Liederbuch: Staatsanwalt ermittelt

Die Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren wegen antisemitischer Texte in einem Liederbuch der Burschenschaft Bruna Sudetia eingeleitet. FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache hat rechtliche Schritte gegen den „Falter“ angekündigt.

Die Staatsanwaltschaft Wien hat gegenüber der APA bestätigt, dass von Amts wegen ein Verfahren eingeleitet wurde. Ermittelt wird gegen unbekannte Täter wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung gemäß Verbotsgesetz. Laut „Falter“ sollen in dem Liederbuch der Burschenschaft Bruna Sudetia Texte mit antisemitischem Inhalt enthalten sein. Vorsitzender der Burschenschaft ist Herwig Götschober, der Pressereferent von Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ).

Wie das Verkehrsministerium am Mittwochabend per Aussendung mitteilte, hat der Obmann der Burschenschaft nach der Einleitung der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft um die sofortige Beurlaubung im Büro des Bundesministers angesucht, bis die Vorwürfe restlos aufgeklärt sind.

Hofer drängt auf „Aufklärung“

Hofer meinte im Ö1-Morgenjournal, es sei noch nicht klar, woher das Liederbuch komme: „Mein Mitarbeiter hat mir sein Liederbuch sofort gezeigt, da sind diese Passagen nicht drin.“ Ein der APA übermittelter Scan der „Liedertexte“ der Burschenschaft Bruna Sudetia unterscheidet sich tatsächlich vom im „Falter“ veröffentlichten „Liederbuch“. Hofer drängt auf „Aufklärung“: „Ich möchte wissen, woher dieses Buch kommt, und ich hoffe, dass bald klar sein wird, wer dieses Buch veröffentlicht hat.“

„Wir schaffen die siebte Million“

Laut „Falter“ findet sich darin - wie schon im Liederbuch der Germania zu Wiener Neustadt, bei der der ehemalige niederösterreichische FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer Mitglied war - die Liedzeile „Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: ,Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million’“, die auf den Massenmord an den Juden in der NS-Zeit Bezug nahm.

Liederbuch der Burschenschaft "Bruna Sudetia

APA/Falter

Liederbuch der Bruna Sudetia

Darüber hinaus sind laut „Falter“ noch weitere antisemitische Textzeilen in dem Buch zu finden: „Zwei Juden badeten einst im Fluß (sic!), weil jeder Mensch einmal baden muß (sic!). Der eine, der ist ersoffen, vom anderen wollen wir’s hoffen.“ Eine weitere Strophe lautet: „Zwei Juden schwammen einst im Nil, den einen fraß das Krokodil, den anderen hat es nur angeglotzt, da hätt’ es den ersten fast ausgekotzt.“

Keine Passagen geschwärzt

Auch finde sich in dem Buch ein Lied, in welchem geklagt wird, „noch ist Deutschland dreigeteilt“; „Es lebe hoch Deutsch-Österreich, mit ihm das ganze Deutsche Reich“, so die Textzeilen. Laut Falter ist in dem Liederbuch keine einzige Textpassage geschwärzt.

Aus Hofers Kabinett hieß es dazu, Götschober kenne das Liederbuch nicht. Er besitze ein anderes; jenes, das dem „Falter“ vorliegt, weise mit dem von Götschober verwendeten auch keinerlei Ähnlichkeit auf, weder im Inhalt noch in der Grafik. Die inkriminierten Lieder seien im Buch des Referenten nicht enthalten.

Götschober ist im Kabinett des Verkehrsministers für die Social-Media-Agenden zuständig. Außerdem ist Götschober Bezirksrat der FPÖ in der Leopoldstadt.

Liederbuch an „Falter“ geschickt

Dem „Falter“ ist ein Liederbuch mit judenfeindlichen Strophen zugespielt worden, das von der „Bruna Sudetia“ stammen soll.

Burschenschaft kündigt rechtliche Schritte an

Auch die Burschenschaft Bruna Sudetia weist alle Vorwürfe „mit aller Vehemenz“ zurück. Das Buch sei niemals in Besitz der Verbindung und daher auch nicht in Verwendung gewesen, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme. Die Verbindung prüft nun rechtliche Schritte gegen die Wochenzeitung.

