Ärzte-Kritik: Überstunden ohne Aufzeichnung

Die Wiener Ärztekammer hat in einer Umfrage die Auswirkungen der Arbeitszeit-Regelung erfragt. Demnach werden oft Überstunden ohne Aufzeichnung geleistet, vor allem in KAV-Spitälern. Der KAV verweit auf Pilotprojekte.

Vor drei Jahren ist die Wochenarbeitszeit der Wiener Ärzte - wie von der EU vorgegeben - von 60 auf 48 Stunden geändert worden. Für Wolfgang Weismüller, Vizepräsident der Ärztekammer Vizepräsident und Obmann der Kurie angestellte Ärzte der Ärztekammer Wien, sind die im Arbeitszeitgesetz festgelegten 48 Stunden zu wenig: „Früher hat der durchschnittliche Arzt mehr gearbeitet, jetzt darf er nicht mehr arbeiten. Es fehlen schlicht und einfach Arbeitsstunden, es kommt zu einer enormen Verdichtung.“

Besonders tagsüber kommt es laut Umfrage dazu, dass nur jeder neunte Arzt nach geleistetem Tagdienst die Arbeit zeitgerecht verlassen kann. 89 Prozent der Ärzte im Wiener Krankenanstaltenverbund und 88 Prozent in anderen Krankenanstalten müssen demnach länger bleiben. Hauptgründe für den zusätzlichen Zeitaufwand waren die Patientenversorgung, administrative Tätigkeiten, Dienstübergaben und Fortbildung.

Tatsächliche Arbeitszeit der Ärzte

Die Wiener Ärztekammer hat nachgefragt, ob die Arbeitszeit eingehalten wird. Nur jeder neunte Arzt kann das Spital pünktlich verlassen.

Aufzeichnungen teilweise nicht korrekt

„Tagsüber sehen wir vor allem das Problem der überlasteten Spitalsambulanzen und das hohe Patientenaufkommen“, meinte Weismüller, „wir sind einfach zu wenige, um unsere Arbeit ohne Überstunden erledigen zu können.“

Kritisiert wird auch die Aufzeichnung der Arbeitszeiten, vor allem der Ärzte im KAV. Laut Umfrage führen 47 Prozent der Spitalsärzte im KAV die Arbeitsaufzeichnungen nicht korrekt, in anderen Spitälern sind es acht von zehn Medizinern. Im KAV ist für 26 Prozent der Betroffenen nicht klar geregelt, ob sie für bestimmte Arbeiten Überstunden aufschreiben dürfen. 16 Prozent gaben an, dass ihr Vorgesetzter von ihnen erwartet, keine Überstunden aufzuzeichnen, und drei Prozent gaben sogar an, dass ihr Vorgesetzter die Aufzeichnung von Überstunden verbietet.

„Das Ergebnis ist für mich schockierend. Dieses offenbar absichtliche Drängen von Kolleginnen und Kollegen in die Illegalität ist untragbar,“ sagte Weismüller und forderte den KAV auf, „mit diesen arbeitsrechtlichen Missständen endlich aufzuräumen“.

Mehr Ärzte gefordert

„Es braucht mehr Ärzte“ lautet die wichtiste Forderung von Weismüller. Allein durch gratis geleistete Überstunden im KAV würden rund 120 Vollzeitäquivalente ersetzt. Insgesamt fehlen laut Weismüller bis zu 375 Mediziner. Nötig sei aber auch, den Administrationsaufwand für Spitalsärzte zu reduzieren und Zentrale Notaufnahmen umzusetzen.

Eine solche sei bereits erfolgreich im AKH eingerichtet, wie Weismüller betonte. Im größten Wiener Spital - dessen Ärzte von der Medizinischen Universität gestellt werden - wurde eine gesonderte Umfrage durchgeführt. Die Dienstzeiten werden dort eingehalten - dafür habe sich die Forschung inzwischen in die private Freizeit verlagert, kritisierte Weismüller.

Der Kurienobmann sieht auch die Patienten als Leidtragende der bestehenden Engpässe. Sie seien angesichts der Situation etwa mit längeren Wartezeiten in den Ambulanzen konfrontiert.

KAV: Projekte für bessere Arbeitsabläufe

Laut KAV sind die MitarbeiterInnen verpflichtet, ihre Arbeitszeiterfassung korrekt zu führen und die gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten. Hinweisen auf Verletzungen des Arbeitszeitgesetzes werde in jedem konkreten Fall nachgegangen, hieß es in einer Stellungnahme gegenüber ORF Wien.

Im Bereich der Arbeitsorganisation laufen laut KAV derzeit Projekte zur Verbesserung und Optimierung der Arbeitsabläufe. Für die Einführung der Rufbereitschaft wurde demnach in Wien der gesetzliche Rahmen festgelegt, die Vorbereitungen für ein Pilotprojekt laufen. Von der Rufbereitschaft erwartet sich der KAV mehr Flexibilität in der Personalplanung und damit eine zusätzliche Entlastung der ÄrztInnen.

Warnstreik der KAV-Ärzte vor zwei Jahren

Bei einer Umfrage vor zwei Jahren hatte es ein vernichtendes Urteil der Befragten gegeben. 87 Prozent der Spitalsärzte orteten eine Verschlechterung der Patientensituation - mehr dazu in Spitalsarbeitszeiten: Urteil vernichtend (wien.ORF.at; 10.2.2016).

Die Ärzte des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV) protestierten im September 2016 mit einem Warnstreik gegen die Reduktion von Nachtdiensten. Bei der Kundgebung in der Innenstadt sah die Ärztekammer die Patientenversorgung in Gefahr - mehr dazu in Warnstreik der Spitalsärzte in Wien (wien.ORF.at; 12.9.2016).

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