem Ruhestand zurück und sammelte Begeisterte um sich. Das Ziel: den Sofortfilm retten. Der Wunsch der Menschen nach den beinahe quadratischen Fotos besteht weiter, die Rettung gelang. Danach kehrte Kaps in seine Heimat zurück und gründete im Dogenhof an der Praterstraße seinen „Palast des Analogen“.

„Der Mensch, der auch in der heutigen Zeit noch immer analog ist, hat fünf Sinne. Das Digitale hat den Riesennachteil, es ist immer hinter einer Glasscheibe. Das heißt, es kann von unseren fünf Sinnen immer nur zwei ansprechen. Man kann es nicht riechen, nicht angreifen und nicht schmecken - es ist nicht real“, sagte Kaps zur Erklärung für die wachsende Nachfrage nach dem Analogen.

Schreibmaschine im Supersense

Benjamin Mayer/ORF

Schreibmaschinen, Stempel und selbstgedruckte Postkarten im Supersense

„Spuren im Sand“

Einen großen Vorteil sieht Kaps in der Beständigkeit von analogen Medien. Gibt man in Wikipedia „Höhlenmalerei“ ein, findet man als erstes Wort die Definition „Speichermedium - Höhlenmalerei“. Pferde, Auerochsen und Wollnashörner tummeln sich auf den Wänden der Chauvet-Höhle in Frankreich. Mit 32.000 Jahren sind sie die ältesten bekannten Höhlenmalereien. Jeder, der die Wände ansieht, kann erkennen, was abgebildet ist und die Information lesen.

Im Gegensatz dazu stehen die aktuellen, digitalen Speichermedien. Deren Flüchtigkeit hat Kaps selbst erlebt: „Meine eigene Diplomarbeit, die ich damals auf einem fantastisch teuren Laufwerk gespeichert habe, kann ich heute nicht mehr einfach auslesen. Nicht grundlos werden die Sonden, die wir ins All schicken, nicht mit einem iPod, sondern mit Schallplatten bestückt.“

Kameras im Supersense

Benjamin Mayer/ORF

Sofortbildkameras aller Generationen im Supersense

„Das Digitale ist ein Zusatz, es darf das Analoge nicht ersetzen“, so Kaps. „Ja, ich mache die meisten meiner Fotos digital, aber die wichtigen Momente, die belichte ich analog oder schreibe handschriftliche Notizen. Man muss diese Spuren sammeln. Diese Momente, die einen als Mensch definieren.“

Benjamin Mayer, wien.ORF.at

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