Die abermals aufgetauchten antisemitischen Lieder „werden von der akademischen Burschenschaft Bruna Sudetia kategorisch abgelehnt“, hieß es weiter in der Stellungnahme. Das Buch der akademischen Burschenschaft sei weder optisch noch inhaltlich jenem Exemplar ähnlich, das dem „Falter“ vorliegt. Geprüft werden daher rechtliche Schritte „gegen die diffamierende Berichterstattung“ sowie gegen Unbekannt wegen Verleumdung bzw. Weitergabe des Liederbuchs.

Schriftzug vom Bruno Sudetia-Haus in Wien-Josefstadt

APA/Georg Hochmuth

Das Haus der Burschenschaft in Wien-Josefstadt

Laut der Burschenschaft wurde in den Räumlichkeiten der Verbindung kein Buch gefunden, „das jenem ähnelt, das der ‚Falter‘ mit der akademischen Burschenschaft Bruna Sudetia in Verbindung bringen möchte“. Gefunden worden seien lediglich Ausgaben der tatsächlichen Liedersammlung der Burschenschaft sowie des „Allgemeinen Deutschen Kommersbuchs“.

Vizekanzler Strache (FPÖ) zu Vorwürfen

FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache bekräftigte, es werde rechtliche Schritte gegen die Wochenzeitung „Falter“ geben.

Bezirksvorsteherin fordert Rücktritt

Uschi Lichtenegger (Grüne), die Bezirksvorsteherin der Leopoldstadt, hat den „sofortigen Rücktritt“ von FPÖ-Bezirksrat Herwig Götschober gefordert. Die Leopoldstadt gelte als der jüdische Bezirk in Wien, so Lichtenegger in einer Aussendung am Dienstagnachmittag. „Daher wäre es für die jüdische Community völlig unzumutbar, einen derartigen Vertreter im Bezirk noch länger ertragen zu müssen“, so Lichtenegger.

Die Bezirksvorsteherin sprach von einem „ekelhaften Text, der den Holocaust verherrlicht“: „Ich war schon beim Fall Landbauer schockiert, dass nun aber auch der FPÖ-Bezirksrat Herwig Götschober in diese menschenverachtenden Umtriebe involviert ist, trifft mich als Bezirksvorsteherin der Leopoldstadt nun noch stärker.“

Kritik kam auch von SPÖ und NEOS. Sabine Schatz, SPÖ-Sprecherin für Gedenkkultur, forderte von Verkehrsminister Hofer in einer Aussendung, rasch Konsequenzen zu ziehen. Die NEOS-Sprecherin für Inneres​, Stephanie Krisper, verlangte von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), „sein brüllendes Schweigen“ zu diesen Vorgängen zu beenden.

Landbauer-Rückzug wegen Germania-Liederbuch

Die Diskussionen um ein Liederbuch der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt hatten den Wahlkampf für die Landtagswahl in Niederösterreich Ende Jänner beeinflusst und nach der Wahl zum Rückzug des FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer geführt. Landbauer legte alle politischen Funktionen zurück, nun wurde auch sein Nachfolger als Stadtrat in Wiener Neustadt bestimmt - mehr dazu in Nach Landbauer-Rücktritt neuer Stadtrat gewählt (noe.ORF.at).

Kritik gab es auch am Wiener FPÖ-Gemeinderat Stefan Berger, der Mitglied der Germania war. Gegenüber dem Nachrichtenmagazin „profil“ betonte Berger, die Verbindung nach dem Bekanntwerden eines rassistischen und antisemitischen Liedtexts verlassen zu haben - mehr dazu in Auch Wiener FPÖ-Gemeinderat bei Germania.

Die FPÖ hat eine Historikerkommission eingerichtet, die die Geschichte der FPÖ und des „Dritten Lagers“ aufarbeiten soll. Die Leitung der Forschergruppe übernahm der ehemalige Dritte Nationalratspräsident und ehemalige Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, Wilhelm Brauneder (FPÖ) - mehr dazu in Brauneder leitet Historikerkommission (news.ORF.at).

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