Kopfschuss-Prozess: „Ich bin unschuldig“

Bei der Wiederholung eines Mordprozesses gegen einen 28-Jährigen am Straflandesgericht Wien hat sich der Angeklagte am Donnerstag unschuldig erklärt. Zahlreiche Indizien sollen dies bestätigen.

„Es tut mir leid, dass jemand gestorben ist. Aber ich bin unschuldig“, sagte der Angeklagte vor Gericht. Zu weiteren Aussagen war er nicht bereit: „Meine Anwälte werden für mich sprechen.“ „Die waren halt nicht dabei“, erwiderte Richterin Andrea Wolfrum, die Vorsitzende des Schwurgerichts, die daraufhin das Protokoll mit der polizeilichen Beschuldigteneinvernahme verlas. Dem Mann wird vorgeworfen, am 16. April 2017 einen 26 Jahre alten Mann im Bezirk Brigittenau auf offener Straße mit einem Kopfschuss vorsätzlich getötet zu haben.

Kopfschuss: Prozess wird wiederholt

Nach einem Mord in der Jägerstraße steht der Angeklagte wieder vor Gericht. Zuerst geständig, beteuert er jetzt seine Unschuld.

Verteidigung kritisierte Berufsrichter

Zuvor hatten die beiden Rechtsvertreter des Angeklagten mit kritischen Worten nicht gegeizt. Verteidiger Werner Tomanek schoss sich vor allem auf den Ausgang der ersten Hauptverhandlung ein, an deren Ende die acht Geschworenen seinen Mandanten nach einer Beratungszeit von nicht einmal 45 Minuten einstimmig freigesprochen hatten. Die drei Berufsrichter setzten diesen Wahrspruch aber wegen Irrtums der Geschworenen aus und erzwangen damit eine zweite Verhandlung vor einem gänzlich neu zusammengesetzten Schwurgerichtshof.

Der 28-Jährige blieb in U-Haft. Dieses Vorgehen kritisierte Tomanek heftig: „Unfassbar. Das konterkariert den Gedanken der Schwurgerichtsbarkeit.“ Die Berufsrichter hätten die Entscheidung der Laienrichter gekippt, „weil die für sie zu blöd waren, um das zu entscheiden“ - mehr dazu in Kein Urteil nach Kopfschussprozess. An die nunmehrigen Geschworenen gerichtet, betonte Tomanek: „Wenn Sie keine Gewissheit hinsichtlich der Täterschaft haben, können Sie den Angeklagten nicht verurteilen. Es muss eine schlüssige Beweiskette vorliegen, das ist klar.“

Zeugen erkannten Angeklagten nicht als Täter

Am Ende der Verhandlung am Donnerstag sagten noch Zeugen aus, die als Gäste von Lokalen zufällig auf den Schuss aufmerksam wurden. Alle vier erklärten übereinstimmend, sie hätten auf der Jägerstraße einen Streit mitbekommen, in den mindestens drei Männer verwickelt waren. „Plötzlich hat jemand eine Waffe in der Hand gehabt und dem Opfer ins Gesicht geschossen“, berichtete eine Zeugin. Ein anderer meinte, der Täter hätte mit der Hand weit ausgeholt, ehe er abdrückte: „Es hat wie eine unbeholfene Bewegung gewirkt.“

Fazit der Zeugenaussagen: Kein einziger der Zeugen erkannte im Angeklagten den Schützen wieder.

Von mehreren Männern, die stritten, berichteten die weiteren Zeugen: „Es ist relativ schnell gegangen. Dann ist der Schuss gefallen“, sagte eine Frau. Ihr Lebensgefährte ging Richtung Tatort und machte mit seinem Handy mehrere Fotos, auf denen die Leiche und im Hintergrund drei Männer zu sehen sind, die im Begriff sind, sich rasch zu entfernen. Um wen es sich bei den Flüchtenden handelt, ist unklar, da die Qualität der Bilder mehr als mäßig ist. Offen blieb eine Entscheidung darüber, ob sich die Bilder technisch verbessern lassen könnten, wie von der Verteidigung gefordert. Der Prozess wird am 4. April fortgesetzt.

Schuss soll sich unabsichtlich gelöst haben

Im Prozess geht es um das Geschehen am Ostersonntag des Vorjahres. Um 15.05 Uhr fiel ein Schuss, um 15.10 Uhr kam der Angeklagte in die in unmittelbarer Nähe des Tatorts gelegene Polizeiinspektion Pappenheimgasse und ließ sich mit den Worten „Ich habe die Scheiße da gerade gemacht auf der Jägerstraße, ich wollte das nicht“ festnehmen. Er wurde festgenommen.

Gegenüber einer Kriminalbeamtin erklärte er, er habe sich mit dem späteren Opfer zu einer Aussprache getroffen, bei der es um eine Frau ging. Der Mann soll ihn angegriffen haben. Um ihn abzuwehren, habe er ihm seine Pistole auf den Kopf schlagen wollen. Dabei habe sich unabsichtlich ein Schuss gelöst. Allerdings: Es fanden sich laut Bundeskriminalamt kaum Schmauchspuren, die auf eine Schussabgabe hindeuten. Dabei sei die Waffe eine „Dreckschleuder“ - mehr dazu in Kopfschussprozess: Überraschendes Gutachten.

Ehefrau und Zellengenosse als Zeugen

Es sei daher „ganz klar, dass er nicht der Schütze ist“, bekräftigte Philipp Wolm, der zweite Verteidiger. Er verwies auf zwei Augenzeugen, die in der ersten Hauptverhandlung erklärt hatten, der Angeklagte sei zu groß, um der Schütze sein zu können.

Der Angeklagte hätte nicht nur der Kriminalbeamtin die Schussabgabe gestanden, hielt dem Staatsanwalt Wancata entgegen. Kurze Zeit nach dem Kopfschuss soll der 28-Jährige davon telefonisch seiner Frau berichtet haben und im Gefängnis einem Mitgefangenen. Beide sind in dem Verfahren als Zeugen geladen.

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