„Seestadt-Saga“ abgebrochen

Das Schauspielhaus hat die zweite Staffel seiner „Seestadt-Saga“, einer „begehbaren Social-Media-Serie in Echtzeit“, vorzeitig abgebrochen. Man könne die Trennung zwischen Fakten und Fake nicht mehr kontrollieren, heißt es.

Die Onlinesoap, ein Mash-up aus Theater, Film und Sozialen Netzwerken, war im Oktober gestartet worden. Die zweite Staffel begann am 1. März. Die Zuschauer konnten direkt in Aspern Veranstaltungen beiwohnen, auf der Serienwebsite wurden zusätzlich alle vorhandenen Informationen der verschiedenen Onlineprofile gebündelt.

„Ein wesentliches Merkmal ist die Durchlässigkeit der verschiedenen Ebenen. Das führt zu Rückkoppelungen“, erläuterte Bernhard Studlar, der Leiter des damit befassten „Writer’s Room“, das Konzept an der Schnittstelle zwischen Fiktion und Realität.

Szene aus Seestadtsaga

ORF, Schauspielhaus Wien

Soziale Netzwerke wurden bewusst in die Saga eingebaut

Grenzen von Realität und Fiktion verschwimmen

„Die Geister, die man rief - sie sind erschienen“, sagte Schauspielhaus-Leiter Tomas Schweigen und brachte die Entwicklung auf den Punkt. Die Grenzen zwischen realer und inszenierter Wirklichkeit seien verschwommen, sodass weder für die Rezipienten noch für die Akteure mehr erkennbar gewesen sei, was ernst gemeint und was erfunden war. Eine Erfahrung, die freilich auch die bei der Pressekonferenz anwesenden Journalisten machten. Denn konkrete Gründe für einen Abbruch, Beispiele für eine Eskalation, die das Ganze über das Erwartbare hinaus aus dem Ruder laufen ließen, blieben Schweigen und Studlar weitgehend schuldig.

„Liste Seestadt“ mit ungewollter Dynamik

Dass im Rahmen des „Seestadt-Saga“-Plots vorgestern Nacht eine Figur im See zu Tode gekommen sei, sei „ein schlechter Zeitpunkt“ gewesen und angesichts von realen Vorfällen von manchen als geschmacklos empfunden worden. Auch die Reaktionen auf die in der ersten Staffel als fiktive politische Bewegung gegründete „Liste Seestadt“, die sich im Lauf der Serie von linksliberal zu rechtspopulistisch gewandelt hat und zuletzt via Crowdfunding zum Bau einer Schutzmauer rund um die Seestadt gefordert habe, hätten die Macher nachdenklich gestimmt.

Szene aus Seestadtsaga

ORF, Schauspielhaus Wien

Viele Reaktionen auf die geforderte Schutzmauer für die Seestadt

Saga wird ins Theater verlagert

Statt das als Satire zu erkennen, seien die Reaktionen darauf immer schwerer einzuschätzen gewesen. Je mehr man betont habe, die Liste sei erfunden, desto mehr habe sie ein Eigenleben entwickelt. Bei den zahlreichen Reaktionen in Sozialen Netzwerken sei kaum mehr zu erkennen gewesen, „ob das ernst gemeint ist oder nicht“. Und wie man die Journalisten überzeugen wolle, dass das bei der Pressekonferenz Gesagte ernst zu nehmen sei, wurde Schweigen abschließend gefragt. „Nach den Erfahrungen der letzten Tage muss ich sagen: Ich fürchte, das können wir nicht.“

Szene aus Seestadtsaga

ORF, Schauspielhaus Wien

Die geplante Produktion „War is not Happening ...“ wird jedenfalls aufgrund der Ereignisse zugunsten von „Digitalis Trojana - Der See, die Stadt und das Ende“ abgesagt. Auf verschiedenen Ebenen soll in diesem „dramatischen Netz“, das am 12. Mai Premiere hat, „im geschützten Raum des Theaters“ an die Handlungsstränge der „Seestadt-Saga“ angeknüpft werden. Der Theaterabend steht dennoch für sich und setzt keine Vorkenntnisse der Serie voraus. Das Thema liegt auf der Hand: „Wie geht man mit Information um, wenn ‚Fake News‘ und Wirklichkeit nicht mehr zu trennen sind?“

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